Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, wird mit einem Apfel aus der Unterkunft gelockt – © Hans-Jürgen Bidmon

Russello - 2010 - 01

Russello, M. A., N. Poulakakis, J. P. Gibbs, W. Tapia, E. Benavides, J. R. Powell & A. Caccone (2010): DNA from the Past Informs Ex Situ Conservation for the Future: An “Extinct“ Species of Galapagos Tortoise Identified in Captivity. – PLoS ONE 5(1): e8683.

DNS aus der Vergangenheit, Isofromen und ex situ Erhaltung für die Zukunft: Eine „ausgestorbene“ Spezies der Galapagosschildkröten in Gefangenschaftshaltung identifiziert.

DOI: 10.1371/journal.pone.0008683 ➚

Galapagos-Riesenschildkröte, Chelonoidis nigra, – © Hans-Jürgen Bidmon
Galapagos-Riesenschildkröte,
Chelonoidis nigra,
wird mit einem Apfel
aus der Unterkunft gelockt
© Hans-Jürgen Bidmon

Hintergrund: Obwohl es nicht so ungewöhnlich ist, dass man in Gefangenschaftshaltungen Relikte von Arten findet, die in der Natur schon verloren sind, ist es selten, dass man eine ausgestorben geglaubte Art außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets wiederentdeckt. Eine kürzlich erfolgte Studie entdeckte noch lebende Nachkommen einer ausgestorbenen Galapagosschildkröte (Chelonoidis elephantopus), die einst endemisch auf der Insel Floreana vorkam, auf der Nachbarinsel Isabela. Diese Befunde liefern zusätzliche Belege für die wachsende Anzahl nachweisbarer kryptischer Diversität, die es bei den wild lebenden Arten gibt. Zudem exsistiert noch eine große Zahl an Galapagosschildkröten in Gefangenschaft, deren Herkunft bis heute unklar ist. Die kürzlich gesammelten haplotypischen und genotypischen Daten auf Populationsebene, die nun für C. elephantopus vorliegen, liefern eine wichtige zusätzliche Referenzpopulation zu den schon bekannten Datensätzen von 11 ausgestorbenen Spezies, die dazu benutzt werden können, die Zugehörigkeit von noch in Tierhaltungen existierenden Individuen mit unbekannter Herkunft zu untersuchen.
Methoden/Ergebnisse: Wir reanalysierten die mitochondriale DNS-Kontrollregion, Haplotypen und Mikrosatelliten-Genotypen von 156 in Gefangenschaft gehaltenen Individuen, wobei wir eine erweiterte Referenzdatensammlung nutzten, die alle ausgestorbenen Arten der Galapagosschildkröten enthielt, einschließlich der Art, die auf Floreana lebte. Neun Individuen (sechs Weibchen und drei Männchen) zeigten eine hohe Übereinstimmung (Signatur) mit der DNS der Floreanatiere (Museumspräparate), dabei ergab sich nach der Bayesian-Zuordnung und Klusteranalyse der empirischen und simulierten Datensätze eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie von Floreana stammen und C. elephantopus zugeordnet werden können. Eines der Männchen konnte anhand der genotypischen Mikrosatellitenbefunde mit hoher Zuordnungswahrscheinlichkeit zu C. elephantopus gerechnet werden und zeigte zudem auch einen Floreana-ähnlichen mitochondrialen DNS-Haplotyp.
Bedeutung (Signifikanz): Historische DNS-Analysen, die von Museumspräparaten stammten, lieferten wichtige räumliche und zeitliche Komponenten für ökologische, evolutive, taxonomische Untersuchungen, die auch für die Arterhaltungsforschung Informationen liefern, aber selten führten sie zu einer ex situ Wiederentdeckung von Arten. In diesem Fall ergab sich aus der Verfügbarkeit der genotypischen Datensätze auf Populationsniveau für die ausgestorbene C. elephantopus, die Möglichkeit neun Individuen von Galapagosschildkröten zu identifizieren, die einen hohen Erhaltungswert besitzen und die bis dahin fälschlicherweise anderen Spezies mit unterschiedlichem Erhaltungsstatus zugerechnet worden waren. Da alle derzeit in Gefangenschaft lebenden Individuen, die mit C. elephantopus verwandt sind, in der zentralen Zuchtstation auf Santa Cruz gehalten werden, ermöglichen unsere Daten die Zusammenstellung von Zuchttieren, um diese ausgestorbene Art zu züchten und auf Floreana in ihrem ursprünglichen Verbreitungsareal anzusiedeln.