Griechische Landschildkröte, Testudo hermanni boettgeri, Jungtiere – © Hans-Jürgen Bidmon

Fleming - 2008 - 01

Fleming G. J. (2008): Clinical Technique: Chelonian shell repair. – Journal of Exotic Pet Medicine 17(4): 246-258.

Klinische Technik: Schildkrötenpanzerreparatur

DOI: 10.1053/j.jepm.2008.08.001 ➚

Griechische Landschildkröte, Testudo hermanni boettgeri, – © Hans-Jürgen Bidmon
Griechische Landschildkröte,
Testudo hermanni boettgeri,
© Hans-Jürgen Bidmon

Tausende von wild lebenden Sumpfschildkröten und Landschildkröten werden während eines Jahres durch Autos verletzt, wobei die meisten wohl ums Leben kommen. Etliche der Schildkröten, die solche Unfälle überleben, werden zu den Stationen von Wildhütern und Veterinären gebracht. Viele Schildkröten werden älter als 50 Jahre und deshalb kann der Tod adulter Tiere große Auswirkungen auf die Reproduktionsraten und die Populationsdichten der betroffenen Schildkrötenspezies haben. Das Management einer Panzerfraktur und Reparatur bei in Gefangenschaft gehaltenen und wild lebenden Schildkröten ist nicht kompliziert, allerdings ist es meist ein länger andauernder Prozess. Mit ein paar Teilen des veterinärmedizinischen Equipments wie Verbandsmaterial, Antibiotika, Analgetika (Schmerzstiller) und ein paar Monaten der Rehabilitation kann jeder Tierarzt Panzerfrakturen erfolgreich bei Schildkröten behandeln. Obwohl die meisten Techniken zur Behandlung wild lebender Schildkröten entwickelt wurden, können sie natürlich auch zur erfolgreichen Behandlung von Verletzungen bei in Gefangenschaft gehaltenen Schildkröten eingesetzt werden.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich um eine sehr interessante und ausführliche Arbeit und ich möchte fast sagen, der Autor hat das Abstract in einer sehr bescheidenen Art formuliert, denn diese 13 Seiten umfassende Arbeit enthält neben den hilfreichen und erklärenden Abbildungen wirklich viele Aspekte auch für die komplizierteren Frakturen wie Mehrfach- bzw. Mosaikbrüche. Dennoch macht der Autor in seiner bescheidenen praktischen Art deutlich, dass eine der wichtigsten Voraussetzung gute klimatische und Haltungsbedingungen sind, welche die Selbstheilungskräfte der Tiere unterstützen. Letzteres kann man nur unterstreichen. Denn wer kennt sie nicht, die Bilder aus den natürlichen Biotopen unserer Europäischen Landschildkröten, die man dort nicht selten auch mit ausgeheilten alten Panzerverletzungen findet, die wohl auch ohne jedes Zutun eines Tierarztes, wenn auch nicht immer kosmetisch perfekt, verheilt sind, weil die Schildkröten eben in einer „optimalen“ Umwelt (Heimat) alles hatten, was zur Genesung von Nöten war. Gerade bei diesen unterstützenden Maßnahmen muss man hierzulande leider oft erleben, dass selbst sich als reptilienerfahrene Tierärzte ausweisende (vielleicht Anfänger) Praktiker versagen, allein aus einem Mangel an Artenkenntnis – geschweige denn, dass ausreichende Kenntnisse zur Physiologie bzw. Biochemie der betroffenen Spezies vorliegen, obwohl Letzteres fast schon eine unabdingbare Voraussetzung für den Einsatz von Medikamenten ist. Hier muss man allerdings auch zugeben, dass für die so genannten Exoten eben noch sehr wenig bekannt ist, aber selbst das Wenige, was bekannt ist, wird nicht selten übersehen oder ignoriert (siehe Perpinan et al. (2008)). Sofern die Halter dann ihre Tiere noch zuhause versorgen können, mag es noch gehen, da die meisten sich wohl um optimale Haltungsbedingungen für ihre speziellen Pfleglinge bemühen, aber was, wenn die Schildkröten in der Praxis verbleiben sollen?
