Kuhn, Isabell Maria, Benoît Quintard, Kathrin Theissinger & Jean-Yves Georges (2025): Trophic interactions between the European pond turtle (Emys orbicularis) and invasive non-native species. – NeoBiota 100: 281-303.
Interaktionen in Bezug zur Ernährung zwischen der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) und invasiven nicht einheimischen Spezies.
DOI: 10.3897/neobiota.100.147371 ➚

Emys orbicularis,
© Hans-Jürgen-Bidmon
Biologische Invasionen stehen im Gegensatz zu Wiederansiedlungsprojekten, bei denen einheimische Arten bewusst in ihren natürlichen Lebensraum zurückgebracht werden, um die lokale Artenvielfalt wiederherzustellen. Ein solches Wiederansiedlungsprojekt wird im Oberrheintal mit der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) in der grenzüberschreitenden Region zwischen Lauterbourg (Frankreich) und Neuburg am Rhein (Deutschland), im Folgenden als Neu-Woerr bezeichnet, durchgeführt. Es wurden mehrere Teiche angelegt, um die Ausbreitung der wiederangesiedelten Schildkröten zu fördern. Allerdings wurde diese Teichlandschaft in letzter Zeit stark von der Kalikokrebsart Faxonius immunis und teilweise auch von der Zebramuschel (Dreissena polymorpha) besiedelt. Diese beiden invasiven gebietsfremden Arten beeinträchtigen die Gesamtqualität des Lebensraums, da die Zebramuschel das Phytoplankton und die Kalikokrebse die Makrophyten und Makroinvertebraten massiv abbauen. Diese invasiven gebietsfremden Arten sind jedoch auch potenzielle neue Beutetiere für die wiederangesiedelten Schildkröten. Hier untersuchten wir die trophischen Wechselwirkungen zwischen den Schildkröten und den beiden invasiven gebietsfremden Arten unter Gefangenschaftsbedingungen. Wir führten Beuteauswahltests mit Schildkröten und Kalikokrebsen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Panzerhärte sowie mit Zebramuscheln unterschiedlicher Größe durch. Zusätzlich wurden Kotproben von wild gefangenen Schildkröten auf Neu-Woerr entnommen und auf DNA von Kalikokrebsen untersucht. Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Schildkröten in der Lage waren, sowohl in freier Wildbahn als auch in Gefangenschaft Kalikokrebse zu jagen, wobei sie kleine Krebse bevorzugten und keine geschlechtsspezifische Präferenz für die weniger aggressiven weiblichen Krebse zeigten. Bei den Zebramuscheln erbeuteten die Schildkröten bevorzugt kleine lebende Exemplare, während sie auch größere, jedoch tote Muscheln fraßen. Diese Studie liefert neue Erkenntnisse über die Ernährungsökologie der Europäischen Sumpfschildkröte und hebt die zusätzlichen Vorteile und den Mehrwert von Wiederansiedlungsprojekten hervor, wenn die wiederangesiedelte Art zusätzlich als neuer Fressfeind invasiver Arten fungiert.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Eine interessante Arbeit, die aber auch wieder nur die positiven Eigenschaften für die Europäische Sumpfschildkröte betont (siehe Meyer et al., 2025 und den dortigen Kommentar). Sicher ist es von Vorteil, wenn die durch diese einwandernden invasiven Evertebratenspezies verursachten Verluste an potentiellen Beutetieren für E. orbicularis durch sie selbst ausgeglichen werden können. Auch dürfte es für die Zukunft interessant sein zu beobachten, ob sich zum Beispiel bei E. orbicularis morphologische Veränderungen als Anpassung an ein neues Beutespektrum ergeben (siehe z. B. Sterrett et al., 2020; Ferreira-Rodriguez et al., 2018; Lindeman et al., 2024; Lindeman, 2006; McCoy et al., 2020). Neben diesen neuen Erkenntnissen aus diesem Ansiedlungsprojekt für die Europäische Sumpfschildkröte sollte aber auch berücksichtigt werden, dass sich auch für die Schildkröten die als Neozoen sich in unseren Gewässern ausbreiten ebenfalls solch neue trophische Nischen auftun, die sogar in Bezug auf die Eindämmung invasiver Evertebraten noch effektiver sein könnten als E. orbicularis, wobei diese auch in Bezug auf den fortschreitenden Klimawandel und der prognostizierten Erwärmung des Rheins gegenüber E. orbicularis langfristig Vorteile haben könnten (Bidmon, 2025).
Literatur
Bidmon, H.-J. (2025): Wasserschlösser, Klöster und Burgruinen zwischen Niers und Erft und ihre Chelonier, sowie der vermutliche Erstnachweis von Mauremys leprosa im Rheinischen Revier: Ein Kurzbericht. - Artikel-Archiv.
Ferreira-Rodríguez, N., C. Ayres & I. Pardo (2018): Corbicula fluminea (Mollusca: Bivalvia) as a new food resource for native and exotic terrapins occurring in NW Iberian Peninsula: an ex situ experiment. – North-Western Journal of Zoology 14(1): 37-43 oder Abstract-Archiv.
Lindeman, P. V. (2006b): Zebra and Quagga Mussels (Dreissena spp.) and other prey of a Lake Erie population of common map turtles (Emydidae: Graptemys geographica). – Copeia 2006(2): 268-273 oder Abstract-Archiv.
Lindeman, P. V., W. Selman & R. L. Jones (2024): A Sawback is a Sawback is a Sawback: Diet and Habitat-Related Variation in Body Size of the Turtle Graptemys oculifera Show It Is an Ecological Analogue of Its Two Closest Relatives. – Chelonian Conservation and Biology 22(2): 156-164 oder Abstract-Archiv.
McCoy, C. J., O. A. Flores-Villela, R. C. Vogt, M. Pappas & J. K McCoy (2020): Ecology of Riverine Turtle Communities in the Southern United States: Food Resource Use and Trophic Niche Dimensions. – Chelonian Conservation and Biology 19(2): 197-208 oder Abstract-Archiv.
Meyer, Albin, Corinne Grac, Frédéric Labat, Johannes Meka, Karina A. E. van der Zon, Kathrin Theissinger & Jean-Yves Georges (2025): Testing the Optimal Foraging Theory in a Generalist Feeder: The Case of Reintroduced European Pond Turtles and Its Impact on Macroinvertebrates Communities. – Ecology and Evolution 15(8): e71823 oder Abstract-Archiv.
Sterrett, S. C., T. Kirk & L. L. Smith (2020): Evidence of a Dietary Shift in Female Barbour's Map Turtle (Graptemys barbouri) to Exploit an Exotic Mollusk. – Chelonian Conservation and Biology 19(2): 298-301 oder Abstract-Archiv.
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Emys orbicularis – Europäische Sumpfschildkröte