Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Edwards - 2014 - 01

Edwards, D. L., R. C. Garrick, W. Tapia & A. Caccone (2014): Cryptic structure and niche divergence within threatened Galapagos giant tortoises from southern Isabela Island. – Conservation Genetics: 15(6): 1357-1369.

Die kryptische Struktur und Nischenverschiedenheit innerhalb der gefährdeten Galapagos-Riesenschildkröten des südlichen Teils der Insel Isabela.

DOI: 10.1007/s10592-014-0622-z ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Obwohl die Galapagos-Riesenschildkröten als Ikonen sowohl für den vom Menschen verursachten Biodiversitätsverlust als auch für die Erfolge im Arterhaltungsmanagement stehen, so bleiben doch die Populationen der zwei Arten (Chelonoidis guntheri, und C. vicina) auf der Insel Isabela gefährdet. Zum einen, weil sie immer noch bejagt werden, und zum anderen, weil es hier immer noch verwilderte Haustiere gibt, die ihren Fortbestand bedrohen. Die Erhaltung dieser Schildkröten wurde zudem dadurch eingeschränkt, dass man sich über ihre taxonomische Abstammung im Unklaren war und sowohl über ihre ökologischen Unterschiede als auch über deren morphologische Verschiedenheit zu wenig bekannt war, sodass man gar nicht klar wusste, um wie viele evolutiv abgrenzbare Erhaltungseinheiten es sich überhaupt handelte. Die Analyse von 16 Mikrosatellitenloki zeigte letztendlich eine andere Gruppenzusammensetzung als die derzeit gültige Taxonomie. Es wurden nämlich drei (anstatt der heutigen zwei) genetische Cluster identifiziert. Wir zeigen, dass die drei Regionen im Süden Isabelas, in der die drei genetisch unterschiedlichen Cluster leben, sich bezüglich ihrer ökologischen Nischen signifikant unterscheiden, was nahe legt, dass diese ökologische Verschiedenheit ursächlich für das nachgewiesene Aufspaltungsmuster dieser Landschildkröten ist. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass es bislang nur zu einem geringen Genfluss zwischen den unterschiedlichen Regionen und den durch sie bewohnten genetischen Clustern kam. Wir diskutieren die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen im Hinblick auf die ökologischen Faktoren, die dieser Aufspaltung zugrunde liegen, und die sowohl zur Ausprägung unterschiedlicher genetischer Marker wie auch morphologischer Anpassungen bei diesen Schildkröten im Süden Isabelas führten. Wir argumentieren dafür, dass die Managementstrategie diese Gruppen als separate Erhaltungseinheiten zu managen sinnvoll ist, bis weitere Untersuchungen abgeschlossen sind. Allerdings plädieren wir dafür, dass die Cerro Paloma Landschildkröten aufgrund ihrer gemischten Abstammung aus dem Erhaltungsmanagementprogramm ausgeschlossen werden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit liefert wieder einmal Belege für einen durch die Umwelt bedingten Speziationsprozess bei langlebigen Schildkröten. Auch dabei ist es. wenn auch in geringem Ausmaß schon zu Hybridisierung gekommen, aber es gab eben noch keine Fusion im eigentlich Sinne (siehe Garrick et al. 2014). Insofern ein Experimentierfeld für Ökologen und Molekularbiologen, diese Phänomene zu analysieren, und wie ich hoffe, in Langzeitstudien zu verfolgen. Denn ansonsten wäre es eine sinnlose Beobachtung. Und wie ich meine, aus der Langzeitperspektive betrachtet, unsinnige Managementempfehlung. Man hat hier mal die Chance in einem natürlich begrenzten Lebensraum zu studieren, wie sich anscheinend Speziation und Fusion nebeneinander entwickeln. Letzteres könnte ja, wenn es zu einer ökologisch-morphologisch geprägten Ressourcenaufteilung und Einnischung kommt, sogar 3 Evolutionslinien entstehen lassen. Wie wir heute schon wissen, driften und verändern sich die Galapagosinseln in geologisch gerechneten Zeiträumen sehr schnell, und die Lebewesen auf ihnen müssen sich, solange sie es können, diesen Veränderungen anpassen können. Ob aber diese Langzeitüberlebensanpassung durch die vorgeschlagenen Erhaltungsmaßnahmen hochgehalten werden können, oder ob sie höher wären, wenn man durch nicht eingreifen Hybridisierungen weiter zulassen würde, bleibt unklar und lässt sich so einfach nicht vorhersagen. Welchen Sinn hätte es also solche Maßnahmen zu empfehlen, wenn man sie nicht der Wissenschaft wegen nutzen wollte?
Wir sehen doch heute schon, dass wir in Bezug auf die Systematik vor Fehlentscheidungen nicht gefeit waren, noch sind, denn gerade diese Studie zeigte ja, dass das, was uns bisher von den Taxonmen als
Chelonoidis guntheri, und C. vicina verkauft wurde, auch nicht mehr haltbar ist. Wenn also diese auf solch, na sagen wir es mal unzureichend verstandenen Daten (siehe auch Rieppel & Kearney 2007) beruhenden Entscheidungen für das Langzeitüberleben von Arten so entscheidend sein sollten, dann frage ich mich wirklich, was hat die Evolution, denn dann ohne dieses Wissen in der Vergangenheit überhaupt so weit gebracht? Fangen wir hier nicht gerade an die Natur außen vor zu lassen und nur noch Management zu betreiben (siehe Kommentar zu Hennesy 2013 und auch Hennessy 2015)?

Literatur

Garrick, R. C., E. Benavides, M. A. Russello, C. Hyseni, D. L. Edwards, J. P. Gibbs, W. Tapia, C. Ciofi & A. Caccone (2014): Lineage fusion in Galápagos giant tortoises. – Molecular Ecology 23(21): 5276-5290 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2013): Producing ‘prehistoric’ life: Conservation breeding and the remaking of wildlife genealogies. – Geoforum 49: 71-80 oder Abstract-Archiv.

Hennessy, E. (2015): The Molecular Turn in Conservation: Genetics, Pristine Nature, and the Rediscovery of an Extinct Species of Galapagos Giant Tortoise. – Annals of the Association of American Geographers 105(1): 87-104 oder Abstract-Archiv.

Rieppel, O. & M. Kearney (2007): The poverty of taxonomic characters. – Biology & Philosophy 22(1): 95-113 oder Abstract-Archiv.

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