Kommen wir aber noch einmal kurz zurück zum Inhalt der Arbeit, die mit einem Kapitel zur Diagnose beginnt, dann unter dem Untertitel „Exzellente Prognose“ die Fälle schildert, die gut behandelbar sind. Diese Beschreibung der Befundung setzt sich mit folgenden Untertiteln fort: „Gute Prognose“, „Faire Prognose“, „Betreute Prognose“ (Fälle mit weit offener Bauchhöhe) und „Grabprognose“ (Euthanasie; mehr als ein Drittel des Panzers ist nicht mehr vorhanden, etc.). Nach den Diagnoseeinteilungen folgen die Kapitel: „Initiale Behandlung“ und „Schmerzbehandlung“, gefolgt von einer Listung von Medikamenten, deren Dosierung, Verabreichung und Anwendungsdauer mit anschließenden Kapiteln „Flüssigkeitstherapie“ (zur Vermeidung von Dehydration), „Antibiotika Behandlung“, (einschließlich begleitender Vorsichtsmaßnahmen), „Wundversorgung“, „Reinigung und Spülung“ (verletzter Bereiche, sterile Versorgung), „Vakuumunterstützter Wundverschluss“, ein extra Abschnitt zur Versorgung „Aquatischer Schildkröten“ sowie „Unterstützende Ernährung“, „Anästhesie und Überwachung“, „Medikamentenauswahl“, „Radiologisches Imaging“ (Röntgen, Magnetic Resonance Imaging, MRI), „Frakturfixation“, „Epoxy“ (Wundverschluss mit Kunstharz), „Externe Fixierung“ (Fixierung gebrochener Panzerteile von außen), „Entfernung von externen Fixateuren“ und Zusammenfassung. (Wie gesagt, das ganze durchaus auch noch anschaulich bebildert). Den Schluss bildet das Referenzverzeichnis, in dem, so bedauerlich es sein mag, kein deutscher Beitrag zu finden ist und das nicht, weil der Autor sich nicht die Mühe gemacht hätte, danach zu suchen, denn eine Doktorarbeit aus der Veterinärmedizin der Universität Zürich wurde durchaus für so wesentlich erachtet, dass sie zitiert wird.
Allerdings braucht einen Letzteres auch nicht sonderlich zu verwundern, denn unsere reptilienerfahrenen Tierärzte hüten ihre Geheimnisse unter dem Deckmantel der DGHT-AGARK unter Ausschluss der Öffentlichkeit und aller anderen Mitgliedsbeitragszahler, obwohl die Angestellten der Geschäftsstelle der DGHT, die die Tagungszusammenfassungen abfassen und bearbeiten, von den Mitgliedsbeiträgen aller getragen werden. Auch die Leiterin der DGHT-AGARK wird als Mitarbeiterin der DGHT-Geschäftsstelle wohl ihre Arbeitszeit und Dienstreisen allen Mitgliedern der DGHT in Rechnung stellen und nicht der AGARK (Sicher mögen manche sagen, das tut sie auch für andere Arbeitsgemeinschaften, aber alle anderen Arbeitsgemeinschaften tagen auch öffentlich und leisten somit einen Beitrag zur Weiterbildung aller DGHT-Mitglieder!) Zudem scheinen unsere Tierärzte viel Zeit damit zu verbringen, anderen, die mal eine Panzerfraktur erfolgreich ausgeheilt haben und dies veröffentlichen, um Möglichkeiten zur erfolgreichen Behandlung aufzuzeigen und zur Diskussion zu stellen, Fehler zu unterstellen, anstatt sich selbst die Mühe zu machen, einmal etwas ähnlich Fundiertes, das nur annähernd der oben angeführten Arbeit entsprechen würde, zu publizieren. Denn dann wüsste man als Terrarianer wenigstens, an wen man sich im Bedarfsfall beruhigt wenden könnte. Siehe Anmerkungen der Arbeitsgruppe Amphibien- und Reptilienkrankheiten zum Artikel „Behandlung einer schweren Panzerfraktur bei einer griechischen Landschildkröte (
Testudo hermanni boettgeri)“ Autor Gerhard Jennemann „Schildkröten im Fokus“ 3/08 publiziert in elaphe 16 (2008) Heft 4, Seiten 30-32. Gerhard Jennemann verfügt aus gegebenem Anlass über eine Genehmigung zur Sektion, führt selbst Einweisungen zur Sektion von Reptilien für interessierte Studenten der Veterinärmedizin der Universität Gießen durch und ist weiß Gott kein Anfänger für und in Röntgendiagnostik – auch bei Reptilien. Die besten Röntgenaufnahmen für anatomische Zwecke von Reptilien und Amphibien, die ich kenne, stammen von ihm, insbesondere weil er dafür in der Regel ein Gerät zur Mammographie benutzt, was gerade bei kleinen Individuen eine wesentlich feinere Auflösung bietet, als alles was man an