Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon

Mueller-Paul - 2014 - 01

Mueller-Paul, J., A. Wilkinson, U. Aust, M. Steurer, G. Hall & L. Huber (2014): Touchscreen performance and knowledge transfer in the red-footed tortoise (Chelonoidis carbonaria). – Behavioural Processes 106: 187-192.

Benutzung eines Berührungsbildschirms und Wissenstransfer bei Köhlerschildkröten (Chelonoidis carbonaria).

DOI: 10.1016/j.beproc.2014.06.003 ➚

Köhlerschildkröte, Chelonoidis carbonaria, – © Hans-Jürgen Bidmon
Köhlerschildkröte,
Chelonoidis carbonaria,
© Hans-Jürgen Bidmon

In der jüngsten Vergangenheit zeigte sich, dass Köhlerschildkröten eine Reihe räumlicher Intelligenztests meistern, in denen es darauf ankommt, dass sie sich im Raum adäquat und zielstrebig bewegen (z. B. einer achtarmigen Plattform, radial maze). Die hier vorgestellte Studie untersuchte die Fähigkeit der Schildkröten, einen räumlichen Anordnungskontext zu lernen, wobei die korrekte räumliche Zuordnung durch Berührung der auf einem Bildschirm präsentierten Symbole erfolgte. Wir untersuchten zudem die Beziehung zwischen diesem Bildschirmtest und dem richtigen Verhalten in einem anderen räumlichen Test (Einer Testarena, in der die Schildkröte ihren ganzen Körper in die entsprechende Position bewegen musste). Vier Köhlerschildkröten erlernten die Bedienung der „Touchscreen-Apparatur“, allerdings erlernten nur zwei davon auch den dazugehörigen richtigen räumlichen Unterscheidungstest. Die an dem Bildschirm erlernte Seitenpräferenz (für die korrekte räumliche Zuordnung) behielten sie in der Testarena, wo sie sich mit dem ganzen Körper in die richtige Richtung bewegen mussten bei. Wenn man sie allerdings in der Arena umtrainierte, erlernten die Schildkröten zwar die Seitenumkehr, wenn sie allerdings im Anschluss daran am Bildschirm getestet wurden, übertrugen sie die physisch erlernte Testumkehr nicht auf den Bildschirm, sondern verhielten sich am Bildschirm wieder so wie sie es ursprünglich am Bildschirm als richtig gelernt hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass Köhlerschildkröten die Bedienung eines Berührungsbildschirms erlernen können, und dass sie zudem an ihm einen räumlichen Unterscheidungstest mit zwei Auswahlmöglichkeiten erlernen. Es gab Anzeichen dafür, dass sie das am Bildschirm erlernte räumliche Unterscheidungsmuster auf eine physisch zu benutzende Arena übertragen können, allerdings mit zunehmendem Training in der Arena entwickelten sie unabhängige Auswahlmuster, die sie je nach Testkontext anwendeten.

Florida-Rotbauch-Schmuckschildkröte, Pseudemys nelsoni, – © Hans-Jürgen Bidmon
Florida-Rotbauch-Schmuckschildkröte,
Pseudemys nelsoni,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Es ist schon eine Erkenntnis wert festzustellen, dass Schildkröten die Bedienung eines Touchscreens erlernen können – selbst wenn es sich dabei lediglich um einen einfachen Auswahltest mit zwei Möglichkeiten handelt. Warum ich das hier so betone, sollte klar werden, wenn Sie sich vor Augen führen, wie viele Personen Sie vielleicht schon am Fahrkartenschalter in der Bahnhofsvorhalle angetroffen haben, die hilflos damit beschäftigt waren, sich eine Fahrkarte zu ziehen. Es gehört schon eine gewisse Leistung dazu, die selbst manchen Mitbürgern schwerfällt und Überwindung und Einfühlungsvermögen abverlangt. Ebenso spricht es für sich, bzw. die Schildkröten, wenn sie einen am Bildschirm erlernten Auswahltest auf eine reale Testarena, sprich Fläche übertragen können. Letzteres würde ja in etwa dem gleichkommen, was unser einer leisten muss, wenn er beispielsweise einen auf dem Bildschirm erlernten Weg, z.B. die Karte des Routenplaners auf die Realität übertragen muss, nämlich den Weg auch in Realität richtig zu gehen (auch das fällt manchem nicht immer leicht). Zugegeben, die Schildkröten brauchten sich keinen Plan einzuprägen, sondern lediglich die Symbole zur Orientierung – aber immerhin! Auch sollte man es nicht unbedingt als Manko auffassen, dass sie eine in der realen Arena gelernte Aufgabe nicht auf den Bildschirm übertragen können. Ich glaube zwar auch nicht, dass sie soweit abstrahieren können, dass sie diese Aufgabe so meistern würden wie wir, aber der hier durchgeführte Test zeigt eigentlich nur, wie es die Autoren auch richtig in ihrer Diskussion interpretieren, dass sie dahingehend ein Langzeitgedächtnis haben, das ihnen ermöglicht, zwischen einer Arena und einem Bildschirm zu unterscheiden. Denn nach zwei Monaten Arena verhielten sie sich vor dem Bildschirm wieder so, wie sie es ursprünglich am Bildschirm gelernt hatten. Hier muss man eben sehen, dass es sich in diesem Fall anders verhält als beim Umsetzen in die Testarena, wo sie ja nur mit dem ursprünglich am Bildschirm erlernten Vorwissen die Testreihe beginnen konnten, während sie im umgekehrten Fall ja eine Entscheidungsmöglichkeit mehr hatten, nämlich sich so zu verhalten, wie beim zuletzt gelernten Test in der Arena oder wieder so, wie als richtig am Bildschirm erlernt. Siehe auch Kommentar zu: Davis & Burghardt (2007).

Literatur

Davis, K. M. & G. M. Burghardt (2007): Training and long-term memory of a novel food acquisition task in a turtle (Pseudemys nelsoni). – Behavioural Processes 75(2): 225-230 oder Abstract-Archiv.

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