Alcott, D., M. Long & T. Castro-Santos (2020): Wait and snap: eastern snapping turtles (Chelydra serpentine) prey on migratory fish at road-stream crossing culverts. – Biology Letters 16(9): 20200218.
Warten und zuschnappen: Östliche Schnappschildkröten (Chelydra serpentina) erbeuten wandernde Fische an den Durchflussröhren die Straßen unterqueren.
Es gibt zunehmend Hinweise dafür, dass Brückenpfeiler dazu führen, dass die Fischdichte zunimmt, da sie Breitenausdehnung der Flussläufe verschmälern wobei mehr wandernde Fische aufgehalten werden, dadurch werden diese engen Passagen zu idealen Hinterhalten für Beutegreifer. In dieser Studie nutzten wir eine Kombination aus Videoaufzeichnungen und der delta-C-13-Stabilen-Isotopenanalyse um damit die Beute-Beutegreifer-Interaktionen zwischen den Durchflussröhren zu untersuchen. Östliche Schnappschildkröten (Chelydra serpentina) wurden sehr häufig an diesen Engstellen gefunden wo sie auf die wandernden Flussheringe (Alosa spp.) lauerten. Die dort ortsansässigen Fischarten vermieden Kontakt mit den Schnappschildkröten was dazu führte, dass keine ortsansässigen Fischarten attackiert wurden. Im Gegensatz dazu zeigten die wandernden Flussheringe kein Vermeidungsverhalten und wurden von den Schnappschildkröten in 79 % der Fälle angegriffen, wobei die Fangerfolgsrate bei 15 % lag. Die Stabilen-Isotopenanalysen identifizierten eine deutliche Veränderung bei der Schildkrötenernährung hin zu mehr Flusshering speziell bei den Schildkröten die an diesen Engstellen lauerten. Eine solche Veränderung in der Nahrungszusammensetzung ließ sich bei den Schildkröten im nicht eingeengten normalen Flusslauf nicht feststellen. Diese Befunde belegen, dass die durch den Menschen eingebrachten Barrieren wie diese Straßenuntertunnelungsröhren den Beutegreifern neu Möglichkeiten bieten in dem sie ein Nadelöhr für einheimische wie wandernde Fischarten darstellen.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Nun diese Arbeit diente nicht in erster Linie dazu die Schnappschildkröten zu erforschen, sondern eher dazu sie als Fischprädatoren zu entlarven. Allerdings zeigt die Arbeit wieder einmal sehr schön und vor allem für jeden leicht verständlich wie Umweltveränderungen plastische Verhaltensanpassungen erzeugen und zwar nicht nur bei Säugetieren wie den die Lachse-fangenden Grizzlybären, sondern auch bei so angeblich „einfachen, niederen“ Tieren wie Schildkröten. Was sie dazu brauchen ist ihnen nicht als angeboren ins Ei gelegt oder vererbt worden. Was ihnen aber wohl vererbt wurde ist die Anlage ihrer Sinnesorgane und das Grundmuster für deren Verschaltung mit dem zentralen Nervensystem, welches sie zwangsläufig, um solche Umweltveränderungen zu ihren Gunsten nutzen zu können, zur Kognition befähigen muss. Was sollten wir daraus für uns als an der Natur interessierte Leser/innen lernen? Nun das Kognition auf allen ihren Entwicklungsstufen (siehe Richardson, 2010) sich als „durch die Umwelt moduliertes Verhalten“ zum Ausdruck bringt (siehe Kommentar zu: Szabo et al., 2020). Was besagt das letztendlich? Nun das besagt, dass wir selbst davon gar nicht soweit, entfernt stehen und lediglich unsere komplexere soziale Umwelt dafür sorgt, dass wir auch komplexere, kognitive Eigenschaften entwickelt haben, die auch die Grundlage dessen sind was wir uns als sogenanntes Selbstbewusstsein zu billigen. Oder gibt es das vielleicht in der Form gar nicht? Vielleicht lohnt es sich einmal darüber nachzudenken! Ganz sicher könnte es uns aber dabei helfen unsere Mitbewohner auf diesen Planeten besser einzuschätzen und vielleicht auch etwas mehr zu achten.
Literatur
Richardson, K. (2010): The Evolution of Intelligent Systems: How Molecules became Minds. – Palgrave & MacMillan, New York, S. 234; DOI: 10.1057/9780230299245 ➚.
Szabo, B., D. W. A. Noble & M. J. Whiting (2020): Learning in non-avian reptiles 40 years on: advances and promising new directions. – Biological reviews of the Cambridge Philosophical Society 96(2): 331-356 oder Abstract-Archiv.
Galerien
Chelydra serpentina – Schnappschildkröte