Georgia-Gopherschildkröte, Gopherus polyphemus, – © Brian Folt

Karlin - 2008 - 01

Karlin, M. (2008): Distribution of Mycoplasma agassizi in a Gopher Tortoise population in south Florida. – Southeastern Naturalist 7(1): 145-158.

Verbreitung von Mycoplasma agassizi in einer Gopherschildkrötenpopulation in Südflorida

DOI: 10.1656/1528-7092(2008)7[145:DOMAIA]2.0.CO;2 ➚

Georgia-Gopherschildkröte, Gopherus polyphemus, – © Tracey D. Tuberville
Georgia-Gopherschildkröte,
Gopherus polyphemus,
© Tracey D. Tuberville

Gopherus polyphemus ist eine bedrohte Spezies in Florida, wird aber als Schlüsselart innerhalb ihres Verbreitungsgebiets der südöstlichen USA gewertet. Allerdings hat gerade diese Spezies drastische Populationsrückgänge zu verzeichnen, die hauptsächlich durch Habitatverlust verursacht sind, und zudem kommt jetzt noch die Gefährdung durch Erkrankungen dazu. Obere Atemwegsinfektionen (Upper respiratory tract disease, URTD) ist eine hochgradig ansteckende Erkrankung, die schon früh bei den Gopherschildkrötenpopulationen in Florida 1989 nachgewiesen wurde. URTD kann auf vielfältige Ursachen und Pathogene zurück zuführen sein, wie z. B. Mycoplasma agassizii, das für Gopherschildkrötenpopulationen nachgewiesen ist (Berish et al. 2000). Die langfristigen Auswirkungen von URTD sind unbekannt, ebenso wie die demographischen Auswirkungen der Erkrankung auf diese Schildkrötenspezies. Bei dieser Untersuchung wurden 40 Plasmaproben von einer Gopherschildkrötenpopulation gesammelt, um die Verbreitung von Mycoplasma agassizii innerhalb der unterschiedlichen Altersklassen und Geschlechter zu erfassen. Es ergaben sich keine Unterschiede in Bezug auf die Infektionsrate für adulte Männchen und Weibchen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Adulte ein höheres Infektionsrisiko haben als Subadulte, sodass die Infektionsrate vom Alter der Tiere beeinflusst wird. Alle subadulten Schildkröten dieser Population erwiesen sich als seronegativ, was andeutet, dass sie vorher keiner Exposition mit Mycoplasma agassizii ausgesetzt waren. Das Wissen um die Auswirkungen dieses Pathogens ist für das Wildtiermanagement notwendig, um verschiede Möglichkeiten zum Management der Gopherschildkröten zu testen. Weiterhin zeigen die Daten dieser Studie, dass es während der vier Untersuchungsjahre zu keinen Todesfällen kam, allerdings sind weitere pathologische Untersuchungen notwendig, um zu prüfen, ob Mycoplasma agassizii der Auslöser für URTD in dieser Population ist. Diese Ergebnisse können Auswirkungen auf die so genannte „take policy“ (Entnahme bzw. Umsiedlungspraxis) in Florida haben: denn wenn Mycoplasma agassizii nicht URTD in dieser Population verursacht, und wenn das Pathogen keine Bedeutung für die Mortalitätsrate haben sollte, dann könnten Entnahmeverbote, die allein durch die Seroposititvität im Enzyme-linked immunosorbent Assay (ELISA) basieren nicht gerechtfertigt sein.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Eine interessante Studie die zum Teil die Befunde von Mccoy et al. 2007 bestätigen. Zudem scheint es sich bei M. agassizii Infektionen zumindest in der Natur um eine sexuell übertragbare Infektion zu handeln, da nur adulte Schildkröten betroffen sind. Letzteres würde auch bedeuten, dass es zu keiner übertragbaren Kontamination der Eier kommen würde. Andernfalls müsste man vermuten, dass subadulte Schildkröten noch so stressfrei leben können, dass ihr Serumtiter unter der Nachweisgrenze liegt. Aber diese Frage sollte sich leicht durch eine PCR-Analyse abklären lassen. Was aus meiner Sicht eine der vordringlichsten Maßnahmen wäre, denn wenn subadulte Gopherschildkröten wirklich frei von M. agassizii sind, ließe sich allein durch die Entfernung der Adulten eine neue pathogenfreie Population aufbauen. Mir erscheint dieser Zusammenhang aber irgendwie zu einfach. Zum einen könnten schon die Eizellen bzw. Spermien infiziert sein, sodass das Immunsystem junger Schildkröten gegen die ruhenden Pathogene erst einmal keine Antikörper produzieren würde. Denn wenn Stress dafür verantwortlich sein sollte, dass der Titer bis zur Nachweisgrenze ansteigt , dann würde vieles dafür sprechen, dass die Habitate durch Verluste und vielleicht durch Aufstockung durch Umsiedlungsmaßnahmen für die Anzahl der dort lebenden Tiere viel zu klein geworden sind, sodass der Balz- und Paarungsstress unverhältnismäßig hoch geworden ist. Auch Habitatveränderungen können zu Stressreaktionen der ansässigen Tiere führen. Welche immunologischen Konsequenzen sich daraus ergeben, entnehmen Sie bitte Tracy et al. (2006). In dieser Arbeit wird zwar eine ernährungsbedingte Hypothese diskutiert, aber optimale Ernährungsmöglichkeiten und Habitatgröße sind meist korreliert zu betrachten. Da fragt man sich manchmal, ob die klare Bekennung zu einer Mindesthabitatgröße bei den meisten Diskussionen absichtlich vernachlässigt wird, da man bei steigenden Bevölkerungszahlen und zunehmendem Landverbrauch diese Situation am schwersten im positiven Sinne beeinflussen kann. Siehe auch McCoy et al. (2007).

Literatur

Mccoy, E. D., H. R. Mushinsky & J. Lindzey (2007): Conservation strategies and emergent diseases: The case of upper respiratory tract disease in the gopher tortoise. – Chelonian Conservation and Biology 6(2): 170-176 oder Abstract-Archiv.

Tracy, C. R., K. E. Nussear, T. C. Esque, K. Dean-Bradley, C. R. Tracy, L. A. DeFalco, K. T. Castle, L. C. Zimmerman, R. E. Espinoza & A. M. Barber (2006): The importance of physiological ecology in conservation biology. – Integrative and Comparative Biology 46(6): 1191-1205 oder Abstract-Archiv.

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