Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

Krochmal - 2018 - 01

Krochmal, A. R., T. C. Roth & H. O'Malley (2018): An empirical test of the role of learning in translocation. – Animal Conservation 21(1): 36-44.

Ein empirischer Test zur Rolle des Lernens bei Umsiedlungen.

DOI: 10.1111/acv.12357 ➚

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Umsiedlungsaktionen zentrieren sich um die Themen Ansiedlung, Wiederansiedlung oder Populationsaufstockungen wobei Individuen aus einer freilebenden Ausgangspopulation in ein Gebiet mit potentiell geeigneten Habitaten verbracht werden. Trotz etlicher Untersuchungen und der Praktizierung von Umsiedlungen sind solche Aktionen häufig von niedrigen Erfolgsraten begleitet. Während es etliche mögliche Faktoren gibt die den Umsiedlungserfolg beeinträchtigen können sind die Erfolge meist dann besser, wenn Wissenschaftler eine sogenannte “Sanfte – Umsiedlung” vornehmen, die es den jeweiligen Tieren erlaubt sich zu akklimatisieren und an die neue Umgebung anzupassen. Letzteres verweist darauf, dass Aspekte des Lernens eine wichtige Rolle für den Umsiedlungserfolg spielen. Um die Wichtigkeit des Faktors Zeit für diese Lernvorgänge bei einer Umsiedlungsaktion und deren Erfolg zu testen führten wir eine harte Umsiedlung und eine “Sanfte Umsiedlung” von Exemplaren hinein in eine bestehende Population von östlichen Zierschildkröten, Chrysemys picta durch, die in einem saisonal austrocknenden Habitat lebt und bei der die ortsansässigen Individuen hin zu neuen permanenten Gewässern abwandern. Diese Wanderungen erfolgen mit hoher Navigationspräzession (± 3.5m) wobei sie spezifische Wanderstrecken benutzen die sie erlernt haben. Umgesiedelte adulte Schildkröten die sowohl hart wie sanft Umgesiedelt worden waren schafften es nicht die Wanderrouten innerhalb von 3 Monaten (der maximalen Zeit die dafür in diesem Habitat zur Verfügung steht) zu erlernen. Vergleichsweise wanderten die umgesiedelten Schildkröten beider Gruppen sehr langsam und sie unterbrachen die Wanderungen sehr häufig, wobei sie auch wesentlich langsamer die Bewegung wieder aufnahmen im Vergleich zu den ortsansässigen adulten Individuen. Final zeigten beide Umsiedlungsgruppen einen signifikanten Abfall beim Körpergewicht und fielen in hohem Maße Beutegreifern zum Opfer. Im Gegensatz dazu konnten juvenile Schildkröten aus denselben Umsiedlungsgruppen die alternativen Ausweichgewässer erfolgreich lokalisieren wobei sie in Bezug auf die Erfolgsrate und der Mortalitätsrate keine Unterschiede zu den ortsansässigen Individuen zeigten. Diese Ergebnisse belegen das komplexe Aspekte von Kognition die über den Aspekt „Zeit“ beim Lernen hinausgehen den Umsiedlungserfolg beeinflussen können und verweisen auf einen wichtigen zu berücksichtigenden Faktor nämlich darauf wie und bis wann Tiere lernen können.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Die von diese Gruppe durchgeführten Arbeiten schätze ich sehr und obwohl es sich etwas langweilig lesen mag wenn immer Ähnliches beschrieben wird (siehe auch Roth & Krochmal, 2015; 2016), sollte allen klar werden, dass dort wo Lernvorgänge eine essentielle Rolle spielen solche Umsiedlungsmaßnahmen wohl überlegt und begleitet werden müssen oder gar als sinnlos einzustufen sind. Wie die Autoren eindrucksvoll belegen können in diesem Fall adulte Chrysemys picta nicht mehr in diesen Lebensraum umgesiedelt werden, weil sie dort aufgrund ihres Lerndefizits gegenüber den juvenilen und Ortsansässigen nicht überleben können. Zudem wird hier noch etwas deutlich, denn zum Lernen bleibt diesen Tieren nicht unbegrenzt Zeit und wer es in dieser Zeit nicht schafft der stirbt so grausam sich das auch anhören mag, aber das ist Natur. Hier gibt es keinen Mitleidsbonus für Trödler oder Unbelehrbare. Etwas worüber wir auch mal in Bezug auf unser eigenes Handeln nachdenken sollten. Ja und auch zeigt sich, dass es in Bezug auf solche Erhaltungsmaßnahmen um komplexe Prozesse geht bei denen auch zeitliche Komponenten eine Rolle spielen (siehe diesbezüglich auch die Kommentare zu Scott et al., 2018; Soares et al., 2018, Pille et al., 2018).

Literatur

Pille, F., S. Caron, X. Bonnet, S. Deleuze, D. Busson, T. Etien, F. Girard & J.-M. Ballouard (2018): Settlement pattern of tortoises translocated into the wild: a key to evaluate population reinforcement success. – Biodiversity and Conservation 27: 437-457 oder Abstract-Archiv.

Roth, T. C. II & A. R. Krochmal (2015): The Role of Age-Specific Learning and Experience for Turtles Navigating a Changing Landscape. – Current Biology 25(3): 333-337 oder Abstract-Archiv.

Roth, T. C. II & A. R. Krochmal (2016): Cognition-centered conservation as a means of advancing integrative animal behavior. – Current Opinion in Behavioral Sciences 6: 1-6 oder Abstract-Archiv.

Scott, P. A., T. C. Glenn & L. J. Rissler (2018): Formation of a recent hybrid zone offers insight to the geographic puzzle and maintenance of species boundaries in musk turtles. – Molecular Ecology 28(4): 761-771 oder Abstract-Archiv.

Soares, L. S., K. A. Bjorndal, A. B. Bolten, M. A. G. dei Marcovaldi, P. B. Luz, R. Machado, R. Lo, S. F. McDaniel, A. C. Payton, T. B. Waltzek & M. L. Wayne (2018): Effects of hybridization on sea turtle fitness. – Conservation Genetics 19: 1311-1322 oder Abstract-Archiv.

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