Wilkinson, A., H. M. Chan & G. Hall (2007): Spatial learning and memory in the tortoise (Geochelone carbonaria). – Journal of Comparative Psychology 121(4): 412-418.
Räumliches Lernen und Gedächtnis bei der Landschildkröte (Geochelone carbonaria).
DOI: 10.1037/0735-7036.121.4.412 ➚
Ein Individuum der Landschildkröte Geochelone carbonaria wurde trainiert, sich auf einer achtarmigen Plattform (radial maze; Standard Testumgebung für räumliches Gedächtnis) zu bewegen, wobei der Apparat (Testplattform mit automatischer Registrierung) für die Schildkröte so gebaut worden war, dass er jenem entsprach, den man zum Studium des Lernverhaltens bei Ratten benutzt. Ebenso wurden die Testprozeduren so modifiziert, dass sie für die Schildkröte geeignet waren, aber dennoch vergleichbare Daten zu denen für Ratten lieferten. Die Schildkröte lernte als erstes sich normal und nach dem Prinzip des Zufalls auf der Plattform zu bewegen. Bei den nachgeschalteten Verhaltenstests zeigte sie dann eine deutliche Präferenz (Vorliebe) für die Arme der Plattform, auf denen sie vorher (zufällig) Futter gefunden hatte im Vergleich zu den Armen, die sie zwar auch nach dem Zufallsprinzip aufgesucht hatte, auf denen sie aber kein Futter gefunden hatte. Zudem wurden Tests durchgeführt, die überprüften, dass eine olfaktorische (geruchliche) Orientierung ausgeschlossen war (sprich dass die Arme der Plattform auf der vorher Futter war, so gut gereinigt waren, dass keine Rückstände des Futtergeruchs der Schildkröte hätten verraten können, wo vorher Futter gelegen hatte). Diese Tests ergaben, dass eine Orientierung anhand des Geruchs auszuschließen war. Es gab in den Versuchsreihen keine Anhaltspunkte für ein systematisches, stereotypes Muster. Trotz der Unterschiede, die es bei der Struktur des Schildkrötengehirns gibt, zeigte die Landschildkröte die gleichen Fähigkeiten in Bezug auf das räumliche Lernverhalten, wie wir es von Säugetieren kennen.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Wieder eine Arbeit, die – auch wenn nur für eine einzige Landschildkröte – klar zeigt, dass die Tiere nicht nur lernen können sondern auch ein ausgezeichnetes räumliches Gedächtnis haben. Wer nun meint, eine achtarmige Standardplattform sei ein zu simples System, um das zu beurteilen, dem sei gesagt, dass dieses Standardverfahren in Tierversuchen zur Überprüfung der pharmakologischen Wirkung von Medikamenten insbesondere Psychopharmaka zugelassen ist, die vielleicht sogar der eine oder andere der Leser schon verschrieben bekommen hat. Es sich also um eine international akzeptierte Testmethode handelt, die auch den Ansprüchen unserer eigenen Spezies durchaus gerecht wird. Man sollte sich also in Bezug auf die heftigen Diskussionen in früheren Forenbeiträgen einmal wirklich überlegen, worum es geht, denn es ist inzwischen klar belegt, dass Schildkröten lernen können und dass sie ein Langzeitgedächtnis haben, ob sie dies auch zu einer abstrakten Denkleistung befähigt, ist unklar, aber wie so manche Diskussionen an den Tag legen, ist „abstraktes Denken“ ja auch bei Homo sapiens zwar vorhanden, aber nicht immer gleich gut ausgeprägt. Meistens hilft es aber genau hinzuschauen, denn wenn Schildkrötenweibchen nach langem Winterschlaf sich immer noch den oft kilometerlangen Weg zum geeigneten Nistplatz merken können, muss ihr räumliches Gedächtnis und Erinnerungsvermögen gut ausgeprägt sein. Auch Schildkröten, die gezielt zu Inseln schwimmen, scheinen die Lage des Ziels im Gedächtnis zu haben (Strong & Walde (2006). Fragen Sie sich auch manchmal, wo hatte ich vorhin mein Auto geparkt? Siehe auch: Davis & Burghardt (2007).
Literatur
Davis, K. M. & G. M. Burghardt (2007): Training and long-term memory of a novel food acquisition task in a turtle (Pseudemys nelsoni). – Behavioural Processes 75(2): 225-230 oder Abstract-Archiv.
Strong, J. N. & A. D. Walde (2006): Geochelone carbonaria (Red-footed Tortoise) swimming. – Herpetological Review 37(4): 457-458 oder Abstract-Archiv.
Galerien
Chelonoidis carbonaria – Köhlerschildkröte