Terekay-Schienenschildkröte, Podocnemis unifilis, schlüpfen von Jungtieren mit Leuzismus aus einem Nest auf einer Lehmbank – © José Erickson

Erickson - 2020 - 01

Erickson, J., C. Kurzmann Fagundes, M. d. S. Magalhaes, L. C. Dias, R. C. Vogt, I. P. Farias & J. Zuanon (2020): Natural nests incubated in two different soil types lead to an overall balanced sex ratio in Podocnemis unifilis hatchlings on the lower Purus River, Brazil. – Salamandra 56(4): 309-316.

Natürliche Nester die in zwei verschiedenen Bodensubstraten inkubierten lieferten insgesamt ausgeglichene Geschlechterverhältnisse bei den Schlüpflingen von Podocnemis unifilis vom unteren Purusfluss, Brasilien.

DOI: None

Terekay-Schienenschildkröte, Podocnemis unifilis, – © José Erickson
Terekay-Schienenschildkröte,
Podocnemis unifilis,
© José Erickson

Eine temperaturabhängige Geschlechtsausprägung kommt bei vielen Schildkrötenspezies vor. Da aber die Bodensubstrate bezüglich ihrer Wärmespeicherung Unterschiede aufweisen können relativ kleine Veränderungen bei der Umgebungstemperatur schon einen großen Einfluss auf das Geschlechterverhältnis bei den Schlüpflingen haben die in unterschiedlichen Bodensubstraten inkubierten, obwohl beide in der gleichen georaphischen Region vorliegen. Da Podocnemis unifilis zu einer der Schildkrötenarten (Podocnemididae) Amazoniens gehört die sich durch eine hohe Verhaltensplastizität in Bezug auf die Nistplatzauswahl auszeichnet untersuchten wir den Einfluss unterschiedlicher Bodensubstrate auf das Geschlechterverhältnis der Schlüpflinge innerhalb des Piagacu Purus Resevat für nachhaltige Landentwicklung entlang des Unterlaufs des Purusfluss in Brasilien. Während der Nistsaisons von 2013 und 2014 erfassten wir 26 Nester auf einer Sandbank (n=14) und auf einer Lehmbank (n=12). Ungefähr die Hälfte der Schlüpflinge aus jedem der Nester wurde anhand der histologischen Gonadenuntersuchung analysiert (n = 341). Wir fanden ein erhöhtes Vorkommen von Weibchen bei den Nestern die auf der Sandbank abgelegt worden waren und mehr Männchen bei den Nestern auf der Lehmbank (chi(2) = 40.466, df = 1, P < 0.0001). Das Geschlechterverhältnis bei den Schlüpflingen die in Sand inkubierten lag bei 1 Männchen pro 2,28 Weibchen und jenes bei den Schlüpflingen die in Lehm inkubierten bei 1,9 Männchen pro einem Weibchen. Insgesamt ergab sich aber für alle Schlüpflinge ein Geschlechterverhältnis von ungefähr 1:1. Aufgrund der graduellen Zunahme beim globalen Temperaturanstieg wurde vermutet, dass bei Arten mit einer temperaturabhängigen Geschlechtsausprägung einige der Populationen fast ausschließlich Weibchen hervorbringen. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die Nutzung unterschiedlicher Nistsubstrate diese Auswirkungen des globalen Klimawandels in Bezug auf das Geschlechterverhältnis der Schlüpflinge abschwächen könnte, und zwar insbesondere bei den Arten die eine höhere Verhaltensplastizität wie bei P. unifilis aufweisen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier handelt es sich mal wieder um eine sehr interessante Arbeit die die Auswirkungen von natürlichen Inkubationssubstraten innerhalb derselben geographischen Region beschreibt und die deutlichen Unterschiede aufzeigt. Wenn man in diesem Zusammenhang die weite Verbreitung der beschriebenen Art sowie die Befunde aus den Arbeiten von Bodensteiner et al., 2019 und Carter et al., (2019) mit in die Überlegungen einbezieht sollte einem durchaus deutlich werden warum auch schon in der erdgeschichtlichen Vergangenheit Schildkröten in der Lage waren trotz ihrer temperaturabhängigen Geschlechtsausprägung auch wesentlich wärmere Phasen erfolgreich zu überdauern. Letzteres heißt nicht, dass wir den Klimawandel unberücksichtigt lassen sollten, aber wie schon des Öfteren diskutiert dürfte er auch nur dort zum Erlöschen von Schildkrötenpopulationen führen, wo es zum völligen Austrocknen von Gewässern kommt oder wo durch die Meeresspiegelanstiege Küstenregionen völlig überschwemmt werden und andere eventuell durch Salzwasser so beeinträchtigt werden, dass Arten die sich daran nicht anpassen können entweder abwandern oder aussterben. Insofern wird wohl auch das zukünftige Überleben von Arten von unserem Verhalten abhängen, so wie es wohl in der jüngeren Erdgeschichte auch schon war (siehe Li et al., 2020; Kehlmaier et al., 2017; Hawkins et al., 2016 und die dortigen Kommentare).

Literatur

Bodensteiner, B. L., D. A. Warner, J. B. Iverson, C. L. Milne-Zelman, T. S. Mitchell, J. M. Refsnider & F. J. Janzen (2019): Geographic variation in thermal sensitivity of early life traits in a widespread reptile. – Ecology and Evolution 9(5): 2791-2802 oder Abstract-Archiv.

Carter, A. L., B. L. Bodensteiner, J. B. Iverson, C. L. Milne-Zelman, T. S. Mitchell, J. M. Refsnider, D. A. Warner & F. J. Janzen (2019): Breadth of the thermal response captures individual and geographic variation in temperature‐dependent sex determination. – Functional Ecology 33(10): 1928-1939 oder Abstract-Archiv.

Hawkins, S., T. H. Worthy, S. Bedford, M. Spriggs, G. Clark, G. Irwin, S. Best & P. Kirch (2016): Ancient tortoise hunting in the southwest Pacific. – Scientific Reports 6: 38317 oder Abstract-Archiv.

Kehlmaier, C., A. Barlow, A. K. Hastings, M. Vamberger, J. L. Paijmans, D. W. Steadman, N. A. Albury, R. Franz, M. Hofreiter & U. Fritz (2017): Tropical ancient DNA reveals relationships of the extinct Bahamian giant tortoise Chelonoidis alburyorum. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 284(1846): 20162235 oder Abstract-Archiv.

Li, H., A. Sinha, A. A. André, C. Spötl, H. B. Vonhof, A. Meunier, G. Kathayat, P. Duan, N. R. G. Voarintsoa, Y. Ning, J. Biswas, P. Hu, X. Li, L. Sha, J. Zhao, R. L. Edwards & H. Cheng (2020): A multimillennial climatic context for the megafaunal extinctions in Madagascar and Mascarene Islands. – Science Advances 6(42): eabb2459 oder Abstract-Archiv.

Galerien