Mediterrane unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, – © Dimitris Margaritoulis, Archelon

Hays - 2010 - 01

Hays, G. C., S. Fossette, K.A: Katselidis, G. Schofield & M. B. Gravenor (2010): Breeding Periodicity for Male Sea Turtles, Operational Sex Ratios, and Implications in the Face of Climate Change. – Conservation Biology 24(6): 1636-1643.

Die Paarungsperiodizität von männlichen Meeresschildkröten: Operationale Geschlechterverhältnisse und Auswirkungen im Hinblick auf den Klimawandel.

DOI: 10.1111/j.1523-1739.2010.01531.x ➚

Unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Unechte Karettschildkröte,
Caretta caretta,
© Hans-Jürgen Bidmon

Spezies, die eine temperaturabhängige Geschlechtsbestimmung (TSD) zeigen, produzieren oft hochgradig verschobene Geschlechterverhältnisse bei den Nachkommen, die im Gegensatz zu den theoretischen Vorhersagen stehen. Dieses ökologische Enigma rief Gedanken auf den Plan, die dahin gehen, dass der Klimawandel dazu führen könnte, ganze Generationen mit nur einem Geschlecht zu erzeugen, was zur Auslöschung der Populationen führen könnte. Alle Arten von Meeresschildkröten zeigen TSD und viele gelten bereits als bedroht, wobei etliche auch heute schon verschobene Geschlechterverhältnisse produzieren, wobei das bei wärmeren Temperaturen entstehende Geschlecht (Weibchen) bevorzugt ist. Wir überwachten männliche Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) von Zakynthos, Griechenland, während des gesamten Zeitraums zwischen erfolgreichen Nistsaisons und identifizierten Individuen in ihren Paarungszonen anhand der Fotoidentifizierung, um deren Reproduktionsperioden und das operationale Geschlechterverhältnis zu bestimmen. Männchen besuchten ihre Paarungszonen zweimal häufiger als Weibchen. Wir errechneten, dass ein Geschlechterverhältnis von Weibchen zu Männchen von 70:30 für diese Nistkolonie einem operationalen Geschlechterverhältnis (OSR) (z.B. Verhältnis Gesamtzahl der Männchen versus Weibchen, die pro Jahr nisten) von 50:50 Weichen/Männchen entspricht. Wir folgten drei männlichen Schildkröten für 10-12 Monate, während sie zu den Paarungsgründen wanderten. Die Schwimmbeinmarkierung wurde benutzt, um die zum Paarungsgrund zurückkehrenden Weibchen nach 1,2,3 und 4 Jahren zu erfassen, wobei die Werte bei 0.21, 0.38, 0.29, und 0.12 lagen, was einem mittleren Intervall von 2-3 Jahren entspricht. Neun weitere Männchen wurden für kürzere Intervalle überwacht, um ihre Abwanderung aus den Paarungsgründen zu erfassen. Diese Abwanderungsdaten wurden mit Fotoidentifikationsdaten von 165 Individuen kombiniert, die in einem Wassertranssekt zu Beginn der Brutsaison erfasst wurden, um daraus ein statistisches Modell für die Populationsdynamik zu entwickeln. Dieses Modell lieferte Abschätzungen, die zeigten, dass Männchen die Paarungszonen 2,6 mal häufiger aufsuchen als Weibchen (95 % CI 2.1, 3.1), was in Übereinstimmung zu den Daten aus der Satellitenüberwachung und den Erfassungen anhand der Schwimmbeinmarkierung stand. Somit scheint eine erhöhte Paarungsfrequenz der Männchen dazu beizutragen, dass hier zu mehr Weibchen verschobene Geschlechterverhältnis auszugleichen. In Kombination mit der Fähigkeit der Männchen, die Eier mehrerer Weibchen zu befruchten, und der Fähigkeit der Weibchen Sperma zu speichern, um mehrere Gelege zu befruchten, zeigen unsere Ergebnisse, dass die prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels die Überlebenswahrscheinlichkeit von Meeresschildkrötenpopulationen akut wesentlich weniger beeinflussen dürfte, als früher angenommen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Auch diese Arbeit zeigt uns wieder, dass sich Theorie und Praxis deutlich voneinander unterscheiden. Man sollte sich also durchaus die Mühe machen, erst einmal genau hinzuschauen, ehe man wilde Prognosen in die Welt setzt. Ich für meinen Teil sehe dem gelassen entgegen, denn wenn wir die Schildkröten nicht durch direktere Maßnahmen wie den Tod durch Beifang in Schleppnetzen oder durch Zerstörung und Bebauung der Niststrände dezimieren, gehe ich davon aus, dass sie schon mehr Warm- und Kaltzeiten überdauert haben als unsere eigene Spezies. Ja, und auch früher gab es schon Phasen, zu denen sich die Erwärmung bzw. Abkühlung innerhalb geologisch kurzer Zeitfenster ereignete. Wir sollten also nicht so tun, als sei der durch menschliche Aktivitäten verursachte Klimawandel die einzige Klimakatastrophe, die es auf diesem Planeten gibt, denn jeder größere Vulkanausbruch kann es jederzeit und hat in der Vergangenheit auch zu größeren Klimaveränderungen beitragen, als wir es je können werden. Insofern sollten wir zwar grundsätzlich mit unseren Ressourcen sparsam umgehen, aber wir sollten von Seiten der Politik und der Medien nicht so tun, als könnten wir durch solche Maßnahmen Klimaveränderungen verhindern. Letzteres war in der Vergangenheit auch nicht möglich, weil es immer in den entsprechenden geologischen Zeiträumen zu entsprechend großen Vulkanausbrüchen oder Meteoriteneinschlägen kommen kann und wird, allein schon weil wir auch keine Möglichkeit haben, auf die Kontinentaldrift einzuwirken, die ja meist zu jenen tektonischen Verschiebungen in der Erdkruste führt, die für solche Ausbruchsereignisse mit entscheidend sind.

Galerien