Euphrat-Weichschildkröte, Rafetus euphraticus, aus der Türkei– © Yusuf Bayrakci

Bayrakci - 2021 - 01

Bayrakci, Y., D. Ayaz & L. Luiselli (2021): Determining home range, changes in habitat use with time, and the threats to an endangered freshwater turtle (Rafetus euphraticus) in Turkey. – Aquatic Conservation Marine and Freshwater Ecosystems 31(10).

Die Ermittlung der individuellen Lebensraumgröße (Home range), der Veränderungen bei der Habitatnutzung im Zeitverlauf und der Gefahren für eine bedrohte Süßwasserschildkröte (Rafetus euphraticus) in der Türkei.

DOI: 10.1002/aqc.3698 ➚

Euphrat-Weichschildkröte, Rafetus euphraticus, – © Yusuf Bayrakci
Euphrat-Weichschildkröte,
Rafetus euphraticus,
© Yusuf Bayrakci
  1. Die Euphratweichschildkröte (Rafetus euphraticus) ist die am meisten vom Aussterben bedrohte Schildkröte im Mittleren Osten, wo sie endemisch im Tigris- und Euphratbecken vorkommt. Da die Ökologie für diese Spezies nur unzureichend bekannt ist bleibt es schwierig Erhaltungsaktionspläne und Managementpläne auszuarbeiten.
  2. Um die wissenschaftlichen Erkenntnisse über R. euphraticus zu verbessern und um eine wissenschaftsbasierte Managementstrategie zu entwickeln wurde hier eine detaillierte Untersuchung durchgeführt die die Verbreitung, Habitatnutzung und Home Range für R. euphraticus innerhalb der Türkei erfasste. Die bisherigen Verbreitungsnachweise in der Türkei bezogen sich auf Beschreibungen aus den 1990iger Jahren, sodass diese Arbeit die erste ist die seit 30 Jahren wieder Feldforschungsdaten ermittelt.
  3. Es konnte ein signifikanter Geschlechtsdimorphismus bei dieser türkischen Population festgestellt werden bei der die Männchen größer als die Weibchen waren.
  4. Vier Individuen wurden mit Radiosendern ein Jahr lang überwacht. Die mittlere Home Range erwies sich als sehr variabel in Abhängigkeit zur Berechnungsmethode, wobei sich zeigte, dass die der Männchen unter allen Berechnungsszenarien erheblich größer war als jene der Weibchen.
  5. Es wurde eine quantitative Auswertung der Habitatveränderungen über die Zeit durchgeführt. Die Landfläche die von den Schildkröten potentiell im Euphratbecken genutzt werden könnte hat sich um mehr als 100% zwischen 1990 und 2018 vergrößert: 92% dieser Vergrößerung resultierten aus Seen (Staudämme) und Küstenabschnitten.
  6. Fünfzehen Dämme wurden im unteren Teil des Euphratbeckens während der letzten 30 Jahre gebaut. Aber zusätzlich wurden durch menschliche Aktivitäten die Habitate fragmentiert oder ganz zerstört.
  7. Die Faktoren welche die Gefährdung für R. euphraticus ausmachten wurden erfasst und es wurde ein Erhaltungsaktionsplan entwickelt. Einige der Ziele wie die Überwachung und Erfassung sowie die Bekanntmachung des Aktionsplans bei der Bevölkerung wurden erreicht aber alle anderen Maßnahmen warten noch auf ihre Umsetzung.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun werden sich manche Leser/innen vielleicht fragen warum eine über 100 %ige Wasserflächenzunahme sich trotzdem negativ und fragmentierend auswirkt? Letzteres liegt daran, dass die Schildkröten die großen Wasserflächen genauso wie den Hauptfluss meiden und eher in den kleineren Zuflüssen leben deren Fläche und Menge nimmt aber ab, wenn Wasser aufgestaut wird, da deren Unterläufe nun überflutet sind. Wie die Arbeit auch zeigt nutzen die Schildkröten auch neue künstlich bewässerte Flächen, wo sie wohl auch zum Teil nisten. Allerdings muss man hier davon ausgehen, dass solche Flächen landwirtschaftlich genutzt werden und den Schildkröten dort andere Gefahren drohen, wie Nestzerstörung durch Landmaschinen oder Einwirkungen von Pestiziden und Herbiziden etc. Sie sehen es ist wohl nicht immer so einfach alles zu berücksichtigen und wenn ich die Autoren richtig verstehe kann die Umsetzung eines vollwertigen Erhaltungsmanagements noch lange auf sich warten lassen. Denn von Seiten der Politik wird man wohl den wirtschaftlichen Interessen, wie so häufig den Vorrang geben und eher Verbote zur Bejagung der Schildkröten aussprechen als wirklich etwas an den Habitaten zu ändern. Letzteres sehen wir auch weltweit! Man beschränkt sich auf die Ankündigungen zur Unterschutzstellung und formuliert Gesetze zu deren Durchsetzung, aber in den wenigsten Fällen geht man dazu über Lebensräume aktiv zu restaurieren. Eher Umgekehrtes ist der Fall, wenn man sich die Arbeit von Golden Kroner et al., (2019) einmal genauer durch den Kopf gehen lässt.

Literatur

Golden Kroner, R. E., S. Qin, C. N. Cook, R. Krithivasan, S. M. Pack, O. D. Bonilla, K. A. Cort-Kansinally, B. Coutinho, M. Feng, M. I. Martínez Garcia, Y. He, C. J. Kennedy, C. Lebreton, J. C. Ledezma, T. E. Lovejoy, D. A. Luther, Y. Parmanand, C. A. Ruíz-Agudelo, E. Yerena, V. Morón Zambrano & M. B. Mascia (2019): The uncertain future of protected lands and waters. – Science 364(6443): 881-886 oder Abstract-Archiv.

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