Mary-River-Schildkröte, Elusor macrurus, – © Marilyn Connell

Micheli-Campbell - 2012 - 01

Micheli-Campbell, M. A., M. A. Gordos, H. A. Campbell, D. T. Booth & C. E. Franklin (2012): The influence of daily temperature fluctuations during incubation upon the phenotype of a freshwater turtle. – Journal of Zoology 288(2): 143-150.

Der Einfluss täglicher Temperaturschwankungen während der Inkubation auf den Phänotyp einer Wasserschildkröte.

DOI: 10.1111/j.1469-7998.2012.00934.x ➚

Mary-River-Schildkröte, Elusor macrurus, – © Marilyn Connell
Mary-River-Schildkröte,
Elusor macrurus,
© Marilyn Connell

Die Inkubationstemperatur beeinflusst den Phänotyp von Schildkrötenschlüpflingen. Ziel dieser Studie war es, den Einfluss der täglichen Temperaturschwankungen, denen die Eier der Wasserschildkröte Elusor macrurus (Mary-Flussschildkröte) im Freiland ausgesetzt sind, dahingehend zu untersuchen, wie sie sich auf den Phänotyp und die Vitalität der Schlüpflinge auswirken. Die Eier im Freiland unterliegen während ihrer Inkubationszeit einer durchschnittlichen Temperaturschwankung von 5,7 ºC. Allerdings kam es an einzelnen Tagen vor, dass die Temperatur nur um 2 ºC schwankte, wohingegen auch Tage mit einer Schwankung von 22 ºC auftraten. 54 Frisch abgelegte Eier wurden im Freiland gesammelt und im Labor bei konstant 28 ºC oder bei zwei fluktuierenden Temperaturen (28 ± 3 ºC und 28 ± 6 ºC) inkubiert. Die Eimasse, Inkubationszeit und die Schlupfrate (mit 89 %) waren in der Gruppe, die konstant bei 28 ºC sowie der, die bei 28 ± 3ºC inkubiert worden waren, gleich, während in der Gruppe, die bei 28 ± 6 ºC inkubiert worden war, nach einer um 10 Tage verlängerten Inkubationsdauer nur 5 % schlüpften. Zum Schlupfzeitpunkt gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Körpermasse und Carapaxlänge zwischen den Gruppen, die bei 28 ºC und 28 ± 3 ºC inkubierten, und dies blieb auch während der ersten 8 Lebenswochen so, da es während dieser Zeit weder zu signifikanten Unterschieden bei den Wachstumsraten, der Umdrehreaktion, der Laufgeschwindigkeit und der Schwimmleistung kam. Der einzige Schlüpfling aus der 28 ± 6ºC Gruppe hatte eine um 27 % geringere Körpermasse im Vergleich zu den Schlüpflingen der anderen Gruppen, und er zeigte bei allen Leistungsparametern schlechtere Werte. Die Studie belegt, dass anscheinend tägliche Temperaturschwankungen um die 6 ºC (= ± 3ºC) keine Auswirkungen auf die Schlüpflinge von E. macrurus haben, aber dass das tolerierbare Limit etwa bei einer Schwankung um 12 ºC liegt, bei der die Auswirkungen fatale Folgen haben. Solche starken thermischen Schwankungen treten zwar im geographischen Verbreitungsgebiet der Spezies derzeit noch nicht täglich auf, könnten aber anhand der derzeitigen Prognosen zum Klimawandel innerhalb des Verbreitungsgebiets durchaus Realität werden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine schöne Arbeit, die einmal für eine Art exakte Daten über die Auswirkungen täglich fluktuierender Inkubationstemperaturen liefert. Deshalb sollte uns die Studie daran erinnern, wie diejenigen, die dies ausprobieren wollen, sich dem annähern sollten, ohne gleich Schiffbruch zu erleiden. Die Studie zeigt aber auch, dass es anscheinend einen Unterschied gibt, wenn diese größeren Temperaturschwankungen täglich auftreten, denn wenn noch größere Schwankungen im Freiland nur vereinzelt an einem bis wenigen Tagen auftreten, scheinen sie nicht solch fatale Auswirkungen zu haben, wie hier bei den konstant schwankenden Laborbedingungen. Wie sich das letztendlich auf das Überleben der Art im Verlauf des Klimawandels auswirkt, weiß niemand, aber man könnte sich auch vorstellen, dass eine Anpassung der Weibchen sein könnte, dass sie sich im Freiland ganz andere Nistplätze suchen als sie es derzeit tun, oder sie wählen andere Nesttiefen, um die temperaturpuffernden Substrateigenschaften besser zu nutzen und dadurch die Eier im Nest vor Extremschwankungen zu schützen. Ebenso wäre es nicht unwahrscheinlich, dass sich mit zunehmender Erwärmung die Eiablagezeiten im Jahreszyklus verschieben. Man sollte dabei nicht vergessen, dass Schildkröten solche Temperaturveränderungen in der Erdgeschichte schon häufiger und besser gemeistert haben als so manch andere Tiergruppe, die wir heute nur noch als Fossilfunde kennen. Siehe auch Neuwald & Valenzuela (2011).

Literatur

Neuwald, J. L. & N. Valenzuela (2011): The Lesser Known Challenge of Climate Change: Thermal Variance and Sex-Reversal in Vertebrates with Temperature-Dependent Sex Determination. – PLoS One 6: e18117 oder Abstract-Archiv.

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