Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Juergen-Bidmon
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Terebiznik - 2025 - 01

Terebiznik, M., J. A. Leivesley, C. B. Edge, E. G. Nancekivell, R. J. Brooks & N. Rollinson (2025): Predictable ecological dynamics over incredibly small spatial scales influence early-life phenotypes in a species with temperature-dependent sex determination. – Journal of Evolutionary Biology: voaf011.

Vorhersagbare ökologische Dynamik auf unglaublich kleinen räumlichen Skalen beeinflusst die Phänotypen im frühen Leben einer Art mit temperaturabhängiger Geschlechtsbestimmung.

DOI: 10.1093/jeb/voaf011 ➚

Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Jürgen Bidmon
Schnappschildkröte,
Chelydra serpentina,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Phänotyp-Umwelt-Assoziationen bei neugeborenen Tieren können in freier Wildbahn aufgrund der ökologischen Dynamik im Nest entstehen. Solche Dynamiken könnten von besonderer Bedeutung für die Evolution der temperaturabhängigen Geschlechtsbestimmung (TSD) sein, ein rätselhaftes Merkmal, das adaptiv sein kann, wenn die Inkubationstemperaturen, die die sexuelle Differenzierung beeinflussen, auch unterschiedliche Auswirkungen auf die Fitness der Geschlechter haben. Um kausale Effekte der Nestumgebung auf fitnessrelevante Phänotypen abzuleiten, wenden wir die Strukturgleichungsmodellierung (SEM) auf einen 14-Jahres-Datensatz von 3.085 individuellen Embryonen an, deren Position in 179 Nestern wildlebender Schnappschildkröten geschätzt werden konnte. Wir stellen fest, dass die Temperatur einen positiven Einfluss auf die Größe der Schlüpflinge hat und dass dieselben Temperaturen, die die Größe der Schlüpflinge vorhersagen, auch das Geschlecht der Schlüpflinge vorhersagen. Darüber hinaus korreliert die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Embryonen als Männchen entwickeln, mit der Größe der Schlüpflinge in freier Wildbahn, wobei in allen Umgebungen die Männchen beim Schlüpfen leicht und signifikant größer sind als die Weibchen. Unser SEM zeigt, dass die Kovarianz zwischen Größe und Geschlecht aufgrund von Temperatureffekten auf die Größe und aufgrund einer vorhersehbaren Kovarianz zwischen der Eiablage im Nest in Verbindung mit mütterlichen Effekten auf die Eigröße entsteht. Schließlich haben Embryonen, die sich tief im Nest befinden, selbst in den wärmsten Jahren eine hohe Wahrscheinlichkeit, männlich zu werden. Unsere Studie deutet darauf hin, dass die ökologische Dynamik innerhalb des Nestes eine interessante und unterschätzte Quelle für phänotypische Variationen ist. Unsere Studie stützt auch die Ansicht, dass TSD eher ein adaptives als ein neutrales Merkmal ist, da sie konsistente Assoziationen zwischen Phänotyp und Temperatur in wilden Nestern eines TSD-Reptils zeigt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich wieder einmal um eine schöne Langzeitstudie mit einer wirklich aussagekräftigen Individuenzahl. Dazu wurden die Nester, die innerhalb eines sehr großen, im Wesentlichen unbeschatteten Nistareals lagen, nach der Eiablage geöffnet, um die Eigrößen und Gewichte zu bestimmen und um Datalogger zu platzieren. Anschließend wurden die Eier wieder so wie vorgefunden im Nest platziert und abgedeckt. Dort im Freiland inkubierten die Eier bis zum Abschluss der Temperatursensitiven-Phase, wonach sie dann ins Labor überführt wurden, um den exakten Schlupf der Schlüpflinge festzuhalten um sie entsprechend zu vermessen und um das Geschlecht direkt zu bestimmen. Dabei zeigte sich, dass die männlichen Schlüpflinge im Vergleich zu den jeweiligen weiblichen Geschwistern um etwa 0,6 % größer waren. Dieser sehr geringe Größenunterschied erwies sich aber als wirklich signifikant. Wie oben zu lesen, leiten die Autoren aus den Daten ab, dass die zuerst gelegten und somit am tiefsten im Nest liegenden Eier eine gute Chance haben, sich zu Männchen zu entwickeln. Insofern eine interessante Beobachtung, die auch im Hinblick auf den Klimawandel von Bedeutung sein könnte. Ob diese Befunde auf andere Populationen oder gar Spezies übertragbar wären, müsste sich erst noch zeigen. Zumal ja auch oft damit argumentiert wird, dass sich aufgrund des Stoffwechsels innerhalb eines größeren Geleges Temperaturgradienten ergeben können. Wenn dann noch die Möglichkeiten über mütterliche Hormonspiegel innerhalb der Eier Einflussnahmen auf die Geschlechtsentwicklung geben kann (Valli et al., 2023) ergibt sich hier ein sehr komplexes von der Umwelt gesteuertes Szenario, das auf diese Weise so noch nie untersucht wurde. Siehe dazu auch: Bodensteiner et al. (2019), Carter et al. (2019), Deem et al. (2023) und die dortigen Kommentare.

Literatur

Bodensteiner, B. L., D. A. Warner, J. B. Iverson, C. L. Milne-Zelman, T. S. Mitchell, J. M. Refsnider & F. J. Janzen (2019): Geographic variation in thermal sensitivity of early life traits in a widespread reptile. – Ecology and Evolution 9(5): 2791-2802 oder Abstract-Archiv.

Carter, A. L., B. L. Bodensteiner, J. B. Iverson, C. L. Milne-Zelman, T. S. Mitchell, J. M. Refsnider, D. A. Warner & F. J. Janzen (2019): Breadth of the thermal response captures individual and geographic variation in temperature‐dependent sex determination. – Functional Ecology 33(10): 1928-1939 oder Abstract-Archiv.

Deem, S. L., S. Rivera, A. Nieto-Claudin, E. Emmel, F. Cabrera & S. Blake (2023): Temperature along an elevation gradient determines Galapagos tortoise sex ratios. – Ecology and Evolution 13(4): e100008 oder Abstract-Archiv.

Valli, F. E., M. S. Simoncini, M. A. González & C. I. Piña (2023): How do maternal androgens and estrogens affect sex determination in reptiles with temperature-dependent sex? – Development Growth and Regeneration 65(4): 565-576 oder Abstract-Archiv.

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