Santa-Cruz-Riesenschildkröte, Chelonoidis porteri, ein senderbestückter Schlüpfling auf Santa Cruz – © Stephen Blake

Deem - 2023 - 01

Deem, S. L., S. Rivera, A. Nieto-Claudin, E. Emmel, F. Cabrera & S. Blake (2023): Temperature along an elevation gradient determines Galapagos tortoise sex ratios. – Ecology and Evolution 13(4): e100008.

Die Temperaturen entlang eines Höhengradienten bestimmt das Geschlechterverhältnis bei Galápagos-Riesenschildkröten.

DOI: 10.1002/ece3.10008 ➚

Santa-Cruz-Riesenschildkröte, Chelonoidis porteri, – © Stephen Blake
Santa-Cruz-Riesenschildkröte,
Chelonoidis porteri,
ein senderbestückter Schlüpfling
auf Santa Cruz
© Stephen Blake

Der Klimawandel bedroht endemische, ektotherme Reptilien die Inseln bewohnen und nur kleine Populationsgrößen aufweisen und zudem eine Temperatur-abhängige Geschlechtsausprägung aufweisen (TSD). Studien an in Gefangenschaft gehaltenen Galápagosschildkröten zeigen, dass sie einen TSD-Typ A besitzen, wo bei wärmeren Temperaturen Weibchen entstehen. Allerdings gibt es nur wenige publizierte Daten zu den Inkubationsbedingungen von wildlebenden Galápagosschildkröten und noch gar keine Daten zu deren Schüpflingsgeschlechterverhältnis im Freiland oder darüber wie der zukünftige Klimaeinfluss die zukünftigen Geschlechterverhältnisse beeinflussen könnte. Wir adressierten hier diese Defizite indem wir die Freilandinkubationstemperaturen quantitativ in den Nestern erfassten und wir bestimmten das Geschlechterverhältnis der jungen Schildkröten entlang eines Höhengradienten auf der Insel Santa Cruz. Wir konzentrierten uns dabei auf drei geographisch getrennte Nistplatzzonen in einer Höhe von 14m (niedrig), 57m (mittlere) und 107m (hohe) Höhenlage über dem Meeresspiegel. Es wurden dabei die Nesttemperaturen aus 54 Nestern die verteilt über alle drei Nistplatzzonen lagen alle 4 Stunden über die gesamte Inkubationszeit hinweg mit iButton-Thermosensoren aufgezeichnet. Wir verwendeten die Zölioskopie (Endoskopie) um die Geschlechtsbestimmung bei 40 Schlüpflingen aus allen drei Nistplatzzonen visuell durchzuführen. Während des mittleren Inkubationstrimesters, in der Phase in der die Geschlechtsfestlegung bei Schildkröten erfolgt, lagen die durchschnittlichen Nesttemperaturen bei 25,75 °C (SD = 1,08) in der hohen Zone und bei 27,02 °C (SD = 1,09) in der mittleren Zone sowie bei 27,09 °C (SD = 0.85) in der niedrigsten Zone. Der Anteil der juvenilen Schildkröten die männlich waren erhöhte sich von 11,1 % in der tiefen Zone und 9,5 % in der mittleren Zone auf 80 % in der am höchsten gelegenen Zone. Ein Höhenanstieg um 50 m resultierte in einer Temperaturabsenkung von mehr als >1,25 °C bei der durchschnittlichen Nesttemperatur während des zweiten Inkubationstrimesters. Über dieselbe Höhenveränderung hinweg nahm bei den Jungschildkröten der Männchenanteil um ca. 70 % zu. Die Temperaturprognosen für die Galápagosinseln sagen voraus, dass die Temperaturen über die nächsten Jahre um 1-4 °C ansteigen könnten was sehr wahrscheinlich den Anteil an weiblichen Schildkrötenschlüpflingen über den gesamten Archipel hinweg ansteigen lassen dürfte.

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galápagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun diese Arbeit hebt wieder einmal hervor wie sich auch für die Galápagos-Riesenschildkröten der Klimawandel in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse auswirken könnte. Insofern werden sie genauso betroffen sein wie viele andere TSD-Spezies auf diesen Planeten. Allerdings bleibt fraglich, ob das auch auf alle Inseln und Populationen zutrifft, denn die Schildkröten könnten zumindest auf den Inseln, die diese Möglichkeit bieten auch in noch höhere Regionen abwandern und dort nisten (siehe z. B. Blake et al., 2012; Bush et al.; 2022). Ebenso könnten sie auch von den prognostizierten Meeresspiegelanstieg profitieren der sicher mit höheren Niederschlägen und mehr Verdunstungsabkühlung die Situation zugunsten eines ausgeglicheneren Geschlechterverhältnisses für die TSD-Spezies verbessern könnte. Alle diese Fragen bleiben eigentlich noch offen, wenn man die Prognosen nur auf die Temperatur beschränkt ohne dabei auch die damit einhergehenden anderen Veränderungsmöglichkeiten mit einzubeziehen. Siehe dazu auch Aubry et al. (2021; 2022) sowie und die dortigen Anmerkungen.

Literatur

Aubry, T. J., J. I. Farquharson, C. R. Rowell, S. F. L. Watt, V. Pinel, F. Beckett, J. Fasullo, P. O. Hopcroft, D. M. Pyle, A. Schmidt & J. Staunton-Sykes (2022): Impact of climate change on volcanic processes: current understanding and future challenges. – Bulletin of Volcanology 84(58): 2-11; DOI: 10.1007/s00445-022-01562-8 ➚.

Aubry, T. J., J. Staunton-Sykes, L. R. Marshall, J. Haywood, N. L. Abraham & A. Schmidt (2021): Climate change modulates the stratospheric volcanic sulfate aerosol lifecycle and radiative forcing from tropical eruptions. – Nature Communications 12(1): 4708; DOI: 10.1038/s41467-021-24943-7 ➚.

Blake S, C. B. Yackulic, F. Cabrera, W. Tapia, J. P. Gibbs, F. Kümmeth & M. Wikelski (2012): Vegetation dynamics drive segregation by body size in Galapagos tortoises migrating across altitudinal gradients. – Journal of Animal Ecology 82(2): 310-321 oder Abstract-Archiv.

Bush, M. B., S. Conrad, A. Restrepo, D. M. Thompson, M. Lofverstrom & J. L. Conroy (2022): Human-induced ecological cascades: Extinction, restoration, and rewilding in the Galápagos highlands. – Proceedings of the National Academy of Sciences 119(24): e2203752119 oder Abstract-Archiv.

Iverson, J. B. (2022): Climate-Mediated Recruitment Failure in a Turtle Population and Its Bearing on Northern Limits of Distribution. – Chelonian Conservation and Biology 21(2): 181-186 oder Abstract-Archiv.

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