Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, sitzt sonnend am Ufer – © Hans-Jürgen Bidmon

Dodd - 2006 - 01

Dodd, K. L., C. Murdock & T. Wibbels (2006): Interclutch variation in sex ratios produced at pivotal temperature in the Red-Eared Slider, a turtle with temperature-dependent sex determination. – Journal of Herpetology 40(4): 544-549.

Variationen im Geschlechterverhältnis zwischen den Gelegen bei Pivotaltemperatur bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte, einer Wasserschildkröte mit temperaturabhängiger Geschlechtsbestimmung

DOI: 10.1670/0022-1511(2006)40[544:IVISRP]2.0.CO;2 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Viele Reptilien zeigen eine temperaturabhängige Geschlechtsbestimmung (TSD), wobei die Inkubationstemperatur des Eies das Geschlecht des Embryos festlegt. Der Grund für diese Studie war zu untersuchen, ob es intraspezifische Unterschiede bezüglich der Temperatursensitivität während der TSD gibt. Zwei Aspekte der Temperatursensitivität wurden bei der Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta, untersucht: (1) die gelegespezifische Variation im Geschlechterverhältnis, die sich bei Inkubation mit Pivotaltemperatur (Scheitelpunkttemperatur bei der sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis ergeben sollte) einstellt und (2) Unterschiede im Gelegegeschlechterverhältnis, die sich während der Gesamtnistsaison ergeben (z. B. frühe Ablagesaison (Frühjahr), mittlere Saison und späte Saison). Es wurden relativ große Gelegezahlen und gelegespezifische Geschlechterverhältnisse während zwei bis drei Untersuchungsperioden (Jahren) getrennt für jede der drei Ablagephasen (früh, mittel, spät) untersucht. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Pivotaltemperatur zwischen den Gelegen signifikant verschieden liegen kann, wobei sich gelegespezifische Geschlechterverhältnisse von nur Männchen bis zu nur Weibchen einstellen, obwohl sehr nahe an der bekannten (besser vermuteten) Pivotaltemperatur inkubiert wurde. Die Ergebnisse für die saisonalen Variationen im gelegespezifischen Geschlechterverhältnis waren vieldeutiger. Die Daten für zwei der Ablageperioden ergaben keine signifikanten Variationen im Geschlechterverhältnis zwischen den Ablageperioden. Innerhalb der dritten Ablagesaison gab es auch keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das gelegespezifische Geschlechterverhältnis zwischen der frühen und mittleren Ablagesaison, aber das Geschlechterverhältnis bei Gelegen aus der späten Ablagesaison zeigte signifikante Abweichungen zu dem Geschlechterverhältnis der beiden früheren Ablagen (früh und mittel). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Ergebnisse gelegespezifische Unterschiede für die Pivotaltemperatur zeigen, allerdings zeigen die Daten für die saisonbezogenen Geschlechterverhältnisse, dass es zu keiner konsistenten Verschiebung der Geschlechterverhältnisses in Bezug auf jede Ablagesaison kommt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine interessante Arbeit, die klar zeigt, dass es gelegespezifische, vielleicht sogar von den Elterntieren vorgegebene Unterschiede für die Pivotaltemperatur gibt. Praktisch kann das bedeuten, dass in dem einen Gelege schon bei +29 ºC alle Schlüpflinge weiblich sind, wohingegen bei einem anderen Gelege bei +29,5 ºC weibliche und männliche Schlüpflinge das Nest verlassen, während in einem dritten Gelege bei +29,5 ºC nur Männchen schlüpfen. Insofern muss man wohl, wenn man sicher Weibchen brüten will, mindestens gute +2 ºC über der Pivotaltemperatur inkubieren, um die natürlich vorkommenden gelegespezifischen Schwankungen in der Pivotaltemperatur zu unterdrücken. Allerdings scheinen auch gewisse, nicht in jedem Jahr oder während jeder Ablagephase auftretende, Umweltbedingungen einen Einfluss auf die Festlegung der Pivotaltemperatur zu haben, wie die saisonbezogenen Befunde zeigen. Ob diese saisonbezogene Variation auch von den Elterntieren vorgegeben sein kann oder durch andere Parameter wie Sonnenscheindauer, Regenhäufigkeit oder gar der Jahresdurchschnittstemperatur, der die Elterntiere ausgesetzt waren oder der (Durchschnitts-) Temperatur, die während der „intrauterinen“ Eianlage oder Reifung herrschte, mit beeinflusst wird, bleibt offen. Allerdings zeigt sich an dieser Variationsbreite auch, dass es eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen gibt, so dass wir sehr wahrscheinlich keine Angst haben brauchen, dass aufgrund der globalen Erwärmung bald nur noch ein Geschlecht schlüpft, was die Populationen allerorts in Existenznot bringt. Da es solche Warm- und Kaltzeiten schon häufiger in der Erdgeschichte gab und diese gerade auch von Spezies mit TSD überstanden wurden, scheint hier doch ein gewisses Anpassungspotential vorhanden zu sein, dass man oft übersieht, wenn man sich nur an den bislang publizierten Pivotaltemperaturen orientiert oder diese gar als konstante Größen betrachtet. Belebte Materie ist komplex und lässt sich auch unter noch so abstrakten menschlichen Vorstellungen nicht auf ein paar wenige Konstanten reduzieren, wie wir dies aus der den meisten geläufigen Schulphysik kennen. Aber auch dort hat man mit der Chaostheorie erkannt, dass es „Fakten“ gibt, die weit über die Erhaltungssätze hinausgehen. Die große Frage ist nur, wie schnell ändern sich die Umweltbedingungen, denn bislang wissen wir nur, dass das was früher in etwa 11000 Jahren passierte heute in etwa 100 Jahren stattgefunden hat, eben in etwa dem Zeitraum, in dem wir es geschafft haben, einen Großteil der fossilen Energiereserven dieses Planeten zu „verheizen“. Sicher, im Laufe der Erdgeschichte verpufft auch mal ein Kohlelager, Gasdepot oder Erdöllager bei einem Vulkanausbruch in die Atmosphäre, aber dennoch, das geschieht sporadisch und zufällig während wir jedes mögliche Depot gezielt suchen und als Verbraucher auch verbrauchen (An dieser Stelle muss ich sogar mal durchaus selbst kritisch anmerken, dass auch und im besonderen die Terrarianer dazu beitragen, denn der Strom, den wir in unser Hobby stecken, kommt auch nur in den seltensten Fällen vom Sonnenkollektor). In jedem Falle hat es mehrere Millionen Jahre gedauert, diese Depots unter bestimmten Umweltbedingungen anzulegen, und man braucht kein Hellseher zu sein, um vermuten zu können, dass es wieder einiger Millionenjahre bedarf, diese Lager aufzufüllen. Kohlelager entstehen in warmen Sumpflandschaften, Erdöl und Gas unter hohem Druck im Meeresboden auf beides bewegen wir uns zu, was wohl am deutlichsten daran zu erkennen ist, dass der Meeresspiegel nun mehr stetig pro Jahr um 0,6 mm steigt.

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