Balsamo, R. A., M. D. Hofmeyr, B. T. Henen & A. M. Bauer (2004): Leaf biomechanics as a potential tool to predict feeding preferences of the geometric tortoise Psammobates geometricus. – African Zoology 39(2): 175-181.
Blattbiomechanik als potentielles Werkzeug zur Vorhersage der Futterpflanzenpräferenz bei der Geometrischen Landschildkröte, Psammobates geometricus
DOI: 10.1080/15627020.2004.11657214 ➚
Es wurden die Charakteristika von Futterpflanzen und Pflanzen, die gemieden werden (Nicht-Futterpflanzen), für die Geometrische Landschildkröte, Psammobates geometricus untersucht, um die Hypothese zu testen, die besagt, dass Nahrungspräferenzen bei Landschildkröten durch die biomechanischen Eigenschaften der Pflanzenblätter mit bestimmt werden. Zwölf zufällige Beobachtungen zur Futteraufnahme, die zwischen dem 8. Oktober und 31. Oktober 2002 gemacht wurden, wurden durch Literaturangaben zu Futterpflanzen ergänzt, um eine Liste der Futtergräser und Futterkräuter sowie der gemiedenen Pflanzen im Renosterfeld-Habitat zu erstellen. Die „Nichtbeißbarkeit“ (Blatthärte) sowie die „Blattzähigkeit“ (Reißfestigkeit) der Blätter der verschiedenen Pflanzenarten wurde dann vor Ort im Feld sowohl für die Futterpflanzen als auch für die Nicht-Futterpflanzen, die den Schildkröten im Lebensraum relative häufig zur Verfügung standen, gemessen. Blätter von Futterkräutern und Sukkulenten waren fleischig und wenig hart und hatten eine geringe Reißfestigkeit. Die Blätter von Futtergräsern hatten eine signifikant größere Härte (Beißfestigkeit) und Reißfestigkeit im Vergleich zu Kräutern. Für die Nicht-Futterpflanzen ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Beißfestigkeit bei Kräutern und Gräsern, aber auch hier war die Reißfestigkeit signifikant höher in den Gräsern. Nicht-Futtergräser und Kräuter hatten durchschnittlich größere Messwerte für die Beißfestigkeit und Reißfestigkeit im Vergleich zu den Futterpflanzen. Nur zwei der Nicht-Futterpflanzen wiesen biomechanische Eigenschaften auf, die sich mit denen der Futterpflanzen überschnitten, so dass sie entweder giftig sind oder fraßabschreckende Chemikalien enthalten, oder es handelt sich um invasive, erst kürzlich in das Renosterveld eingeschleppte Arten, die noch nicht zum Nahrungsspektrum gehören. Diese Befunde stützen die Hypothese, dass die biomechanischen Eigenschaften der Blätter einen wichtigen bestimmenden Faktor für die Futterpflanzenauswahl für die Geometrische Landschildkröte und wahrscheinlich auch generell für Schildkröten darstellt.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Diese Untersuchung bearbeitet einen ausgesprochen wichtigen Aspekt der Landschildkrötenernährung, der nicht nur wesentlich für das Management von Habitaten in Schutzgebieten ist, sondern der auch viele ernährungsphysiologische Fragen aufwirft, die heute bezüglich der Ernährung von Landschildkröten kontrovers diskutiert werden. Wenn nämlich die biomechanischen Eigenschaften der Pflanzen sicherlich in Abhängigkeit zur Größe (Beißkraft) der Schildkröten ihre Nutzung als Futter beeinflusst, dann heißt das, dass kleine (also auch junge Schildkröten) weichere Pflanzen (also auch zwangsläufig faser- und ballaststoffärmere Pflanzen) nutzen müssen als adulte Tiere und dass kleinwüchsige Arten ebenfalls auf harte, faserige ballastoffreicher Kost verzichten. Insofern sollte sich zumindest das Futter von Schlüpflingen zu dem der adulten Landschildkröten unterscheiden, sodass die Verdauungsphysiologie der Jungtiere vielleicht doch an eine ballaststoffärmere, vielleicht sogar proteinreichere (Keimlinge) Futterpflanzen oder Entwicklungsstadien von Futterpflanzen angepasst sind, als wir das bei unserer oft so emotional geführten Diskussion über die richtige Ernährung von Schildkröten berücksichtigen. Zumindest wurden vergleichbare Beobachtungen auch schon bei den Schlüpflingen der Gopherschildkröten gemacht. (Siehe dazu Mushinsky et al. (2003)). Für die Schildkrötenaufzucht stellt sich hier bezüglich der artgerechten Ernährung wirklich die Frage, ist das Kleinschneiden von „hartem“ Futter zur Nahrungsaufnahmeerleichterung wirklich sinnvoll? Denn das heißt ja nicht, dass sich damit auch die ernährungsphysiologische Qualität des gereichten Futters verbessert. oder wäre es doch ernährungsphysiologisch sinnvoller, weichere, ballaststoffärmere Nahrung zu verfüttern, die unzerkleinert aus eigener Kraft und Entscheidung heraus von den Schlüpflingen gewählt wird. Ich würde mir wünschen, dass sich diesbezüglich. mal ein paar Fachleute Gedanken machen und dass die in den verschiedenen Foren manchmal fast auf beleidigende, niveaulose Art geführten Diskussionen der angeblich „Artgerechten-Ernährungsspezialisten“ mal ein zufriedenstellendes, den Tieren nützendes Ende findet.
Literatur
Mushinsky, H. R., T. A. Stilson & E. D. McCoy (2003): Diet and dietary preference of juvenile gopher tortoise (Gopherus polyphemus). – Herpetologica 59(4): 475-483 oder Abstract-Archiv.