Carolina-Dosenschildkröte, Terrapene carolina, – © Hans-Jürgen Bidmon

Marsack - 2009 - 01

Marsack, K. & B. J. Swanson (2009): A Genetic Analysis of the Impact of Generation Time and Road-Based Habitat Fragmentation on Eastern Box Turtles (Terrapene c. carolina). – Copeia 2009(4): 647-652.

Eine genetische Analyse des Einflusses der Generationszeit und der durch den Straßenbau verursachten Fragmentierung bei Carolina-Dosenschildkröten (Terrapene c. carolina).

DOI: 10.1643/CE-08-233 ➚

Carolina-Dosenschildkröte, Terrapene carolina, – © Hans-Jürgen Bidmon
Carolina-Dosenschildkröte,
Terrapene carolina,
© Hans-Jürgen Bidmon

Historisch wurde die Carolina-Dosenschildkröte (Terrapene c. carolina) in 31 Counties (Landkreisen) in der Unteren Michigan Halbinsel gefunden, allerdings ist sie während der letzten 10 Jahre in 13 Counties ausgerottet worden. Eine Ursache für die Rückgänge ist die durch Straßen bedingte Habitatfragmentierung und die damit verbundenen demographischen und genetischen Konsequenzen. Eine akkurate Erfassung der Populationsstruktur ist notwendig, um Erhaltungseinheiten festzulegen, damit sich Terrapene c. carolina erholen kann. Wir genotypisierten 163 Schildkröten mit acht Mikrosatellitenloci aus drei Standorten im südwestlichen Michigan, wobei wir 360 km2 abdeckten. Innerhalb dieses Systems fanden wir ein hohes Niveau für die genetische Variabilität (H=0,83; A=16) und niedrige Niveaus für die genetische Differenzierung (F-ST = 0,006). Die drei Untersuchungsareale beherbergen eine einzige Population, und es gab nur eine niedrige Rate (11 %) von Falschzuordnung über die Lokalitäten gesehen. Für einen genetischen Flaschenhals ergaben sich anfängliche Anhaltspunkte bei zwei der drei Lokalpopulationen und für das Gesamtsystem. Allerdings zeigten zusätzliche Analysen keine Verschiebungen in den Allelfrequenzen, und es ergaben sich in allen drei Lokalpopulationen auch keine weiteren Beweise für einen Flaschenhals. Wir schließen daraus, dass die widersprüchlichen genetischen Indizien für einen Flaschenhals trotz der geographischen Gegebenheiten auf die langen Generationszeiten von Terrapene c. carolina zurückzuführen sind. Trotzdem lässt die Studie vermuten, dass die Erhaltung genetischer Variation trotz der Populationsrückgänge Erhaltungsmanagern noch genug Flexibiltät bei der Erhaltung langlebiger Spezies bietet.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit macht auf zwei Probleme aufmerksam, zum einen die noch hohe genetische Variabilität trotz sinkender Individuenzahlen, die einem eigentlich noch eine intakte Population vorgaukelt. – Warum vorgaukelt? Weil sie eigentlich nur auf die alten adulten Schildkröten zutrifft, die ja ihre Variabilität zu einer Zeit vererbt bekamen, als die ursprüngliche Gesamtpopulation noch unfragmentiert war. Das ist ein ähnliches Problem wie es Gerlach (2009) für zu erhaltende Habitate und deren Zeitpunkt der Verschlechterung beschrieben hat (eigentlich gute Beispiele, dass man immer das Gesamtbild unter synökologischer Betrachtung erfassen und abwägen sollte). Zum anderen zeigt sie aber, dass die bei den Alttieren vorhandene genetische Variabilität Erhaltungsmanagern erlaubt, diese trotz verminderter Individuenzahl relativ lange aufrecht zu erhalten. Die Frage ist nur, was bedeutet das für das praktische Management stark fragmentierter Populationen? Nun, hier könnte man an künstliche Verbindungskorridore zwischen den Einzelpopulationen denken, sprich man legt die Straßen höher, so dass sie bestimmte Landschaftsbereiche nicht trennen sondern überbrücken. Es kann allerdings auch so weit gehen, dass man gerade bei sehr standorttreuen Arten die weit getrennten Individuen zwecks einer Verpaarung zeitweise zusammenbringt. Ich weiß, das ist etwas, was manchen Naturschützer, die ich mal etwas zynisch als „Lokalpopulationsfanatiker“ bezeichnen möchte, ein Dorn im Auge wäre. Aber wir müssen einfach lernen, dass es zwar spezifische Unterschiede für die einzelnen Arten gibt, aber dass diese genetischen Daten auch zeigen, dass manche Populationen, so weit sie auch aktuell auseinander liegen mögen, in der Vergangenheit zu nur einer Population gehörten. Die Frage ist nur wie lange sind solche Populationen schon getrennt? Und da machen wir als Menschen oft den Fehler, dass wir nur in Bezug auf unsere eigene Lebenszeiterinnerung denken, was natürlich immer den Fehler der Fehleinschätzung birgt. Denn gerade für langlebige Arten sind 40 oder 50 Jahre oft ein nur kurzer Zeitraum oder nur eine Generation, insofern nutzt die Aussage mancher, dass diese Lokalpopulationen schon so lange sie sie kennen, getrennt waren, recht wenig. In solchen Fällen kann einem die Molekulargenetik wirklich helfen Fehler zu vermeiden, genauso wie sie dies tut, wenn es darum geht, morphologisch kaum zu differenzierende Arten zu charakterisieren. Siehe auch: Hall & Steidl (2007), Gerlach (2008), Fritz et al. (2009), Loarie et al. (2009).

Literatur

Fritz, U., D. Ayaz, A. K. Hundsdoerfer, T. Kotenko, D. Guicking, M. Wink, C. V. Tok, K. Cicek & J. Buschbom (2009): Mitochondrial diversity of European pond turtles (Emys orbicularis) in Anatolia and the Ponto-Caspian Region: Multiple old refuges, hotspot of extant diversification and critically endangered endemics. – Organisms Diversity & Evolution 9(2): 100-114 oder Abstract-Archiv.

Gerlach, J. (2008): Fragmentation and demography as causes of population decline in Seychelles freshwater turtles (Genus Pelusios). – Chelonian Conservation and Biology 7(1): 78-87 oder Abstract-Archiv.

Hall, D. H. & R. J. Steidl (2007): Movements, activity, and spacing of Sonoran mud turtles (Kinosternon sonoriense) in interrupted mountain streams. – Copeia 2007(2): 403-412 oder Abstract-Archiv.

Loarie, S. R., P. B. Duffy, H. Hamilton, G. P. Asner, C. B. Field & D. D. Ackerly (2009): The velocity of climate change. – Nature 462(7276): 1052-1055 oder Abstract-Archiv.

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