Hetterich, J. & M. Pees (2025): Case Report: Oral fecal microbiota transplantation in a Mediterranean spur-thighed tortoise (Testudo graeca) suffering from chronic gastrointestinal disease-procedure, clinical outcome and follow-up. – Frontiers in Veterinary Science 12: 1560689.
Fallbericht: Orale fäkale Mikrobiota-Transplantation bei einer mediterranen Spornschildkröte (Testudo graeca), die an einer chronischen Magen-Darm-Erkrankung litt - Verfahren, klinisches Ergebnis und Nachuntersuchung.
DOI: 10.3389/fvets.2025.1560689 ➚

Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon
Einleitung: Bei der fäkalen Mikrobiota-Transplantation (FMT) wird das fäkale Mikrobiom von einem gesunden Spender in den Magen-Darm-Trakt eines Empfängers übertragen. Obwohl viele Mechanismen der FMT derzeit noch nicht vollständig geklärt sind, wurde beschrieben, dass die Behandlung verschiedener Magen-Darm-Erkrankungen bei verschiedenen Tierarten, einschließlich des Menschen, durch die FMT-Therapie erheblich verbessert wird. Seit dem ersten Bericht über die FMT-Therapie in der Veterinärmedizin bei kleinen Säugetieren wurden zahlreiche Fälle berichtet, aber es wurden nur wenige Informationen über die therapeutischen Auswirkungen der FMT-Behandlung bei Reptilien veröffentlicht. Der vorliegende Fallbericht beschreibt die Auswirkungen einer oral verabreichten fäkalen Mikrobiota-Transplantation bei einer mediterranen Spornschildkröte (Testudo graeca), die unter chronischen gastrointestinalen Störungen litt. Vorstellung des Falles: Ein neun Jahre altes, 330 g schweres, intaktes Weibchen der mediterranen Spornschildkröte (Testudo graeca) aus der eigenen Nachzucht des Tierbesitzers wurde wegen eines verschlechterten Allgemeinzustands, Anorexie und Sialorrhoe nach der oralen Aufnahme einer Salatart (Lactuca virosa), die für ihre giftigen Pflanzeninhaltsstoffe (Sesquiterpenlactone) bekannt ist, drei Wochen vor der Vorstellung zur Untersuchung vorgestellt. Vorerkrankungen wurden nicht angegeben. Die klinische Untersuchung ergab Sialorrhoe und einen reduzierten Allgemeinzustand. Zu den diagnostischen Verfahren gehörten Blutchemie, Röntgenaufnahmen und Ultraschalluntersuchungen. Trotz wiederholter Behandlungsversuche mit verschiedenen Medikamenten über 158 Tage zeigte die Schildkröte weiterhin variabel wiederkehrende gastrointestinale Symptome. Eine oral verabreichte FMT wurde eingeleitet und insgesamt 3 Wochen lang fortgesetzt. Die gastrointestinalen Symptome besserten sich rasch innerhalb der ersten Woche und waren nach 3 Wochen vollständig verschwunden. Während einer Nachbeobachtungszeit von 9 Monaten wurden weder ein Wiederauftreten der Symptome noch unerwünschte Wirkungen beobachtet. Schlussfolgerung: Dieser Fallbericht beschreibt den ersten erfolgreichen Versuch einer fäkalen Mikrobiota-Transplantation bei Schildkröten. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass dieser therapeutische Ansatz nicht nur für Kleintiere, sondern auch für die Therapie von Magen-Darm-Erkrankungen bei Reptilien von Nutzen sein kann, insbesondere in Fällen, in denen die konventionelle Therapie keine ausreichenden Ergebnisse liefert.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Eine der ersten Studien für Landschildkröten belegt, welche Rolle das Darmmikrobiom spielen kann. Dieser Bericht belegt eindrucksvoll mit guten Angaben zum praktisch therapeutischen Vorgehen dieser Schildkröte 159 Tage nach konventionellen erfolglosen Therapieversuchen dann ein Brei gemixt aus Kot von drei als gesund getesteten Geschwisterschildkröten in zwei Portionen im Abstand von vier Stunden verabreicht wurde. Die Behandlung wurde dann vom Besitzer der Schildkröte für drei Wochen durchgeführt, indem immer etwas Kot der Geschwisterschildkröten umhüllt vom Lieblingsfutter des Tieres gefüttert wurde. Schon eine Woche nach der ersten Behandlung mit Kot hatte sich die Schildkröte erholt und blieb bis dato symptomfrei. Diese Arbeit belegt aber auch, wie schädlich eigentlich Antibiotikagaben sein können, denn sie bekämpfen ja nicht nur pathogene Bakterien, sondern haben auch das Potential, die Darmflora zu zerstören. Dieses Wirkung zeigt sich ja auch sehr deutlich bei der Mojavewüstenbuschratte (Neotoma lepida) die sich als fast einziges Tier vom hochgradig giftigen und trockenheitsresistenten Kreosotebusch (Lamea tridentate) ernährt. Diese giftige Nahrung kann sie aber nur nutzen, weil sie Darmbakterien besitzt, die das Gift der Kreosote abbauen. Behandelt man aber die Wüstenbuschratte mit Antibiotika, so erkrankt und verstirbt sie am Kreosotegift genauso wie alle anderen Tiere. Hier gab es eine Koevolution zwischen dem Darmmikrobiom und der Wüstenbuschratte die beiden ein Überleben unter extremen Bedingungen ermöglichte. Ein Beispiel, dass erst kürzlich wieder im Einleitungskapitel mit dem Titel (Nothing in Biology makes Sense … Anymore) von Lala et al. (2024) Erwähnung fand. Insofern sollte man sich durchaus daran erinnern, dass Antibiotika auch schaden können und das selbst nach Antibiotikagaben bei Individuen die einzeln gehalten werden eine Behandlung zur Wiederherstellung der Darmflora angezeigt ist, da einzeln gehaltene Tiere ja nicht durch den Kontakt mit Artgenossen ihre Darmmikrobiom auf natürliche Weise erneuern können.
Literatur
Lala, K. N., T. Uller, N. Feiner, M. W. Feldman & S. F. Gilbert (2024): Evolution Evolving: The Developmental Origins of Adaptation and Biodiversity. – Princeton University Press; S. 426; Quelle: press.princeton.edu/books/hardcover/9780691262413/evolution-evolving ➚.
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Testudo graeca – Maurische Landschildkröte