Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Branson - 2016 - 01

Branson, M. A., S. Atkinson & M. F. Ramos (2016): Hormonal Profiles of Captive Galapagos Tortoises (Chelonoidis nigra). – Zoo Biology 35(3): 237-245.

Hormonprofile für in Gefangenschaft gehaltene Galapagoslandschildkröten (Chelonoidis nigra).

DOI: 10.1002/zoo.21281 ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Als Teil einer Fertilitätsanalyse wurden am Zoo von Honululu monatliche Blutproben genommen und täglich wurde das Paarungsverhalten bei Galapagosschildkröten (Chelonoidis nigra) erfasst und mit den lokalen Regenfällen und der Temperatur korreliert. Die Testosteronkonzentrationen wurden bei sechs Männchen (n=6), wovon zwei aktiv kopulierten, bestimmt. Östronsulfat und Progesteronkonzentrationen wurden bei 9 Weibchen (n=9), wovon zwei eine Nistgrube aushoben, aber nur eine Eier ablegte, bestimmt. Die Testosteronprofile waren für beide, die aktiven Männchen und die inaktiven Männchen, gleich und sie korrelierten positiv mit der Temperatur, aber nicht mit Regenfällen. Die Spitzenwerte für die Testosteronkonzentrationen lagen bei 12,0 ± 1,4 ng/ml bei den sexuell aktiven und bei 14,4 ± 2,4 ng/ml bei den sexuell inaktiven Männchen und sie traten zum Ende der Nistsaison, die von April bis Juli reicht, auf. Auch die Östronsulfatkonzentrationen waren für die nistenden (n=2) und nicht nistenden (n=7) Weibchen gleich und sie stiegen von nicht nachweisbaren Konzentrationen im September bis zu den Spitzenwerten während der Nistsaison. Die Progesteronkonzentrationen blieben niedrig und zeigten nur bei dem Weibchen, das Eier ablegte, einen Spitzenwert von 9,44 ng/ml. Die Testosteronwerte waren negativ korreliert mit dem Paarungsverhalten und die männlichen Schildkröten waren wohl in der Lage Sperma zu bilden, auch wenn nur zwei von ihnen sich aktiv paarten. Die weiblichen Schildkröten waren auch nicht überaltert, da die Östronsulfatwerte Wellen der Follikelreifung anzeigten. Die gemessenen endokrinen Parameter verhielten sich nicht synchron zu den Regenfällen und es könnte sein, dass es sich hier um eine Entkopplung der Reproduktionsaktivität vom vorherrschenden Umweltmilieu handelt, die erklären könnte warum es bei diesen Schildkröten zu einer so schlechten Fortpflanzungsrate kommt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Es handelt sich hier um eine interessante Vermutung, die davon ausgeht, dass es bei dieser außerhalb der Galapagosinseln gehaltenen Population zu so schlechten Nachzuchterfolgen kommt, weil die Reproduktionsphasen der Schildkröten nicht synchron mit den in Honululu vorherrschenden Witterungsbedingungen im Jahreszyklus übereinstimmen. Letzteres sollte sich aber durch Ultraschall oder Röntgenuntersuchungen zur Überprüfung der Eifollikelreifung bzw. Rückresorption wenn eine Ablage ausbleibt bei den Weibchen genauer Überprüfen lassen. Da Schildkrötenweibchen meist Sperma speichern, sollte also auch zu asynchronen Bedingungen eine Befruchtung gewährleistet sein, es sei denn dass Stress und andere Faktoren hier störend einwirken.
