Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer

Hazard - 2009 - 01

Hazard, L. C., D. R. Shemanski & K. A. Nagy (2009): Nutritional Quality of Natural Foods of juvenile Desert Tortoises (Gopherus agassizii): Energy, Nitrogen, and Fiber Digestibility. – Journal of Herpetology 43(1): 38-48.

Ernährungsqualität und natürliche Nahrung juveniler Kalifornischer Wüstenschildkröten (Gopherus agassizii): Energie, Stickstoff und Faserverdauung

DOI: 10.1670/07-160R1.1 ➚

Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer
Kalifornische Gopherschildkröte,
Gopherus agassizii,
© H. Bradley Shaffer

Wildlebende Kalifornische Wüstenschildkröten, Gopherus agassizii, fressen heute mehr verschiedene Futterpflanzen als noch vor einigen Dekaden, denn exotische (fremde) Pflanzenarten sind während der letzten Jahrzehnte in die Mojavewüste eingewandert. Bedenken bezüglich der Nahrungsqualität dieser exotischen Futterpflanzen im Vergleich zu den nativen Pflanzenarten veranlassten uns, Fütterungsexperimente mit noch wachsenden jungen Wüstenschildkröten durchzuführen. Wir bestimmten die Verdaubarkeit in Bezug zum Trockengewicht, die Energie, den Fasergehalt und den Stickstoffgehalt für vier Futterpflanzen: Achnatherum hymenoides (ein natives Gras), Schismus barbatus (ein eingewandertes Gras), Malacothrix glabrata (ein natives Kraut), und Erodium cicutarium (ein eingewandertes Kraut). Der größte Unterschied in Bezug auf die Ernährung zwischen den Futtersorten ergab sich zwischen frischen Kräutern und trockeneren Gräsern anstatt zwischen nativen und exotischen Arten. Die zwei Grasnahrungen enthielten einen höheren Faseranteil, und sie enthielten beide eine geringere Menge an verdaubarer Energie im Vergleich zu den beiden Kräuterdiäten. Die Gräser enthielten wenig Protein, und die Schildkröten verloren im aktuellen Fütterungsexperiment an Masse und an Körperstickstoff, wenn sie Gras fressen mussten. Das eingewanderte Kraut enthielt mehr Energie und Stickstoff pro Mengeneinheit Trockengewicht als das native Kraut, allerdings könnte das auch daran liegen, dass sie sich in unterschiedlichen phänologischen Entwicklungsstadien befunden haben, so dass sie auch unterschiedliche Fasergehalte aufwiesen, als sie für die Experimente gesammelt wurden. Die juvenilen Landschildkröten nahmen sehr schnell an Gewicht zu, wenn sie mit den Kräutern gefüttert wurden, wobei es auch keine Anzeichen dafür gab, dass sie diese anders oder weniger gut als adulte Schildkröten verdauen konnten, obwohl sie noch kleiner und nicht geschlechtsreif waren. Die Abschätzung des Stickstoffbedarfs im Vergleich zur jährlichen Stickstoffaufnahme mit diesen Diäten lässt vermuten, dass das Wachstum der Jungschildkröten durch den Stickstoffgehalt der Nahrung limitiert wird.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Wieder einmal eine durchaus schöne Arbeit, die uns eigentlich zeigt, was junge wachsende Schildkröten wirklich brauchen, um nicht in eine Mangelsituation zu geraten. Liest man sich den Ergebnisteil der Arbeit durch, gab es in Bezug auf die Energie kaum nennenswerte Unterschiede zwischen den vier Pflanzenarten, lediglich in den Gräsern lag die Energie zum größten Teil in einer nicht verdaubaren Form vor. Schön, da können sich sicher alle auf die Schulter klopfen, die schon immer Gras als ballaststoffreich bezeichneten. Aber man sollte auch erkennen, dass alle Jungschildkröten, die Gras fressen mussten, an Gewicht und an Panzervolumen verloren und zwar signifikant. Zumindest diese zuletzt genannte Beobachtung lässt einen doch irgendwie unweigerlich an die Arbeit von Loehr et al. (2007), denken. Insofern sollte man sich schon einmal die Zusammenhänge klarmachen. Denn wenn junge Schildkröten auf ballaststoffreicher Grasdiät Protein in Form von Stickstoff verlieren (siehe dazu auch Bidmon (2009)), dann haben sie zumindest dann ein Problem, wenn sie unter Stress geraten oder mit Infektionen zu kämpfen haben. Denn eine Aktivierung sowohl des unspezifischen angeborenen wie auch des adaptiven Immunsystems kann nur funktionieren, wenn ausreichend Protein zur Verfügung steht, da ja jeder Antikörper und jede neu zu bildende Abwehrzelle aus Aminosäuresequenzen und somit aus Protein besteht. Insofern sollten all jene, die einen immer um Rat fragen, weil sie wieder Probleme mit der Gesunderhaltung ihrer Schlüpflinge haben, einmal über diese Zusammenhänge nachdenken. Wohlgemerkt es geht hier nicht darum, dass Sie Ihren Tieren eine Fettleber anfüttern sollen, aber sie sollten neben der Hygiene bei der Aufzucht mehrerer Schlüpflinge auch die optimale Ernährung im Auge behalten, denn für neugeborene Wirbeltiere ist der Aufbau des Immunsystems mit eine der wichtigsten Aufgaben, die sie in ihrer Kindheit meistern müssen, und das geht nun mal nicht ohne Protein. Dass Schildkröten, die an Ruhephasen wie Hibernation und Aestivation angepasst sind, in Gefangenschaft vielleicht nur schneller wachsen, weil wir ihnen diese Ruhephasen nicht gönnen, ist ein ganz anderes Problem, das wir sicherlich nicht dadurch beheben können, dass wir sie anstatt ruhen zu lassen auf „Diät“ setzen. Denn das macht die Natur auch nicht, und daran sollten sich jene auch einmal erinnern, die für naturnahe Aufzucht plädieren. Siehe auch Kommentare zu Ritz et al. 2009; Russell & Balazs (2009).

Literatur

Bidmon, H.-J. (2009): Ernährungsgrundlagen und Darmpassagezeiten bei herbivoren Landschildkröten – oder wie selektierende Nahrungsgeneralisten auch unter extremen Bedingungen überleben: Eine Übersicht. – Schildkröten im Fokus 6(1): 3-26 ➚.

Loehr, V. J., M. D. Hofmeyr & B. T. Henen (2007): Growing and shrinking in the smallest tortoise, Homopus signatus signatus: the importance of rain. – Oecologia 153(2): 479-488 oder Abstract-Archiv.

Ritz, J., C. Hammer & M. Clauss (2009): Body size development of captive and free-ranging leopard tortoises (Geochelone pardalis). – Zoo Biology 29(4): 517-525 oder Abstract-Archiv.

Russell, D. F. & G. H. Balazs (2009): Dietary Shifts by Green Turtles (Chelonia mydas) in the Kane'ohe Bay Region of the Hawaiian Islands: A 28-Year Study. – Pacific Science 63(2): 181-192 und Abstract-Archiv.

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