Carretero, M. A., M. Znari, D. J. Harris & M. C. Mace (2005): Morphological divergence among populations of Testudo graeca from west-central Morocco. – Animal Biology 55(3): 259-279.
Morphologische Unterschiede zwischen den Populationen von Testudo graeca aus West-Zentral-Marokko
DOI: 10.1163/1570756054472854 ➚
Morphometrische Analysen wurden an Testudo graeca in West-Zentral-Marokko durchgeführt, und die Daten wurden mit den Befunden aus einer kürzlich publizierten Studie zur Variabilität innerhalb der mitochondrialen DNS verglichen. Wir maßen 41 Charakteristika bei 244 Schildkröten aus drei unterschiedlichen Lokalitäten, einschließlich einer Population von T. g. soussensis aus dem Sousstal. Alle drei Populationen ließen sich anhand ihrer Charaktere statistisch mittels der Multivarianten Distanzanalyse unterscheiden. Die Population aus den Jbiletgebirge zeigte die größten Unterschiede, wobei es keine Überlappungen mit den anderen Populationen gab. Die Populationen aus Essaouira an der Küste zeigte eine begrenzte Überschneidung (5 %) mit der Inlands-Population von Admine. Die Rate für den Geschlechtsdimorphismus (Männchen < Weibchen) blieb konstant zwischen den Lokalitäten. Die geschlechtsspezifischen Formunterschiede waren in allen Populationen ausgeprägt. Allerdings variierte der Grad der Ausprägung für einige der Merkmale zwischen den Populationen, wenn man die einzelnen Charaktere für die Körpergröße korrigierte. Die Schildkröten im Jbilet, die unter harscheren Bedingungen leben (weniger Regen, große Temperaturschwankungen, weniger Pflanzenbewuchs), waren kleiner, leichter, viel abgeflachter und weniger unterschiedlich innerhalb ihrer Population als die der Tieflandpopulationen. Auch die Admine-Population (die zur Zeit zu T g. soussensis gestellt wird) war distinkt, morphologisch abgegrenzt, allerdings waren die Unterschiede wesentlich weniger ausgeprägt als die für die Jbilet-Population. Es erwiesen sich aber auch mehrere andere, früher nur qualitative erfasster Unterschiede, die die Subspezies definieren sollen als sehr fragwürdig. Zudem stand die festgestellte morphologische Verschiedenheit in Gegensatz zu den genetischen Befunden (12S rRNS, mtDNS) die keine signifikanten Unterschiede zwischen keiner der Populationen zeigten. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die morphologischen Unterschiede sich erst vor kurzem eingestellt haben oder dass sie eine phänotypische Plastizität wiederspiegeln. Diese Möglichkeiten sollten unbedingt berücksichtigt werden, wenn morphologische Charaktere für eine taxonomische Einordnung und für das Erhaltungsmanagement herangezogen werden.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Dem kann man nur beipflichten, denn verschiedene ökologische Nischen erfordern zur Besiedlung besondere phänotypische Anpassungen, ohne dass damit gleich eine genetische Differenzierung oder Übereinstimmung verbunden sein muss. Beispiele gibt es genug, wie melanistische Exemplare ein und der selben Spezies, die höhere (kältere) Bergregionen besiedeln können, da sie sich dort schneller erwärmen können. Oder im umgekehrten Fall der Maulwurf als Säugetier und die Maulwurfsgrille als Insekt, die sicher nicht miteinander verwandt sind, aber als Anpassung an den gleichen Lebensraum beide die Vorderbeine zu Grabschaufeln entwickelt haben. Bei der oben erwähnten Gebirgspopulation ist sicher das Abflachen der Panzer als Anpassung an Schatten spendende Felsspalten oder an ausgeprägtere Grabaktivität anzusehen. So dass es gar nicht so verwunderlich ist, dass deren Morphologie (Aussehen) eher an eine Vierzehenschildkröte erinnert als an eine typische Maurische Landschildkröte. Angemerkt sei noch, dass die Arbeit sehr ausführliche Skizzen zur Vermessung der Tiere enthält.