Chen, C. & K. S. Pfennig (2020): Female toads engaging in adaptive hybridization prefer high-quality heterospecifics as mates. – Science 367(6484): 1377-1379.
Weibliche Kröten entscheiden sich aktiv für die adaptive Hybridisierung mit qualitativ hochwertigen artfremden Paarungspartnern.
DOI: 10.1126/science.aaz5109 ➚
Hybridisierung — also die Verpaarung zwischen zwei unterschiedlichen Spezies — wird oft als sich zufällig ergebendes Ereignis zwischen den Angehörigen zweier Arten angesehen. Im Gegensatz zu dieser Meinung können weibliche amerikanische Schaufelfußkröten (Spea bombifrons) ihre evolutionäre Fitness dadurch aktiv steigern in dem sie sich bevorzugt mit qualitativ hochwertigen Männchen einer anderen Art nämlich der mexikanischen Schaufelfußkröte (Spea multiplicata) verpaaren. Die Paarungsrufe der männlichen mexikanischen Schaufelfußkröten lassen Vorhersagen über die Fitness der Hybridnachkommen zu und weibliche amerikanische Schaufelfußkröten bevorzugen die Männchen der mexikanischen Schaufelfußkröte anhand dieser Attribute (Rufe). Aber nur unter bestimmten ökologischen Bedingungen unter denen die Hybridisierung adaptiv ist (vorteilhaft ist in Bezug auf die Umweltsituation). Durch die die Fitness der Nachkommen steigernde Auswahl von Paarungspartnern einer anderen Spezies erhöhen diese Weibchen die Vorteile für ihre Hybridnachkommen und führen aktiv eine geschlechtsbezogene Selektion über die Artgrenze hinweg durch. Die nicht-zufällige Verpaarung zwischen Arten kann demzufolge das Potential für einen adaptiven Genfluss zwischen den Spezies fördern, so dass die Adaptive-Introgression nicht nur einfach als Ergebnis eines zufälligen Ausrutschers angeseen werden kann.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Liebe Leser*innen diese Arbeit bezieht sich nicht auf Schildkröten sondern auf Kröten (Amphibien) sie beschreibt aber meines Wissens erstmals das Hybridisierung ganz gezielt von den Weibchen einer Art dazu eingesetzt wird die Überlebenschancen und Fitness der eigenen Nachkommen zu steigern (siehe dazu den ergänzenden Kommentar von Zuk, 2020). Was haben die Forscher hier im Gegensatz zu den vielen rein molekulargenetisch nachgewiesenen Introgressionsereignissen, die auch Tieren Vorteile verschaffen können, die aber eher als Zufallsereignis angesehen werden hier beobachtet? Hier wurde beobachtet, dass die Weibchen der amerikanischen Schaufelfußkröte die Laichgewässer – meistens flache über das Jahr hinweg austrocknende Tümpel – sehr früh aufsuchen und dann wenn sie an Hand bislang noch nicht ganz verstandener Umweltsignale feststellen, dass dieses Laichgewässer wahrscheinlich noch vor der Metamorphose der Kaulquappen zur landlebenden Kröte austrocknen würde sich dazu entscheiden sich gezielt nur mit Männchen einer anderen Art nämlich der mexikanischen Schaufelfußkröte zu verpaaren. Dabei orientieren sie sich gezielt nach den Rufen der besten Männchen dieser fremden Spezies. Der Vorteil den sie dabei für ihren Nachwuchs sichern liegt darin begründet, dass sich die Kaulquappen der mexikanischen Schaufelfußkröte wesentlich schneller entwickeln und auch ihre Hybridnachkommen sich deutlich schneller entwickeln und an Land gehen können als reinerbige Kaulquappen ihrer eigenen Spezies. In den Tümpeln die groß und tief genug sind und wo keine vorzeitige Austrocknungsgefahr besteht, tun sie das nicht und verpaaren sich gezielt mit den Männchen ihrer eigenen Art. Diese Entscheidung zur Hybridisierung treffen sie jedesmal neu zum Beispiel in einem sehr trockenen Jahr indem viele der Gewässer Niedrigwasser haben paaren sie sich gezielt mit Männchen der mexikanischen Schaufelfußkröte und in feuchteren Jahren mit den Männchen ihrer eigenen Art. Dieses Vorgehen, das ja aufgrund von unterschiedlichen Umweltsignalen gewählt wird, die die Weibchen offensichtlich wahrnehmen, ist ein Anzeichen für kognitiv gesteuerte Umweltplastizität. Denn die Weibchen müssen diese Umweltsignale zur Entscheidungsfindung wahrnehmen, neuronal entsprechend verarbeiten und dann gezielt die entsprechende Handlung bzw. Auswahl treffen und realisieren (siehe dazu auch Roth et al., 2019 und den dortigen Kommentar). Der Vorteil dieser Studie gegenüber der alleinigen molekulargenetischen Feststellung, dass es zur Introgression gekommen ist, ist doch die Beobachtung, dass es hier zu einer das Überleben der Nachkommen sichernden aktiven Handlung kommt. Wenn man nur den molekulargenetischen Befund berücksicht könnte man immer noch, aber eben fälschlicherweise, von Zufallshybridisierungsergeignissen ausgehen.
