Kreffts Spitzkopfschildkröte, Emydura macquarii krefftii, zwei mondbadende Exemplare am Rossfluss – © Eric J. Nordberg

Russell - 2023 - 01

Russell, S. R., R. Sultana, N. Y. Rangers & E. J. Ens (2023): Mepimbat tedul proujek: Indigenous knowledge of culturally significant freshwater turtles addresses species knowledge gaps in Northern Australia. – Austral Ecology 48(7): Early Access.

Mepimbat tedule proujek: Indigenes Wissen über die kulturell wichtigen Süßwasserschildkröten verweist auf Lücken in Bezug zum Wissen über Schildkrötenarten im nördlichen Australien.

DOI: 10.1111/aec.13353 ➚

Kreffts Spitzkopfschildkröte, Emydura macquarii krefftii, – © Eric J. Nordberg
Kreffts Spitzkopfschildkröte,
Emydura macquarii krefftii,
zwei mondbadende Exemplare
am Rossfluss
© Eric J. Nordberg

Indigenes biokulturelles Wissen liefert wertvolle Erkenntnisse für die Arterhaltung, allerdings ähnlich der biologischen Diversität ist auch das damit assoziierte kulturelle Wissen häufig von Verlust bedroht. Diese Arbeit zeigt wie indogenes, biokulturelles Wissen in Bezug zur Artenkenntnis dazu beitragen kann die Wissenslücken in Bezug zum Vorkommen von Arten und damit zu deren Erhaltung schließen kann, und zwar am Beispiel einer Fallstudie aus der Südost-Arnhem-Land Schutzzone (SEAL IPA) im Norden Australiens. Unter Durchführung einer Serie von Workshops zum Kartieren und mittels Interviews zeichnete dieses Zusammenarbeitsprojekt das indogene Wissen über die Verbreitung, Ökologie, Wichtigkeit in Bezug zur Kultur und die Gefährdungen von Süßwasserschildkröten („freshwoda teduls“ in der lokalen Sprache der Einheimischen, Roper River Kriol) auf. Basierend auf deren früheren Jagderfahrung in Bezug auf „freshwoda teduls“ identifizierten 74 Eingeborene mit Schildkrötenkenntnis 753 frühere Süßwasserschildkrötenvorkommen und lieferten damit einen deutlichen Beitrag zu den bislang der Wissenschaft bekannten 12 Vorkommen die in der Liste für das SEAL IPA in Australien in der Online-Datenbank dem Atlas für „Living Australia“ aufgeführt sind. Erwähnenswert ist hierbei, dass es sich dabei um die ersten Erinnerungsberichte für frühere Artenvorkommen (Sichtungen) durch die indogene Bevölkerung handelt, die anerkannt ist und die in Australiens Nationale Artendatenbank aufgenommen wurde. Zusätzlich wurde ein Blog, der diese wissenschaftlichen Forschungen zusammenfasst, durch die Datenbank „Atlas of Living Australia“ initiiert der auf das indogene biokulturelle Wissen im Zusammenhang mit Artenkenntnis aufmerksam macht. Das Mepimbat Tedul Proujek verweist auf die kulturelle Bedeutung von „freshwoda teduls“ und berichtet über deren Abundazrückgänge (Populationsrückgänge) seit der Jahrhundertwende wofür insbesondere große Huftiere (Wiederkäuer, Rinder, Büffel und Schweine) sowie die Abnahme bei den Regenfällen verantwortlich gemacht werden. Die Aufnahme von nicht mit religiösen Belangen verknüpftes Wissen der Eingeborenen in die freiverfügbaren Online-Artendatenbanken bietet eine innovative Möglichkeit dieses Wissen zu speichern und für den Austausch von indogenen Wissen mit den Möglichkeiten für ein interkulturelles Lernen zu nutzen das zwischen den Generationen erfolgen kann und das eine breitere Anwendung innerhalb des Erhaltungsmanagement und zur Entscheidungsfindung bietet.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich um eine sehr interessante Arbeit, die verdeutlicht, welches Wissen häufig verloren gehen kann, wenn man nicht auf die Erfahrung von Eingeborenen oder von schon älteren Naturbeobachtern, Jägern oder auch Wilderern hört. Denn wie dieses krasse Beispiel zeigt, besteht zwischen den 753 den Einheimischen bekannten (zum Teil früheren) Vorkommen und den der modernen Wissenschaft bislang bekannten 12 schon ein gravierender Unterschied. Ja und sicher erkennt man aus solchen Schilderungen auch, welche räumlichen Zusammenhänge es früher zwischen noch existierenden Populationen gegeben haben mag. Letzteres sind ja Erkenntnisse, die für die Beurteilungen von Genflüssen zwischen den Populationen einzelner Arten essentiell für deren Erhaltung sind. Gerade weil man oft dazu neigt, lokal weiter voneinander getrennte Populationen gern als eigenständige Erhaltungslinien anzusehen. Etwas, das wahrscheinlich nicht unbedingt der Erhaltung dienlich ist, wenn man die früheren räumlichen Zusammenhänge nicht kennt oder vernachlässigt. Siehe dazu auch: Fordham et al., (2007a,b) oder Gallardo-Alvárez et al., (2019) und die dortigen Kommentare.

Literatur

Fordham, D. A., A. Georges & B. W. Brook (2007a): Demographic response of snake-necked turtles correlates with indigenous harvest and feral pig predation in tropical northern Australia. – Journal of Animal Ecology 76(6): 1231-1243 oder Abstract-Archiv.

Fordham, D. A., A. Georges & B. Corey (2007b): Optimal conditions for egg storage, incubation and post-hatching growth for the freshwater turtle, Chelodina rugosa: Science in support of an indigenous enterprise – Aquaculture 270(1-4): 105-114 oder Abstract-Archiv.

Gallardo-Alvárez, M. I., J. M. Lesher-Gordillo, S. Machkour-M’Rabet, C. E. Zenteno-Ruiz, L. D. Olivera-Gómez, M. d. R. Barragán-Vázquez, L. Ríos-Rodas, A. Valdés-Marín, H. G. Vázquez-López & S. L. Arriaga-Weiss (2019): Genetic diversity and population structure of founders from wildlife conservation management units and wild populations of critically endangered Dermatemys mawii. – Global Ecology and Conservation 19: e00616 oder Abstract-Archiv.

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