Allerdings gibt es wohl gerade für die Inseln und Atolle besiedelnden Schildkrötenpopulationen auch noch andere Faktoren die zu niedrigen Reproduktionsraten führen können. Ein Aspekt ist ein sozialer der mit der Populationsdichte, also der Menge an Individuen pro Flächeneinheit einhergehen könnte. Solche Populationen die begrenzte Lebensräume besiedeln haben meist Mechanismen entwickelt ihre Populationsdichte auf ein vertretbares das Überleben ermöglichende Niveau zu begrenzen. Meistens spielen dabei auch Stresshormone wie Glukocorticoide oder Kortikosteron eine Rolle. Bei Schildkröten, die in solch dichten Populationen auf begrenztem Lebensraum relativ aggressionsarme Verhaltensweisen ausgebildet haben, erkennt man Stress auch nicht immer gleich. Dennoch verdrängen Stresshormone auch Geschlechtshormone von ihren Rezeptoren (Tracy et al. 2006), was zur Unfruchtbarkeit beiträgt. Eigentlich handelt es sich dabei um ein positives Anpassungsverhalten an bestimmte ressourcenlimitierte Lebensräume, die zwei Dinge ermöglichen: ein friedliches Nebeneinander und eine nachhaltige, überlebenssichernde Lebensweise und Ressourcennutzung. Langlebige Lebewesen können sich das leisten, da es nur immer dann zu erneutem Nachwuchs kommt, wenn eine bestimmte Populationsdichte unterschritten wird oder wenn mehrere sehr fruchtbare oder ertragreiche Jahre die Ressourcenverfügbarkeit erhöhen. Ich denke für beide Möglichkeiten gibt es gute Anhaltspunkte wie z. B. die auf Madagaskar gemachte Beobachtung, dass es bei in menschlicher Obhut untergebrachten Strahlenschildkröten trotz gleicher natürlicher klimatischer Bedingungen und Reproduktionszyklen zu einer drastischen Absenkung der Befruchtungsrate kommt im Vergleich zu noch wild lebenden Exemplaren in den stark dezimierten natürlichen Lebensräumen (Hammer 2015). Solche Anpassungen sind gerade für inselbewohnende Spezies oft überlebenswichtig, da sie zwei Grundvoraussetzungen bieten, nämlich eine sehr schnelle Wiederbesiedlungspotenz nach Katastrophen wie schwere Überschwemmungen oder Dürrezeiten, die heftige Populationseinbußen mit sich bringen, ebenso wie eine Populationsbegrenzung und friedlicher, nachhaltiger, überlebenssichernder Ressourcennutzung. Gerade für Spezies die begrenzte Lebensräume besiedeln und die als adulte keine Fressfeinde vor Ort haben ist letzteres vielleicht sogar eine Grundvoraussetzung für den Populationserhalt. Für Galapagosriesenschildkröten liegen mir Angaben zur maximalen Populationsdichten nicht vor, aber wenn man bedenkt, dass Leuteritz et al. (2005) für natürliche vom Menschen noch nicht dezimierte Strahlenschildkrötenpopulationen mit etwas über 5.000 adulter Individuen pro km² (Trockenwald) angibt, sollte man für solche Tiere diese hormonelle Populationszuwachsbegrenzung durchaus mit in Betracht ziehen bei der Interpretation solcher Beobachtungen.

Literatur

Hammer, J. M. (2015): Reproduction as a Function of Living Conditions: The Breeding Biology of the Radiated Tortoise (Astrochelys radiata) under Natural and Captive Conditions in Southwest Madagascar. – Journal of Herpetology 49(4): 633-640 oder Abstract-Archiv.

Leuteritz, T. E. J., T. Lamb & J. C. Limberaza (2005): Distribution, status, and conservation of radiated tortoises (Geochelone radiata) in Madagascar. – Biological Conservation 124(4): 451-461 oder Abstract-Archiv..

Tracy, C. R., K. E. Nussear, T. C. Esque, K. Dean-Bradley, C. R. Tracy, L. A. DeFalco, K. T. Castle, L. C. Zimmerman, R. E. Espinoza & A. M. Barber (2006): The importance of physiological ecology in conservation biology. – Integrative and Comparative Biology 46(6): 1191-1205 oder Abstract-Archiv.

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