Mediterrane unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, – © Dimitris Margaritoulis, Archelon

Bowen - 2005 - 01

Bowen, B. W., A. L. Bass, L. Soares & R. J. Toonen (2005): Conservation implications of complex population structure: lessons from the loggerhead turtle (Caretta caretta). – Molecular Ecology 14(8): 2389-2402.

Erhaltungsmaßnahmen komplexer Populationsstrukturen: Die Lehre von der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta)

DOI: 10.1111/j.1365-294X.2005.02598.x ➚

Unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Unechte Karettschildkröte,
Caretta caretta,
© Hans-Jürgen Bidmon

Komplexe Populationsstrukturen können durch einen vom Geschlecht abhängigen Genfluss oder aus Populationsüberschneidungen während der Migrationen entstehen. Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) verfügen über beide Eigenschaften und zeigen daher eine beispielhafte Lebensgeschichte für das Management von Wildtieren. Anhand von Untersuchungen der mütterlicherseits vererbten mtDNS (mitochondriale DNS) zeigen die pelagisch lebenden, den gesamten Nord-Atlantik besiedelnden Schlüpflinge keine Populationsstruktur (phi[ST] < 0,001, P = 0,919). Die subadulten Schildkröten, die ihre angestammten Küstenhabitate besiedeln, weisen eine schwache Struktur (Populationsunterschiede) in Bezug auf ihre Lebensräume (phi[ST] = 0,01, P < 0,005) auf, und Nistkolonien entlang der Südostküste der Vereinigten Staaten zeigen eine stark ausgeprägte Struktur (phi[ST] = 0,42, P < 0,.001). Somit nimmt der Grad der Populationsstruktur mit fortschreitendem Alter (Entwicklungsstadium) zu. Im Gegensatz dazu zeigt die von beiden Geschlechtern (biparental) vererbte Mikrosatelliten-DNS keine signifikante Populationsstruktur: R-ST < 0,001; F-ST = 0,002 (P > 0,05) über die gleichen nistenden Kolonien hinweg. Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass Unechte-Karettschildkröten-Weibchen eine Ortstreue für ihre Geburtsstätte zeigen, Männchen dagegen bilden eine „Straße“ für den Genfluss zwischen den regionalen Nistkolonien, wahrscheinlich durch gelegentliche Paarungen innerhalb der von wandernden Tieren gemeinsam genutzten Korridore. Ein Ergebnis ist, dass alle brütenden Populationen der südöstlichen Vereinigten Staaten das gleiche Maß für die Mikrosatellitendiversität (H-E = 0,70-0,89) aufweisen, wohingegen die mtDNS-Haplotypendiversität dramatisch variiert (h = 0,00-0,66). Bei konventioneller Interpretationen der nuklearen DNA-Daten würden die gesamten Tiere entlang der südöstlichen Vereinigten Staaten als eine einzige Management-Einheit betrachtet, obgleich die mtDNS-Daten auf mehrere isolierte Populationen hindeuten. Diese komplexe Populationsstruktur verlangt nach umfangreichen auf das Entwicklungsstadium der Tiere abgestimmten Managementstrategien. Störungen innerhalb der pelagisch lebenden Jungtiere würden einen diffusen (großräumig verteilten) Einfluss für die atlantischen Nistkolonien nach sich ziehen, während die Sterblichkeit an Subadulten einen stärker fokussierten (Orts- bzw. Küstenabschnittsbezogenen) Einfluss für benachbart brütende Populationen haben würde, und Störungen bei den Adulten würden dann eine (pinpoint) ortsgebundene, lokale Auswirkung für die betroffene Nistpopulation haben. Diese Befunde demonstrieren, dass das Überwachen multipler Lebensstadien angestrebt werden sollte, um migratorische Management-Einheiten mariner Spezies zu definieren und zu managen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Wenn man diese Arbeit aufmerksam liest, bekommt man nicht nur einen Eindruck dafür, wie verheerend sich das Auslöschen lokaler Nistpopulationen innerhalb der Gesamtpopulation auswirken kann, sondern man versteht auch besser, warum multiple Paarungen (siehe Lee & Hays (2004)) so wichtig für den Genfluss in der Gesamtpopulation sind, insbesondere dann wenn die Individuenzahl sinkt.

Literatur

Lee, P. L. M. & G. C. Hays (2004): Polyandry in a marine turtle: Females make the best of a bad job. – Proceedings of the National Academy of Science of the U.S.A. 101(17): 6530-6535 oder Abstract-Archiv.

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