Rogers - 2017 - 01

Rogers, R. L. & M. Slatkin (2017): Excess of genomic defects in a woolly mammoth on Wrangel island. – PLOS Genetics 13(3): e1006601.

Zu viele genomische Fehler bei den Wollhaarmammuts von der Insel Wrangel.

DOI: 10.1371/journal.pgen.1006601 ➚

Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius) bevölkerten einst während des Pleistozäns und frühen Holozäns Sibirien, Beringia und Nordamerika. Kürzlich erfolgte Durchbrüche bei Sequenzierung alter DNS ermöglichten es das komplette Genom von zwei Mammuts zu sequenzieren (Palkopoulou et al. 2015). Eines der Mammuts stammte aus einer Festlandspopulation, das vor 45.000 Jahren lebte, als Mammuts sehr zahlreich vertreten waren. Das zweite Mammut verstarb vor 4.300 Jahren auf der Insel Wrangel, auf der eine Population mit einer effektiven Populationsgröße, die 43-mal kleiner war als die einstmalige Festlandspopulation, isoliert überlebte. Diese extreme Differenz in der effektiven Populationsgröße eröffnet die seltene Möglichkeit für ein fast neutrales Modell, um daran die Evolution der Genarchitektur innerhalb einer einzelnen Spezies zu untersuchen. Unter Verwendung dieser publizierten Mammutgensequenzen identifizierten wir Genverluste, Retrogene und nicht-funktionelle Punktmutationen. Bei dem Mammut von der Insel Wrangel fanden wir eine höhere Anzahl an Verlusten, einen größeren proportionalen Anteil an Ausfällen die ganze Gensequenzen betrafen, eine höhere Anzahl an Kandidaten für Retrogene und eine gestiegene Anzahl an verfrühten Stopcodons. Diese Akkumulation an beschädigten Mutationen ist in Übereinstimmung mit einer genomischen Einschmelzung aufgrund einer zu kleinen effektiven Populationsgröße in der abnehmenden Mammutpopulation der Insel Wrangel entstanden. Zusätzlich beobachteten wir einen hohen Verlust an Geruchsrezeptoren und Harnproteinen, entweder weil diese Loci nicht-essentiell waren oder sie wurden durch einen inselspezifischen von der Norm abweichenden Selektionsdruck gefördert. Letztendlich fanden am Locus für FOXQ1 Mutationen statt, die dazu führte, dass er funktionslos wurde, was dazu führte, dass sich ein so genannter Satinfell-Phänotyp bei diesem Mammut ausbildete.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Sicher werden Sie sich fragen, warum wir jetzt auf einer Schildkrötenplattform etwas über Mammuts zitieren. Der Grund ist der, dass uns diese Studie ein schönes Beispiel dafür liefert, wie negativ sich der Verlust an Genfluss für kleine fragmentierte Populationen auswirkt. Und zwar trotz des Einflusses einer natürlichen Selektion. Was sind die Fakten? Nun, das Festlandsmammut, das noch keine negativen Gendefekte aufwies, stammte noch aus einer Zeit als die effektive Populationsgröße etwa 12.000 Individuen umfasste, während auf der isolierten vom Festland durch Meeresspiegelanstieg abgetrennten Insel Wrangel eine Population von etwa 300 Individuen überdauern musste, wobei es sich hier immer noch um mehr Tiere handelt als die minimale Populationsgröße von mindestens 70 Exemplaren (Caballero et al. 2016). Diese ca. 300 Tiere waren etwa seit 6.000 Jahren von der Festlandspopulation abgetrennt. Letztendlich führte das dazu, dass sich im Laufe der Zeit in dieser kleinen Population diese schädlichen genetischen Veränderungen so stark anhäuften. Wenn man annimmt das Mammuts wie afrikanische Elefanten mit 25 Jahren geschlechtsreif waren, würde das bedeuten, dass sich diese schädigenden Mutationen innerhalb von 240 Generationen angesammelt hatten und erst nach weiteren 12 Generation waren sie dann endgültig ausgestorben. Den so genannten Highlights in der Zeitschrift Nature war das zumindest eine Überschrift mit dem Titel „Gene time bomb hurts mammoth“ (Eine genetische Zeitbombe zerstört Mammuts) wert. Nichtsdestotrotz verweisen die Autoren auch hier auf die Wichtigkeit des Schutzes von kleinen Populationen und zeigen auf, dass selbst der Schutz artreiner Populationen letztendlich nicht allein ausreichen mag um sie wirklich langfristig zu erhalten. Ein Problem, das ich erst kürzlich ausführlicher im Hinblick auf Schildkröten in den Vordergrund gerückt und diskutiert hatte (Bidmon 2017). Ja und letztendlich bestätigen diese Befunde auch das was von Caballero et al. (2016) für die effektiven Populationsgrößen zur Absicherung des Kurzzeitüberlebens beschrieben haben (siehe auch McAuley et al. 2016). Wir sollten uns also langsam daran gewöhnen, dass Evolutionslinienerhalt auch für Schildkröten mehr erfordern könnte als Artenschutz im Sinne von Artreinerhaltung bis zur letzten Konsequenz!

Literatur

Bidmon, H.-J. (2017): Sind phylogenetische Stammbäume nur ein Traum? – Schildkröten im Fokus 14(1): 14-27 ➚.

Caballero, A., I. Bravo & J. Wang (2017): Inbreeding load and purging: implications for the short-term survival and the conservation management of small Populations. – Heredity 118(2): 177-185 oder Abstract-Archiv.

McAliley, L. R., R. E. Willis, C. Ivanyi & L. D. III Densmore (2016): Captive breeding of the endangered San Esteban Chuckwalla, Sauromalus varius: Effects of a decade of captive breeding on maintaining genetic diversity. – The Southwestern Naturalist, 61: 279-285.