Joyce - 2008 - 01

Joyce, W. G., S. G: Lucas, T. M. Scheyer, A. B. Heckert & A. P. Hunt (2008): A thin-shelled reptile from the Late Triassic of North America and the origin of the turtle shell. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 276(1656): 507-513.

Ein Reptil mit dünnwandigem Panzer aus dem späten Trias von Nordamerika und die Entstehung des Schildkrötenpanzers.

DOI: 10.1098/rspb.2008.1196 ➚

Ein neu gefundenes dünnschaliges Fossil aus dem Oberen Trias (Revueltian: Norian) der Chinle Gruppe von New Mexico, Chinlechelys tenertesta, ist eines der primitivsten bekannten und nachweislich zu den Schildkröten gehörenden Reptilien, die die Abstammungslinie der Schildkröten begründen. Die dünne Schale der neuen Schildkröte und ihre sehr wahrscheinlich terrestrische Lebensraumpräferenz ist ein Hinweis darauf, welchen Einflüssen die ursprünglichen Schildkrötenfossilen ausgesetzt waren und was sie überdauern mussten, um als Fossil erhalten zu bleiben und sich als Bestandteil des „Fossilrecords“ darzustellen. Chinlechelys tenertesta besitzt Nackenstachel, die aus mehreren Osteodermen (Hautverknöcherungen) aufgebaut sind und die andeuten, dass die ersten bekannten Schildkröten von Reihen aus schützenden Strukturen (Schilden etc.) der Haut bedeckt waren. Wesentlich bedeutender ist, dass die primitiven, vertikal orientierten dorsalen Rippen der neuen Schildkröte nur eine schwache Assoziation mit den darüber liegenden costalen Knochen aufweisen, was andeutet, dass es sich hier um zwei unabhängig voneinander verknöchernde Strukturen bei diesen basalen Schildkröten handelt. Diese neuen Beobachtungen unterstützen die Hypothese, dass der ursprüngliche Schildkrötenpanzer nur aus Schutzstrukturen der Haut bestand, der dann erst später mit den Rippen und Wirbeln des Endoskeletts verschmolzen ist und es sich somit beim Schildkrötenpanzer nicht um eine de novo Neuerfindung handelt, sondern dass er sich eher aus einer kontinuierlichen Vorläuferlinie entwickelt hat. Die für die Beurteilung wesentlichen Panzerelemente (der Costalia und Neuralia) sind also nicht nur einfache Auswüchse (Verbreiterungen) der Knochen des Endoskeletts (Rippen, Wirbel), wie es in früheren Hypothesen formuliert wurde, die sich von einigen embryologischen Studien ableiteten.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine sehr schöne detaillierte Arbeit, die durchaus Anlass zum Nachdenken gibt und zeigt, wie wichtig eine unvoreingenommene wissenschaftliche Analyse und Interpretation der Daten ist. Denn wer nur darauf abzielt, vorformulierte Hypothesen zu bestätigen oder Vorgedachtes nachzuplappern, ohne es einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, wird der Wissenschaft der Natur keinen Gefallen tun und zum besseren Verständnis der belebten Umwelt nichts beitragen können. Siehe auch Scheyer & Sander (2007).

Literatur

Scheyer, T. M. & P. M. Sander (2007): Shell bone histology indicates terrestrial palaeoecology of basal turtles. – Proceedings: Biological Science 274(1620): 1885-1893 oder Abstract-Archiv.