Laloë, J.-O., G. Schofield & G.Hays (2023): Climate warming and sea turtle sex ratios across the globe. – Global Change Biology 30(1): e17004.
Klimaerwärmung und das Geschlechterverhältnis von Meeresschildkröten über den ganzen Globus.
DOI: 10.1111/gcb.17004 ➚

Chelonia agassizii,
© Carlos Delgado-Trejo
Klimaerwärmung und die Verweiblichung von ganzen Populationen aufgrund der Temperaturabhängigen-Geschlechtsausprägung erhöht das Aussterberisiko für Meeresschildkröten. Um die Regionen mit einem erhöhten Risiko zu identifizieren, untersuchten wir die Geschlechterverhältnisse und das Muster der Klimaveränderungen über mehrere Jahrzehnte an 64 Nistlokalitäten, die über den ganzen Globus verteilt liegen. Während der letzten 62 Jahre stieg die Temperatur im Durchschnitt um 0,85 °C pro Jahrhundert (SD = 0,65 °C, Spanne = -0,53 bis +2,5 °C, n = 64 Nistplätze). Die Temperatur erhöhte sich bei 40 der 64 untersuchten Nistlokalitäten. Hin zu mehr Weibchen verschobene Geschlechterverhältnisse bei den Schlüpflingen oder juvenilen Schildkröten fanden sich bei 57 der 64 Nistplätze, mit mehr als >90 % Weibchen bei 17 Nistplätzen. Wir entdeckten aber keine Beziehung zwischen dem Ausmaß der Erwärmung und dem Geschlechterverhältnis (r62 = -0,03, p = 0,802, n = 64 Nistplätze). Deshalb legen unsere Ergebnisse nahe, dass die Verschiebung des Geschlechterverhältnisses hin zu mehr Weibchen eben nicht nur eine direkte Konsequenz der derzeitigen Erwärmung sein kann und dass diese Verschiebung möglicherweise schon für viele Dekaden bestanden hat. Somit könnten auch andere Faktoren als nur die derzeitigen Temperaturanstiege für diese Verschiebung bei den Geschlechterverhältnissen an den unterschiedlichen Nistlokalitäten verantwortlich sein, wie z.B. Unterschiede beim Nistverhalten wie die Nesttiefe, das Nistsubstrat (z.B. die Albedo des Sands), Verschattungs- und Niederschlagsmuster. Während insgesamt über alle Nistlokalitäten betrachtet die derzeitigen Temperaturanstiege keine direkte Beziehung zum Geschlechterverhältnis bei den Schlüpflingen erkennen lassen, gab es doch einige Niststrände wo sowohl eine hohe Rate an weiblichen Schlüpflingen vorlag als auch höhere Temperaturanstiege auftraten wie die Insel Raine (Australien; 99% Weibchen bei Suppenschildkröten; 1,27 °C Temperaturanstieg pro Jahrhundert), Niststrände auf Zypern (97,1 % Weibchen bei Suppenschildkröten; 1,68 °C Temperaturanstieg pro Jahrhundert) und in der niederländischen Karibik (St Eustatius; 91,5 % Weibchen bei Lederrückenschildkröten; 1,15 °C Erwärmung pro Jahrhundert). Bei diesen Ausnahmen handelt es sich sicher, um die ersten Nistlokalitäten wo Managementmaßnahmen notwendig werden, um die Anzahl männlicher Schildkröten zu steigern. Die Fortführung solcher Erfassungen wie der Sandtemperaturen und der Geschlechterverhältnisse werden empfohlen, um überhaupt die Lokalitäten zu identifizieren, wo und ab wann hohe Temperaturen die jeweiligen Populationen gefährden.

Chelonia mydas,
© Hans-Jürgen Bidmon
Kommentar von H.-J. Bidmon
Eine interessante Arbeit, die zwar für einige Nistlokalitäten eine Verweiblichung aufgrund von Temperaturanstiegen nahelegt, die aber eben auch darauf verweist, dass es sehr wahrscheinlicht nicht nur die Temeraturanstiege allein sind, die das Geschlechterverhältnis bei den Schlüpflingen festlegen. Für alle, die mit der Albedo des Sandes nichts direkt anfangen können, sei angemerkt, dass die Albedo sich auf die Rückrefelxion des Lichts bezieht, das auf die jeweilige Sandfläche einstrahlt, wobei die Größenordnung der Rückreflexion des Lichts sich für die unterschiedlichen Wellenlängen deutlich unterscheidet und somit die Wellenlängenzusammensetzungs des Lichts, welches einen Nistplatz bestrahlt in Bezug auf die Erwärmung der Sandfläche unterschiedlich sein kann. Auf alle Fälle spricht diese Studie dafür, dass es noch etliches zu untersuchen gibt, was uns erklären könnte, warum Meeresschildkröten anscheinend die führen Warmzeiten auf diesen Planeten bis heute recht gut überstanden hatten. Man sollte aber auch nicht ganz außer Acht lassen, dass eben auch die Muttertiere einen eigenen Beitrag mit einbringen könnten, der es bei dem Ausmaß derzeit ermittelten Temperaturanstiegen noch gar nicht erlauben würde zu signifikanten Ergebnissen bzgl. der Auswirkungen zu kommen, wenn sich zeigen sollte, dass sich bei den Weibchen innerhalb der Populationen bzgl. der Pivotaltemperatur dieselben Schwankungen beobachten lassen wie sie von Carter et al. (2019) für Chrysemys picta beschrieben wurden.
Literatur
Carter, A. L., B. L. Bodensteiner, J. B. Iverson, C. L. Milne-Zelman, T. S. Mitchell, J. M. Refsnider, D. A. Warner & F. J. Janzen (2019): Breadth of the thermal response captures individual and geographic variation in temperature‐dependent sex determination. – Functional Ecology 33(10): 1928-1939 oder Abstract-Archiv.
Galerien


Chelonia agassizii – Schwarze Suppenschildkröte





Chelonia mydas – Grüne Meeresschildkröte