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Das ist einmal ein schönes Ergebnis, das zwar zeigt, dass der Besitz von Museumsexemplaren durchaus seinen Wert hat und aktuell haben kann, aber dennoch sollte man auch bedenken, wie in der Vergangenheit oft des Besitzes wegen Arten dezimiert wurden. Somit stehe ich in der heutigen Zeit den Sammelaktionen mancher Systematiker und Museen immer noch skeptisch gegenüber (siehe Kommentar zu Chiro & Ineich 2006), denn es gibt heute alternative Möglichkeiten, dem Raubau der Vergangenheit entgegenzuwirken. Was uns hier aber auch wieder klar vor Augen geführt wird ist die Tatsache, dass die DNS, also das Erbgut dieser Art, eigentlich nicht wirklich ausgestorben ist und dass es mit vielleicht der einen Ausnahme in den anderen „Hybridschildkröten“ noch vorhanden ist. Auch hier ein klares Indiz dafür, dass sich die Schildkröten das Potential zur Hybridisierung erhalten haben und dass es ihnen hilft, die genetische Variabilität und damit verbunden ein hohes Maß an Anpassungspotential aufrecht zu erhalten. Hier wurde nicht nur der Beweis erbracht, dass das ausgestorben geglaubte Erbgut der Floreanaschildkröten noch lebt, sondern auch ein klarer Beleg dafür erbracht, wie die natürliche Evolution der Schildkröten abläuft, wenn sich bestimmte Umweltbedingungen so ändern, dass es keine andere als oder eben die Möglichkeit zur Hybridisierung ergibt. Diese Wissenschaftler heben auch klar als Zukunftsvision hervor, dass es das Potential der Rückzüchtung gibt. In diesem Sinne glaube ich haben auch Hybriden zumindest von sehr seltenen „Arten“ einen Wert, der nicht darin zu sehen ist, dass man sie in Alkohol als Museumspräparate aufbewahrt, denn diese Hybriden leben noch gut und gesund und ob man das von mancher so genannten „reinen“ Art auch behaupten kann, ist nicht so sicher (siehe Kommentare zu: Stuart & Parham 2004, Milinkovitch et al. 2007, Poulakakis et al.2008).

Literatur

Chiro, L. & I. Ineich (2006): Biogeography of the reptiles of the Central African republic. – African Journal of Herpetology 55(1): 23-59 oder Abstract-Archiv.

Milinkovitch, M. C., D. Monteyne, M. Russello, J. P. Gibbs, H. L. Snell, W. Tapia, C. Marquez, A. Caccone & J. R. Powell (2007): Giant Galapagos tortoises; molecular genetic analyses identify a trans-island hybrid in a repatriation program of an endangered taxon. – BMC Ecology 7(1): 2 oder Abstract-Archiv.

Poulakakis, N., S. Glaberman, M. Russello, L. B. Beheregaray, C. Ciofi, J. R. Powell & A. Caccone (2008): Historical DNA analysis reveals living descendants of an extinct species of Galapagos tortoise. – Proceedings of the Natural Acadamy of Science USA 105(40): 15464-15469 oder Abstract-Archiv.

Stuart, B. L. & J. F. Parham (2004): Molecular phylogeny of the critically endangered Indochinese box turtle (Cuora galbinifrons). – Molecular Phylogenetics Evolution 31(1): 164-177 oder Abstract-Archiv.

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