Lederschildkröte, Dermochelys coriacea, auf Grenada nistend – © Kate Charles, Ocean Spirits Inc.

Perrault - 2011 - 01

Perrault, J., J. Wyneken, L. J. Thompson, C. Johnson & D. L. Miller (2011): Why are hatching and emergence success low? Mercury and selenium concentrations in nesting leatherback sea turtles (Dermochelys coriacea) and their young in Florida. – Marine Pollution Bulletin 62(8): 1671-1682.

Warum ist der Zucht- und Schlupferfolg so niedrig? Quecksilber- und Selenkonzentrationen bei ablegenden Lederrückenschildkröten (Dermochelys coriacea) und ihrem Nachwuchs in Florida.

DOI: 10.1016/j.marpolbul.2011.06.009 ➚

Lederschildkröte, Dermochelys coriacea, – © Jeanette Wyneken
Lederschildkröte,
Dermochelys coriacea,
© Jeanette Wyneken

Lederrückenschildkröten (Dermochelys coriacea) haben im Vergleich zu anderen Meeresschildkröten eine geringe Schlupfrate und eine niedrige Anzahl an Schlüpflingen, die sich erfolgreich aus dem Nest freigraben. Die post mortem Untersuchung von Schlüpflingen zeigten Degenerationen des Herzens und beim Skelettmuskel, die sehr ähnlich zu denen waren, die man von Neugeborenen anderer Spezies kennt, deren Mütter unter einem Selenmangel litten. Ein Selenmangel geht häufig einher mit erhöhten Konzentrationen an Quecksilber im Körper. Der Grund dafür ist, dass die Leber zur Entgiftung von Quecksilber einen Komplex aus Selen-Quecksilber bildet, wobei erhöhte Selenmengen verbraucht werden. Bei Tieren, die über längere Zeiträume einer erhöhten Quecksilberbelastung unterliegen, verringert sich auch die Entgiftungsleistung der Leber und das tritt besonders bei zunehmendem Selenmangel auf. Wir untersuchten deshalb die Konzentrationen von Quecksilber und Selen bei ablegenden Weibchen von Lederrückenschildkröten und bei deren Schlüpflingen in Florida, und wir setzten diese Daten in Bezug zum Schlupferfolg und zum erfolgreichen Verlassen des Nests. Beide Werte, der Leberselengehalt und die Selen-Quecksilber-Relation korrelierten positiv mit dem Schlupferfolg und dem erfolgreichen Verlassen des Nests. Diese Studie liefert erste Beweise für die Rolle, die Quecksilber und Selen für den Schlupferfolg spielen und wie die niedrige Schlupfrate bei dieser global gefährdeten Meeresschildkrötenspezies beeinflusst wird.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Es ist offensichtlich, dass Umweltgefährdungen heute an der Tagesordnung sind und mancher mag der Meinung sein, dass es kaum verwunderlich ist, wenn auch Meeresschildkröten betroffen sind. Allerdings sollten wir dies hier als Halter auch wieder einmal zum Anlass nehmen, über die Rolle von Selen bei der Tierhaltung und Ernährung nachzudenken. Dabei geht es nicht darum, die Selenversorgung nach dem Motto „viel hilft viel“ zu praktizieren, denn die Schwelle von gesund zu toxisch liegt bei diesen essentiellen Spurenelementen sehr dicht beieinander. Wir sollten uns aber im Klaren darüber sein, dass, wie hier gezeigt, auch Nachzucht- und Schlupfprobleme direkt davon betroffen sein können, wenn ein Mangel vorliegt. Ein Selenmangel wird nicht nur durch eine Quecksilbervergiftung bedingt. Dabei sollte man auch bedenken, dass unsere Herbivoren noch schwieriger an diese Elemente herankommen als karnivore oder omnivore Meeresbewohner, so dass bei zu einseitiger Futterauswahl durchaus Mangelzustände auftreten können. Überwinternde Wasserschildkröten, die einen gewissen Sauerstoffmangel am Gewässergrund aushalten müssen, sind auf die Funktion bestimmter antioxidativ wirkender Selenoproteine sowie Selen abhänger Enzyme verstärkt angewiesen. In sofern ruft uns obige Arbeit auch hier neben den schädigenden Auswirkungen weltweit verbreiteter Umweltgifte die Bedeutung des Leberstoffwechsels in Erinnerung, wobei Letzterer ja unmittelbar durch die Ernährung beeinflusst wird und somit auch einen bedeutenden Einfluss auf die Reproduktion hat. Denn von dort stammen die Bestandteile des Dotters und mit Ausnahme des väterlichen Genoms die des gesamten Eies (siehe auch Roark et al. 2009).

Literatur

Roark, A. M., K. A. Bjorndal & A. B. Bolten (2009): Compensatory responses to food restriction in juvenile green turtles (Chelonia mydas). – Ecology 90(9): 2524-2534 oder Abstract-Archiv.

Roark, A. M., K. A. Bjorndal, A. B. Bolten & C. Leeuwenburgh (2009): Biochemical indices as correlates of recent growth in juvenile green turtles (Chelonia mydas). – Journal of Experimental Marine Biology and Ecology 376(2): 59-97 oder Abstract-Archiv.

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