Spornschildkröte, Centrochelys sulcata, – © Hans-Jürgen Bidmon

Petrozzi - 2020 - 01

Petrozzi, F.; E. M. Hema, D. Sirima, G. H. Segniagbeto, G. C. Akani, E. A. Eniang, D. Dendi, J. E. Fa & L. Luiselli (2020): Tortoise ecology in the West African savannah: Multi-scale habitat selection and activity patterns of a threatened giant species, and its ecological relationships with a smaller-sized species. – Acta Oecologica 105(103572): 1-7.

Landschildkrötenökologie in westafrikanischen Savannen: Multivariable Habitatauswahl und die Aktivitätsmuster einer gefährdeten großen Spezies sowie deren ökologische Beziehungen zu kleiner bleibenden Arten.

DOI: 10.1016/j.actao.2020.103572 ➚

Westafrikanische Glattrandgelenkschildkröte, Kinixys belliana nogueyi, – © Victor Loehr
Westafrikanische Glattrandgelenkschildkröte,
Kinixys belliana nogueyi, ein Schlüpfling in menschlicher Obhut
© Victor Loehr

Der Status der meisten Wirbeltiere in der Afrikanischen Sahel ist kaum bekannt. Zu ihnen zählt auch die afrikanische Spornschildkröte (Centrochelys sulcata) ein charismatisches aber auch sehr gefährdetes Wirbeltier der Sahel das bislang kaum untersucht wurde. Wir untersuchten den Status dieser Spezies und deren potentielle Verbreitung, ihre Habitatauswahl (anhand mehrerer räumlicher Maßstäbe) sowie deren Aktivitätsmuster in Mali und Burkina Faso, also in zwei Ländern die zu ihrem bislang bekannten Verbreitungsgebiet gerechnet werden. Wir unternahmen dazu Feldstudien und führten an 23 Orten Interviews mit der Bevölkerung durch, um das Vorhandensein der Art zu erfassen. In diese Erhebungen und Interviews bezogen wir auch die westliche Gelenkschildkröte (Kinixys nogueyi) mit ein. Bei Letzterer handelt es sich um eine sympatrisch verbreitete Schildkröte, für die ebenso rückläufige Bestandszahlen vermutet werden. Die altersbezogenen Interviews ergaben, dass C. sulcata in Mali weitverbreitet ist, aber es zeichnete sich eine statistisch höhere Häufigkeit dafür ab, dass ältere Personen sich daran erinnerten, dass C. sulcata um ihr Dorf herum lebten während im Vergleich dazu die jüngeren Befragten solche Angaben nicht machten. Letzteres legt nahe, dass die Art sich in dem Untersuchungsgebiet im Rückgang befindet. Wir entdeckten insgesamt 77 C. sulcata und 20 K. nogueyi während unserer Feldstudien. Die meisten C. sulcata wurden entlang sporadisch wasserführender Bachläufe und entlang stabilisierter Dünen gefunden die lokal als Koris bekannt sind. Centrochelys sulcata Individuen wurden häufiger in sandigen trockenen Savannenflächen gefunden die weiter entfernt zu den menschlichen Ansiedlungen lagen, die sich aber dadurch auszeichneten, dass sie Wasserstellen beinhalteten oder nahe zu solchen lagen. Kinixys nogueyi zeigte im Gegensatz dazu eine allopatrische Verbreitung mit keinen als sympatrisch zu bezeichnenden Überschneidungen mit C. sulcata in Bezug auf die von ihnen genutzten Mikrohabitate. Das Vorhandensein von Rindern war negativ korreliert mit dem Vorkommen von C. sulcata. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die überirdischen Aktivitäten von C. sulcata auf die Regenzeit begrenzen, wobei sie ein deutliches bimodales Muster an den Tag legen, bei dem sie meist in den frühen Morgenstunden aktiv sind. Wir unterbreiten Vorschläge dafür wie diese Arten am besten in der Wildnis zu erfassen sind und liefern neue Informationen zu deren Verbreitung und Biologie. Diese Daten sind unabdinglich für die Erfassung des Status für diese Spezies als Teilaspekt für die zukünftige Planung von Erhaltungsmaßnahmen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Ein schönes Beispiel wie sich selbst Verbreitungseinschätzungen und Verbreitungsangaben während der menschlichen Lebenszeit anscheinend verändern. Etwas was wir ja oft leicht übersehen, da auch hier manche Einschätzungen zu Bestandssituationen auf Daten aus der Erinnerung beruhen dürften. Zudem wird hier deutlich wie die Habitatbeschreibungen oder das was wir unter sympatrisch oder allopatrisch verstehen von den räumlichen Maßstaben abhängen aufgrund derer wir solche Einstufungen vornehmen. Letzteres hat ja auch entscheidenden Einfluss auf die Haltungsbedingungen, denn letztendlich taugen dafür nur Mikrohabitatanalysen und Beschreibungen, da nur sie die ökologische Einnischung für bestimmte Arten auf artgerechte Weise widerspiegeln.

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