Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon

Polo-Cavia - 2012 - 01

Polo-Cavia, N., P. Lopez & J. Martin (2012): Effects of body temperature on righting performance of native and invasive freshwater turtles: Consequences for competition. – Physiology & Behavior 108: 28-33.

Auswirkungen der Körpertemperatur auf die Umkehrreaktion bei nativen und invasiven Wasserschildkröten: Konsequenzen für die Konkurrenz.

DOI: 10.1016/j.physbeh.2012.10.002 ➚

Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Bachschildkröte,
Mauremys leprosa,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Umkehrreaktion bei Wasserschildkröten könnte einem Co-Adaptationsdruck zwischen der bevorzugten Sonnenbadetemperatur und der Beweglichkeit unterliegen. Unter der Annahme, dass die Umkehrreaktion meist nur an Land erfolgt, könnte sie eine wichtige Funktion für das Überleben der Schildkröten spielen. Wir analysierten die Auswirkungen der Körpertemperatur in Bezug zur Umkehrreaktion bei zwei Wasserschildkröten der bedrohten heimischen spanischen Bachschildkröte (Mauremys leprosa) und der Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) einer eingeführten, invasiven Spezies, die die einheimischen Schildkröten auf der iberischen Halbinsel verdrängt. Wie in der Vergangenheit festgestellt, existieren Interspeziesunterschiede in Bezug zur Morphologie, dem Sonnenbadebedürfnissen und dem Verhalten zwischen den spanischen Bachschildkröten und den eingeführten Rotwangen-Schmuckschildkröten. Deshalb vermuten wir, dass die Körpertemperatur möglicherweise bei diesen zwei Arten die Umkehrreaktion unterschiedlich beeinflusst. Wir fanden klare Auswirkungen der Körpertemperatur auf die Umkehrreaktion bei beiden Spezies M. leprosa und T. scripta, wobei die Ausführung nach dem Erreichen der optimalen Sonnenbadetemperatur für beide Spezies am besten war. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Umkehrreaktion einer Co-Adaptation mit der optimalen Temperatur bei Wasserschildkröten unterliegt. Obgleich M. leprosa durchschnittlich immer längere Zeit brauchte, um sich aus Rückenlage umzudrehen als T. scripta, was zeigt, dass letztere eine bessere Effizienz in Bezug zur Umkehrreaktion zeigt. Diese asymmetrischen Interspeziesunterschiede in Bezug zur Umkehrreaktion bei heimischen und exotischen Schildkröten könnte dazu beitragen, dass die eingeführte T. scripta ein höheres Konkurrenzpotential besitzt, was ihre Ausbreitung in ihrer neuen Umwelt zugutekommt und was zum Rückgang der heimischen Arten beitragen kann.

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch wenn diese Arbeit Unterschiede in Bezug auf die Umkehrreaktion zeigt, so sollte man doch dahingehend skeptisch sein, ob die Umkehrreaktion wirklich ursächlich für einen erhöhten Konkurrenzdruck durch T. scripta sein kann. Denn wenn die einheimische Bachschildkröte es sich bislang leisten konnte sich langsamer umzudrehen, scheint der Selektionsdruck für eine schnellere Reaktion in ihren Habitaten keine so große Rolle zu spielen. Dass die Bachschildkröte dabei immer langsamer ist liegt wohl auch an der etwas unterschiedlichen Morphologie ihres Carapax‘. Ich denke dadurch, dass T. scripta größer wird und damit bessere Sonnenbadeplätze erobern kann und sich aufgrund ihrer Form auch noch schneller aufheizen kann, sollte sie der Bachschildkröte überlegen sein. Ich denke hier sollte man versuchen nicht auf „Teufel komm raus“ alle zu beobachtenden Unterschiede unter dem Aspekt einer Verdrängung durch Konkurrenz sehen. Da sich Arten ja über lange Zeiträume an ihre Habitate angepasst haben, müsste man sich ja auch fragen, warum haben sich bislang die Bachschildkröten und die europäische Sumpfschildkröte nicht gegenseitig verdrängt? Hier sollte man einmal experimentell untersuchen, unter welchen Umweltbedingungen die Bachschildkröte eventuell Vorteile gegenüber der Rotwangen-Schmuckschildkröte hätte und sollte sich dann auch der Frage widmen, warum sie diese eventuellen Vorteile nicht nutzen kann. Haben sich in Spanien vielleicht durch menschliche Eingriffe in die Gewässer diese so verändert, dass sie nun für invasive Arten mehr Vorteile bieten als für die einheimischen Arten, die vielleicht vorher schon unter für sie suboptimalen Verhältnissen überleben mussten? Denn es ist schon seltsam, warum eine Art, die an eine bestimmte ihr angeblich bekannte Umwelt an die sie optimal angepasst sein sollte, plötzlich durch eine neu eingebürgerte Art verdrängt werden kann. Oder würde Verdrängung bedeuten, dass sich die Bachschildkröte nur in andere Bachabschnitte zurückziehen können müsste, die von der Rotwangen-Schmuckschildkröte nicht so gut besiedelt werden können? Allerdings würde das natürlich voraussetzen, dass es solche Biotope für die Bachschildkröte noch geben müsste. Ich denke, wir haben die wirklichen Ursachen für diese Prozesse zwar insofern kapiert, als dass es sich dabei um vom Menschen durch Faunenverfälschung verursachte Muster handelt, aber warum sie sich bezogen auf die beteiligten, konkurrierenden Spezies so auswirken, haben wir dabei bislang kaum oder nur Ansatzweise durchschaut (siehe auch: Polo-Cavia et al. 2010). Hier sollte allerdings auch an andere Mechanismen gedacht werden, denn aus der Insekten und Vogelwelt kennt man schon seit längerem das Phänomen, dass invasive Arten oft Parasiten in sich tragen, gegen die sie selbst resistent sind, nicht aber die vor Ort ansässigen Spezies (Vilcinskas et al. 2013). Gleiches kann es auch bei Schildkröten geben, wie schon früher einmal angesprochen siehe Kommentar zu Bicknese et al. (2010) oder auch die Diskussion bei Jennemann & Bidmon (2009).

Literatur

Bicknese, E. J., A. L. Childress & J. F. X. Wellehan (2010): A Novel Herpesvirus of the Proposed Genus Chelonivirus from an Asymptomatic Bowsprit Tortoise (Chersina angulata). – Journal of Zoo and Wildlife Medicine 41(2): 353-358 oder Abstract-Archiv.

Jennemann, G. & H.-J. Bidmon (2009): Infektionen mit Blutparasiten aus der Familie der Spirorchiidae bei Emys orbicularis in Deutschland – auch eine potentielle Bedrohung für die letzten einheimischen Vorkommen der Art? – Schildkröten im Fokus 6(2): 3-18 ➚.

Polo-Cavia N., A. Gonzalo, P. López & J. Martín (2010): Predator Recognition of Native (Euopean Pond) but not invasive Turtle Predators (red-eared sliders) by naïve anuran tadpoles – Result- sliders out compete native turtles for food. – Animal Behaviour 80(3): 461-468 oder Abstract-Archiv.

Vilcinskas, A., K. Stoecker, H. Schmidtberg, C. R. Röhrich & H. Vogel (2013): Invasive Harlequin Ladybird Carries Biological Weapons Against Native Competitors. – Science 340: 862-863.

Galerien