Chinesische Streifenschildkröte, Mauremys sinensis, – © Hans-Jürgen Bidmon

Warwick - 2017 - 01

Warwick, C., A. Pliny,  M. Jessop, E. Nicholas, P. Arena & A. Lambiris (2017): Future of keeping pet reptiles and amphibians: animal welfare and public health perspective. – Veterinary Record 181(17): 454-455.

Die Zukunft der Haltung von Reptilien und Amphibien als Haustiere.

Teil 1/2

DOI: 10.1136/vr.j4640

Chinesische Streifenschildkröte, Mauremys sinensis, – © Hans-Jürgen Bidmon
Chinesische Streifenschildkröte,
Mauremys sinensis,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Dieser Perspektivenartikel wurde als kritische Antwort und als Diskussionsbeitrag in Bezug auf die Arbeit von Pasmans et al., (2017) verfasst und verweist durchaus auf einige Aspekte, die der Öffentlichkeit in dieser Form oft vorenthalten werden oder die von den herpetologischen Verbänden, welche die Exotenhaltung befürworten, kaum in der Form angesprochen werden (siehe Kommentar zu Calame et al., 2013). Die Arbeit hat kein Abstract, deshalb werde ich einige der vorgebrachten Argumente auflisten und kommentieren. Man muss zwar als Befürworter der Reptilien- und Amphibienhaltung nicht unbedingt ständig Missstände in den Vordergrund rücken – denn das tun andere Interessensvertretungen auch nicht – aber man sollte sich dennoch davor hüten offensichtliche Fakten auszublenden. Dies kann nämlich leicht dazu führen, dass einem einseitige Berichterstattung und Lobbyismus vorgeworfen werden. Und das führt unweigerlich zu einem Verlust Glaubwürdigkeit! Die Autoren bezeichnen hier die Darstellungen von Pasmans et al., (2017) als nicht nachhaltig, da nach internen Darstellungen der Tierhandelsindustrie 70 % der Exoten (einschließlich der Reptilien) innerhalb des Handels versterben und dass die Branche diese Quote sogar als ihren „Internen-Standard“ bezeichnet. Letzteres könnte zutreffen, da der Handel solche Angaben bei der Preiskalkulation für den Endverbraucher unweigerlich berücksichtigen muss, wenn er daran noch verdienen will. Im Gegensatz zu den Darstellungen von Pasmans et al. (2017) seien solche Ausfallsraten nicht selten; Untersuchungen bei 15 europäischen Großhändlern ergaben, dass bei 11 Großhändlern sogar strafrechtlich zu ahndende Missstände in Bezug auf die Tierhaltung und Unterbringung zu beanstanden waren. Weitere Untersuchungen hätten gezeigt, dass es innerhalb des Transports / Handels zu schwerwiegenden Problemen in Bezug auf das Tierwohl kommt. Zudem führen die Autoren hier zumindest eine Studie an, die zwar für Hunde eine hohe und lange Überlebensrate in menschlicher Obhut zeigt, die aber auch darlegt, dass 75 % der Reptilien während ihres ersten Jahres in der Heimtierhaltung versterben. Solche Argumente kann ich zwar selbst nicht wirklich überprüfen, aber zumindest was den Handel anbelangt, habe ich erst vor 14 Tagen in einer großen Düsseldorfer Zoohandlung im Verkaufsbecken 2 tote Schlüpflinge von Mauremys reevesi gesehen und einige ziemlich schlecht aussehende Mauremys sinensis beobachten können, wobei letztere auch gar nicht als solche ausgezeichnet waren. In dem Becken sollten laut Auszeichnung nur Chinesische Dreikielschildkröten und Florida-Rotbauchschildkröten sowie australische Rotbauch-Spitzkopfschildkröten sein. Insofern gehe ich durchaus mal davon aus, dass zumindest innerhalb des Handels oder bei großen Handelsketten solche Ausfälle vorkommen. Ich denke auch, dass die Preise die für solche Tiere gefordert werden diese Ausfälle mit einkalkulieren, sonst könnten sie wohl auch niedriger sein. Man kann sich vor einem solchen Hintergrund auch leicht vorstellen, dass beim Endverbraucher, sprich Käufer, entsprechende Ausfälle während des 1. Jahres auftreten, wenn Tiere aus solchen Becken an uninformierte Spontankäufer abgegeben werden. Keiner der beiden Verkäufer konnte genaue Auskünfte geben. Das Tier, für welches ich mich interessierte, stand nicht auf der Liste und war wohl nur zufällig mit dabei, denn diese Art ist sonst nicht im Handel zu finden. Eigentlich sollten ja die Umsatzzahlen durchaus Auskunft geben, denn gerade bei langlebigen Spezies wie Schildkröten sollte der Markt eigentlich sehr schnell gesättigt sein, wenn die Mehrzahl der Individuen tatsächlich bei jedem Käufer/in bis zur normalen Altersgrenze überleben würden (siehe z. B. Kommentar zu Türkozan et al., 2008). Des Weiteren listen die Autoren hier eine Arbeit, die für in Gefangenschaft gehaltene Reptilien 30 Anzeichen von Haltungsstress aufführt und argumentiert, dass Nachhaltigkeit kaum belegt ist. Nun muss ich hier anmerken, dass ich mir zwar gut vorstellen kann, dass es innerhalb der Transportwege zu solchen Stressphänomenen kommt, dass aber bei den meisten seriösen Haltern solche Phänomene kaum zu beobachten sind und sich viele Arten sehr gut einleben können. Und man muss natürlich auch sehen, dass hier die herpetologischen Verbände wirklich gute Weiterbildungsarbeit insbesondere während der letzten 20 Jahre geleistet haben. Dass dies nicht immer greift, sollte auch klar sein. Sicherlich gibt es, wie überall, immer mal Ausnahmen. Allerdings möchte ich hier deutlich klarstellen, dass ich noch nie bei einer privaten Reptilien- und Amphibienhaltung Zustände erlebt habe wie man sie bei der konventionellen Geflügelmast und in Legebatterien fast alltäglich als Normalzustand zu akzeptieren scheint!!! Nur weil Geflügelzucht die Geflügelmast „nachhaltig“ macht? Wenn das ein wesentliches Argument ist, dann hat meiner Meinung nach auch die private Reptilien- und Amphibienhaltung ein erstklassiges Argument der Befürwortung auf der Hand: Wenn sie nämlich wirklich dafür sorgt den Markt nur mit Nachzuchten zu bedienen, sodass alle die gegen eine Nachhaltigkeit sprechenden Argumente wegfallen, da auf Importe verzichtet wird!!! Die Autoren dieser Arbeiten gehen dann auch noch kritisch auf den Punkt der „öffentlichen Gesundheit“ ein und heben hervor, dass sich die von Pasmans et al. (2017) erwähnten 5-6 % an RAS-Fällen (reptilienassoziierte Salmonelleninfektionen) in den USA auf 74.000 Individuen pro Jahr und auf 6.000 Fälle pro Jahr in England beziehen. Aber ich denke so hoch sich diese Zahlen sich auch anhören mögen, hier können Weiterbildung und vor allem entsprechende Hygienevorgaben Abhilfe schaffen (siehe Daly et al., 2017). Niemand verbietet Autofahren nur weil es dabei zu tödlichen Unfällen kommt, sondern es gibt gesetzliche Vorgaben, die dazu beitragen die Zahl der tödlichen Unfälle drastisch zu senken wie z. B. die Gurtpflicht oder ein Handyverbot während der Fahrt.

 

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