Du, W.-G., B. Zhao, Y. Chen & R. Shine (2011): Behavioral thermoregulation by turtle embryos. – Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 108(23): 9513-9515.
Verhaltensgesteuerte Thermoregulation bei Schildkrötenembryos.
DOI: 10.1073/pnas.1102965108 ➚
Mobile wechselwarme Tiere können ihre Körpertemperatur dadurch kontrollieren, dass sie spezifische Temperaturbedingungen in ihrer Umwelt auswählen. Im Gegensatz dazu, so die Vermutung, können das Embryos, die im Ei eingeschlossen sind und denen noch die Strukturen zur Fortbewegung fehlen, sehr wahrscheinlich nicht. Dass diese Vermutung ein Irrtum ist belegen unsere experimentellen Daten, die zeigen, dass die Embryonen selbst in einem sehr frühen Entwicklungsstadium Bewegungen im Ei ausführen, die dazu dienen, kleinräumige Inhomogenitäten (Schwankungen) in Bezug auf die Temperatur auszugleichen. Somit beschränkt sich die verhaltensabhängige Temperaturregulation nicht nur auf die Lebensphase nach dem Schlupf, sondern scheint eine wichtige Taktik zur Optimaltemperaturfindung während aller Lebens- und Entwicklungsphasen zu sein.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Diese Arbeit berichtet von einem absoluten Novum und wirft ein neues Licht auf einen interessanten Aspekt während der Inkubation. Denn wenn diese Bewegungen im Ei als Folge sich verändernder Temperaturgradienten erfolgen, könnten sie eine Erklärung für bestimmte ab und an zu beobachtende Entwicklungsstörungen und Schlupfprobleme liefern, die man während der Inkubation beobachtet. Letztere sind bei hartschaligen Eiern oft mit einer Ablösung der äußeren Eihülle von der Schale assoziiert, für deren Auftreten es bislang keine schlüssige Vorstellung gab. Wenn sie aber in Abhängigkeit zu den Bewegungen des Embryos auftreten und in Abhängigkeit zur Temperatur erfolgen, könnte dafür eine Störung des Temperaturgradienten während der Inkubation verantwortlich sein, z.B. indem man ein Ei zwar nicht dreht, aber nach der Kontrolle an einen anderen Platz innerhalb des Inkubators platziert, was dazu führt, dass sich im sich entwickelnden Ei ein neuer anderer Temperaturgradient einstellt, der eine Verlagerung des Embryos verursacht, was dann in bestimmten späten Entwicklungsstadien eine Ablösung und zunehmende Austrocknung zur Folge haben kann.