Perpinan - 2008 - 01

Perpinan, D., S. M. Hernandez-Divers, K. S: Latimer, T. Akre, C. Hagen, K. A. Buhlmann & S. J. Hernandez-Divers (2008): Hematology of the Pascagoula map turtle (Graptemys gibbonsi) and the southeast Asian box turtle (Cuora amboinensis). – Journal of Zoo and Wildlife Medicine 39(3): 460-463.

Hämatologie der Pascagoula-Höckerschildkröte (Graptemys gibbonsi) und der Amboina-Scharnierschildkröte (Cuora amboinensis).

DOI: 10.1638/2007-0044.1 ➚

Schildkrötenpopulationen schrumpfen dramatisch aufgrund von Habitatverlusten und des Absammelns für Nahrungszwecke und den Tierhandel. Diese Studie wurde initiiert, um die Blutparameter bei zwei Schildkrötenarten zu untersuchen, um die Überprüfung des Gesundheitsstatus von in Gefangenschaft gehaltenen und wild lebenden Populationen zu ermöglichen. Blutproben wurden bei 12 Individuen von Graptemys gibbonsi und sieben Individuen von Cuora amboinensis des Savannah River Ecology Laboratory (South Carolina, USA) gesammelt. Die gemessenen Blutwerte bezogen sich auf den Hämatokrit, Gasamtzellfraktion, Erythrozytenzahl, Leukozytenzahl und die differentielle und prozentuale Leukozytenanzahl. Niedrige Hämatokritwerte und hohe Basophilenzahlen wurden bei beiden Spezies gefunden. Die Basophilen waren die häufigsten Leukozyten bei der Pascagoula Höckerschildkröte (Mittelwert = 0,80 × 10(9)/L), im Gegensatz dazu waren bei der Amboina-Scharnierschildkröte die Heterophilen am häufigsten (Mittelwert 2,06 × 10(9)/L).

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine interessante Arbeit, die klar zeigt, dass es in Bezug auf die Differentialdiagnose bei den Blutparametern klare artspezifische Unterschiede gibt. Diese Art der Datensammlung könnte man eigentlich nur noch dadurch verbessern, dass man die Blutproben bei wild lebenden Populationen im Orginalhabitat sammelt, um auszuschließen, dass Lebensumstände, die aus der Gefangenschaftshaltung herrühren, zu Blutbildveränderungen führen, auch ohne dass die Schildkröten gleich als krank zu bezeichnen wären (siehe auch Innis et al. (2007)). Gerade diese Arbeit macht deutlich, wie schwer es Tierärzte mit der Diagnose bei den so genannten „Exoten“ haben, denn diese artspezifischen Besonderheiten setzen ein hohes Maß an Spezialkenntnis voraus, um eine sichere Diagnose zu treffen. Es gibt eben nicht wie für den Menschen oder das Nutzvieh und die häufig gehaltenen Haustiere ausführliche Tabellen, wo man die Normwerte für ein gesundes Blutbild nachschlagen könnte. Insofern sind solche Untersuchungen nur zu begrüßen und eine Grundvoraussetzung für eine artgerechte Amphibien- und Reptilienmedizin. Man fragt sich wirklich, warum liest man nicht mehr über solche Untersuchungen auch von deutschen Tierärzten, die den Status einer amphibien- und reptilienspezifischen Aus- bzw. Weiterbildung immer so betonen und zu deren Patientenklientel durchaus auch hierzulande Amboina-Scharnierschildkröten gehören? Können wir wirklich im Sinne einer artgerechten reptilienspezifischen Ausbildung und vor allem Behandlung darauf verzichten? Ich denke nein, und deshalb hatte ich schon einige Male darauf verwiesen, endlich mit der Erfassung von Behandlungsmethoden und auch solchen Normwerten zumindest für eine sinnvolle Weiterbildung zu beginnen (siehe Kommentar zu: Mathie et al. (2007)). Geschieht es nämlich nicht, und das macht die oben angeführte Arbeit klar, bleibt ein Facharzt für Reptilienmedizin eher eine werbewirksame Bezeichnung als ein wirkliches Prädikat für eine Spezialausbildung! Wenn es diese artspezifischen Unterschiede gibt, müssen sie auch für diagnostische Zwecke genutzt werden können und das Wissen um diese Sachverhalte muss ja gerade an Berufsanfänger im Sinne einer Ausbildung vermittelbar sein. Ohne dieses Spezialwissen würden wohl viele, die solche Blutbilder deuten sollen und nichts anderes als die Normwerte für eine Griechische Landschildkröte zur Hand haben, jeder Spezies eine andere Infektion „andichten“, weil eben eine Verschiebung hin zu mehr Basophilen beziehungsweise mehr Heterophilen darauf schließen lassen könnte. Fazit: Noch viel Stoff für brauchbare und von den Terrarianern lang ersehnte Doktorarbeiten, damit ihren Pfleglingen in Zukunft artgerechter auch im Sinne des Tierschutzes geholfen werden kann. Jammern, dass dafür kein Geld zur Verfügung steht, hilft nicht, solange niemand den Politikern, die sich für eine aktive, artgerechte Tierschutzgesetzgebung stark machen, auch klar macht, dass einer der wesentlichen Aspekte des Tierschutzes eine artgerechte veterinärmedizinische Versorgung der hier gehaltenen Spezies (Zoologische Gärten und Museen eingeschlossen) darstellt. Dass es diesen Teil eines ernst genommenen Tierschutzes nicht zum Nulltarif geben kann, wird dann schon klar werden. Und sollte sich wirklich mal jemand dieser Art von Argumenten öffentlich anschließen, anstatt nur immer über Verbote und Einschränkungen zu klagen, dann kann er sich wohl der Unterstützung der Terrarianer auch außerhalb der organisierten Verbände sicher sein.

Literatur

Innis, C. J., M. Tlusty & D. Wunn (2007): Hematologic and plasma biochemical analysis of juvenile head-started northern red-bellied cooters (Pseudemys rubriventris). – Journal of Zoo and Wildlife Medicine 38(3): 425-432 oder Abstract-Archiv.

Mathie, R. T., L. Hansen, M. F. Elliott & J. Hoare (2007): Outcomes from homeopathic prescribing in veterinary practice: a prospective, research-targeted, pilot study. – Homeopathy 96(1): 27-34 oder Abstract-Archiv.