Nun beobachten wir aber auch bei vielen anderen Lebewesen und insbesondere bei den Schildkröten solche Hybridisierungsereignisse die anscheinend den Tieren keine Nachteile einbringen. Ebenso beobachten wir bei Schildkröten, dass etliche Spezies auch ohne Hybridisierung nebeneinander existieren, es aber bei Gefangenschaftshaltung aber durchaus zur Hybridisierung kommen kann. Sind es also in vielen solcher Fälle auch Umweltveränderungen die dazu beitragen, das Arten so reagieren? Auch an den Rändern der Verbreitungsgebiete vieler Arten oder Populationen von Arten kommt es in diesen Randzonen zu sogenannten Hybridisierungszonen. Diese Randgebiete zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass hier der Übergang von einer “ökologischen Nische” an die die jeweilige Spezies angepasst ist in eine andere „ökologische Nische“ stattfindet an die eine andere Spezies bessser angepasst ist. Wenn in soch einer Übergangszone das Vorkommen von Hybridisierungen feststellt wird müsste man sich da nicht auch die Frage stellen, ob das eventuell eine aktive Handlung darstellt, weil die Hybridnachkommen eventuell besser in solchen Übergangshabitaten zurechtkommen als die reinerbigen Nachkommen die eher an die ökologischen Bedingungen die im Zentrum des Verbreitungsgebiet ihrer Art vorherrschen angepasst sind? Für Schildkröten gibt es dazu bislang gar keine gesicherten wissenschaftlichen Befunde und lediglich die Beobachtungen die es für einige der Galapagosschildkröten (Unterarten) gibt deuten darauf hin, dass auch hier eine Bevorzugung der Hybridisierung zur Genflusssteigerung innerhalb bestimmter durch Umweltkatastrophen zusammengewürfelter Populationen verschiedener Unterarten (oder „neutaxonomisch“ Arten) gekommen ist (Loire et al., 2013, Quinzin et al., 2019 und die dortigen Kommentare). Aber an Hand der in der obigen Arbeit erstmals gut belegten Nachweise sollte man sich davor hüten es vorschnell oder aus alter Tradition abzulehnen. Denn es stellt sich auch aus erhaltungsbiologischer Sicht die Frage unter welchen Bedingungen treten solche Ereignisse auf? Ist es menschliche Lebensraumveränderung die zu solchen Vorkommnissen führen und wenn ja treten diese zufällig auf oder gar gewollt? Zum Beispiel wenn wir trennende Barrieren durch Kanalbau abbauen und sich dadurch Arten in einem Übergangsareal mit allen ihren eventuell arteigenen Parasiten und Krankheitserregern aufeinander treffen (siehe Kommentar zu Renner, 2016; Elbers et al., 2017; Georges et al., 2018; Hedrick, 2019)? Ist es im Sinne des „Generhalts“ und der Überlebenssicherung eventuell sogar notwendig für die betroffenen Spezies den Ausweg über die Adaptive-Introgression zu suchen?
Frei nach der Erkenntnis: Das es im Leben immer so abläuft wie im „Wahren – Leben“! Haben sogar unsere Vorfahren solche Situationen durchlebt und anscheinend gemeistert (Schuster et al., 2010). Ja und wir brauchen nicht so weit in die Vergangenheit wie bis zu den Neandertalern und Denisovia-Menschen zurückgehen. Selbst in unserer Zeit durchlaufen wir solche Prozesse zwar nicht auf molekuargenetischer Ebene und echter Hybridierung sondern auf nationaler und religöser, geistiger Ebene. Religionszugehörigkeit wird wissenschaftlich auch als soziale Speziation betrachtet. Ja, und viele strenge Glaubensgemeinschaften bevorzugen eine Ehepartnerwahl mit Partnern aus der gleichen Glaubensgemeinschaft. Ehen mit andersgläubigen versucht man in Extremfällen sogar mit Mord zu verhindern. Dennoch gibt es eben in den Randgebieten des Ursprungslebensraums solcher Religionsgemeinschaften Mischehen und es kommt also, wenn sie so wollen zur geistig–religösen Introgression und Durchmischung die sogar für etliche Familien und deren Nachkommen in ihren neuen Lebensräumen Vorteile mit sich bringen.
Literatur
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