Röntgengeräten in den meisten Veterinärpraxen zu sehen bekommt, wo es im Fall von Exoten manchmal auch noch an der Handhabung mangelt. Dass man in manchen Notfällen nicht immer auf ein solches Gerät zurückgreifen kann, ist klar und auch die oben angeführte Arbeit von Fleming beschreibt zwar die radiologische Diagnostik, verweist aber darauf, dass sie nicht unbedingt vor der Erstversorgung erfolgen muss und dass sie eigentlich nur dann von Anfang an zwingend geboten ist, wenn die Panzerfraktur den Bereich der Wirbelsäule mit einschließt, weil hier eben von Anfang an abzuklären ist, wie stark das Rückenmark verletzt ist und wie man bei der Frakturbehandlung vorzugehen hat, um eine Rückenmarksbeeinträchtigung so gering wie möglich zu halten, da die Schildkröte andernfalls eine dauerhafte Querschnittslähmung davon trägt. Gerhard Jennemann hat, da er nicht selbst vor Ort war, den Besitzer gebeten, die entsprechenden Röntgenaufnahmen und Behandlungen in einer Tierarztpraxis durchzuführen. Die betreffende Tierärztin, die sich zwar selbst als nicht reptilienerfahren bezeichnet, ist eine Studienkommilitonin einer der unterzeichnenden Tierärztinnen des AGARK-Beirats, gleiche Universität fast identischer Jahrgang und hat laut eigenen Aussagen im Studium eben an dieser Hochschule nichts von der Behandlung von Reptilien im offiziellen Studium vermittelt bekommen. Ein Ausbildungsschwachpunkt, der auch heute noch bei Durchsicht der Curricula (Lehrpläne) der meisten deutschen Universitäten besteht. Insofern kann man den unterzeichnenden Veterinären nur anerkennend zugestehen, sich eben selbst im Bereich Reptilien- und Amphibienmedizin weiter qualifiziert zu haben. Die Standards solcher bislang selbst initiierter Weiterbildungen sind allerdings nirgends festgelegt oder evaluierbar, zum Teil auch deshalb, weil man innerhalb der entsprechenden Verbände bislang keine Themenkataloge erarbeitet und veröffentlicht hat, die im Sinne einer Ausbildung und qualifizierten Nachwuchsförderung dienen könnten. Allerdings was mich selbst als nicht direkt betroffenen Leser solch einer Anmerkung der Arbeitsgruppe Amphibien- und Reptilienerkrankungen verwundert, ist die Anmaßung, einer approbierten Veterinärmedizinerin (Fachkollegin), die so ehrlich ist zuzugeben, dass sie sich mit der Behandlung von Reptilien nicht gut auskennt, auch gleich zu unterstellen, dass sie erstens nicht röntgen kann, und zweitens keine Röntgenbilder mit diagnostizieren kann. Oder meinen Sie, dass eine Tierärztin, wenn sie anderer Meinung als Herr Jennemann gewesen wäre, diese nicht geäußert und danach gehandelt hätte, zumal dies alles in ihrer Praxis und unter ihrer Überwachung passierte? Sie verfügt über ein digitales Röntgengerät und der einzige Fehler, der vielleicht von Gerhard Jennemann als Autor gemacht wurde, war, dass er nur von einem Röntgenbild geschrieben hatte, obwohl laut entsprechender Aussagen mehrere gemacht wurden (Allerdings welchem Leser der Schildkröten im Fokus hätte es genutzt zu wissen, dass 3 von Nöten sind, denn wie Gerhard Jennemann im letzten Abschnitt seines Berichts ausführt, sollte man auf das Röntgen keinesfalls verzichten, weil man am falschen Ort sparen will und weil wohl jeder Terrarianer zwecks einer Röntgendiagnostik einen Arzt oder Tierarzt aufsuchen muss, werden diese Fachkollegen doch dafür Sorge tragen, dass eine entsprechende Anzahl aussagekräftiger Bilder für die Diagnoseabsicherung gemacht werden. Wo liegt da der Fehler? Da ich Gerhard Jennemann gut kenne und weiß, dass er einen Hang zur Einfachheit auch bei schwierigeren Themen hat, was ihm die Studierenden bei den Histologiefortbildungen auch meist durch volle Hörsäle honorieren, denke ich fast, er hat es einfach in diesem Sinne nicht weiter erwähnt). Auch wird hier unterstellt, dass Kittharz zeitlebens im Körper der Schildkröte verbleibt und Alkohol zur Desinfektion nur denaturiert und austrocknet. Bezüglich der Eignung des Kittharzes empfehle ich die oben angeführte Arbeit, und bezüglich der Verwendung von Alkohol wie auch von Wasserstoffperoxidlösungen während operativer Eingriffe selbst am Menschen empfehle ich einmal die praktische Teilnahme am Operationsgeschehen in einer deutschen Klinik. Über die Verwendung von Propolis in der klassischen Medizin und Homöopathie erübrigt sich jegliche Diskussion, das kann jeder genauso gut bei Wikipedia nachlesen. Wer sich nun noch aus eigenem Interesse über das Wohlergehen der behandelten Griechischen Landschildkröte erkundigen möchte, der wende sich doch an den Besitzer Herrn Axel Prutz in Braunfels (der der Namensnennung übrigens ausdrücklich zugestimmt hat, frei nach dem Motto, wer nichts zu verbergen hat, braucht sich vor Kritik nicht zu fürchten, oder frei nach Paracelsius „Wer heilt, hat Recht“). Ich denke, man sollte solche Arten der Diskussionen nicht ausufern lassen, denn wie heißt es so schön in der Bibel: „Der von Euch, der ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“ und ich denke, wenn man sich mal wirklich die Mühe macht, auch die Fehler reptilienerfahrener Tierärzte/innen zu sammeln und auch in ihren Publikationen zu suchen, dann könnte man so manche auch schwerer wiegende Kritik anbringen. Ich würde da lieber vorschlagen, im Sinne der Gesunderhaltung unserer Pfleglinge besser zusammenzuarbeiten, als sich gegenseitig zu beharken!
Siehe auch: Mathie et al. (2007), oder zur Histologie, Jennemann et al. (2006).
So nun bleibt mir zum Schluss notgedrungen noch ein Verweis in eigener Sache nicht erspart, denn ich habe mich mit diesen Ausführungen etwas „in die Nesseln gesetzt“, da ich mir erlaubt habe, in nicht ganz unkritischer Art und Weise doch einmal die Bezeichnung DGHT außerhalb einer DGHT-Zeitschrift öffentlich zu äußern. Sollte dies nun wie in letzter Zeit gehäuft zu beobachten (siehe DGHT-Homepage/News vom 05.12.2008) zur Beendigung meiner mehr als 20-jährigen Mitgliedschaft führen, keine Angst ich werde nicht mit anwaltlicher Unterstützung darum kämpfen, denn es lohnt sich zwar für Demokratie, Meinungsfreiheit und die Freiheit zur artgerechten und tierschutzkonformen Tierhaltung und Tiergesunderhaltung (auch innerhalb einer für Verbesserungen offenen DGHT) zu kämpfen, keinesfalls aber für Zensur und einseitigen Verbandslobbyismus.
Im Übrigen sollte es, wie ich hoffe, die DGHT-AG Literatur/Geschichte auch noch in 50 oder 100 Jahren geben, freue ich mich jetzt schon mal (in weiser Voraussicht, dass ich mir bis dahin die Radieschen von unten anschauen kann) auf süffisant ausformulierte Referate (a la Prof. Fritz Jürgen Obst) über diese schriftlich festgehaltenen zeitgeschichtlichen Possen „Deutscher Herpetologie und Terrarienkunde“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Literatur

Jennemann, G., M. Wettlaufer & H.-J. Bidmon (2006): Interesting features of Nutritional Secondary Hyperparathyroidism in two young Greek Tortoises (Testudo graeca graeca). – Exotic DVM Veterinary Magazine 8(1): 15-20 oder Abstract-Archiv.

Mathie, R. T., L. Hansen, M. F. Elliott & J. Hoare (2007): Outcomes from homeopathic prescribing in veterinary practice: a prospective, research-targeted, pilot study. – Homeopathy 96(1): 27-34 oder Abstract-Archiv.

Perpinan, D., S. M. Hernandez-Divers, K. S: Latimer, T. Akre, C. Hagen, K. A. Buhlmann & S. J. Hernandez-Divers (2008): Hematology of the Pascagoula map turtle (Graptemys gibbonsi) and the southeast Asian box turtle (Cuora amboinensis). – Journal of Zoo and Wildlife Medicine 39(3): 460-463 oder Abstract-Archiv.

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