Waldschildkröte, Chelonoidis denticulata, zwei in freier Wildbahn während einer Studie gefundene Exemplare – © Thais Queiroz Morcatty

Morcatty - 2020 - 01

Morcatty, T. Q., A. S. Tavares, V. Nijman & J. Valsecchi (2020): Adapting a Traditional Hunting Technique to Improve Capture Rates for the Endangered Yellow-Footed Tortoise (Chelonoidis denticulatus) during Ecological Surveys in Amazonia. – Journal of Ethnobiology 40(2): 252-267.

Die Anpassung einer traditionellen Jagdtechnik um die Fangraten für die bedrohte Waldschildkröte (Chelonoidis denticulatus) während ökologischer Bestandserfassungen in Amazonien zu erhöhen.

DOI: 10.2993/0278-0771-40.2.252 ➚

Waldschildkröte, Chelonoidis denticulata, – © Thais Queiroz Morcatty
Waldschildkröte,
Chelonoidis denticulata,
© Thais Queiroz Morcatty

Das Fehlen von kostengünstigen und effektiven Methoden zum Auffinden von bejagten Tierarten in tropischen Wäldern behindert die verlässliche Erfassung von deren Populationsstatus und verhindert die Planbarkeit von effektiven Erhaltungsmaßnahmen die auch dazu dient deren nachhaltige Nutzung zu ermöglichen. Landschildkröten gehören zu den am meisten bejagten Arten in Amazonien, aber sie sind mit den derzeitigen wissenschaftlich genutzten Methoden nur sehr schwer in der Wildnis ausfindig zu machen. Die traditionellen Jäger in den betreffenden Regionen nutzen zum Fang von Landschildkröten spezielle Methoden und das Kennen und Nutzen dieser Fangmethoden könnte wertvolle Erkenntnisse darüber liefern wie man die Bestandüberwachungstechniken verbessern könnte um damit die wissenschaftliche Erforschung dieser Spezies zu verbessern. Hier in dieser Studie vergleichen wir die Fangraten und Kostennutzenerfassung von zwei Fangmethoden für die Waldschildkröte (Chelonoidis denticulata) in Amazonien. Das konventionelle aktive Suchen von Schildkröten und die angepasste Fallgrubenfangmethode unter Benutzung von, von den Schildkröten bevorzugten Futterködern die von einheimischen und nicht-einheimischen Landschildkrötenjägern traditionell verwendet werden. Wir untersuchten 40 Lokalitäten in höher gelegenen Waldbereichen und im tiefer liegenden Wildwasserüberflutungswald während der Trocken- und Regenzeit in Zentralamazonien, wobei wir 37 Waldschildkröten fingen. Die höchste Fangrate (0.29 Landschildkröten/Stunde) wurde mit Fallen in den höhergelegenen Waldbereichen erreicht und diese Fangquote war viermal höher als bei der „Aktiven-Suche“. Die Fallenfangmethode war auch kostengünstiger als die Aktive-Suche (US$63 vs. US$256 pro gefangener Landschildkröte). Unsere Fangrate mit den Fallen war auch 67 Mal höher im Vergleich zu jener die mit der Linien-Transektmethode im westlichen und nördlichen Amazonien erreicht worden war. Der Erfolg der mit dieser weitverbreiteten Fangtechnik erreicht werden konnte ist das Ergebnis einer Jahrhunderte alten Jägererfahrung basierend auf dem traditionellen Wissen welches in der Amazonasregion vorhanden ist. Das Bekanntwerden dieser effektiven und kostengünstigen Methode zum Landschildkrötenfang zeigt wie wichtig der Wissenstransfer zwischen traditionellen und wissenschaftlichen Vorgehensweisen ist. Effiziente schonende Fangmethoden sorgen dafür, dass solche Tierarten in Langzeitüberwachungsprogramme integriert werden können und helfen dabei In situ-Studien zu initiieren die die Entwicklung von Strategien zu deren Arterhaltung ermöglichen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hierbei handelt es sich wieder um eine Arbeit die verdeutlicht wie lange schon Schildkröten zur Ernährung zumindest von der einheimischen Bevölkerung genutzt wurden. Ja und auch hier muss man gerechterweise, dass diese Nutzung durch die einheimische Bevölkerung wohl über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende (siehe Jugli et al., 2019; Nabais & Zilhão, 2019; Pantoja-Lima et al., 2014; Thompson & Henshilwood, 2014; Schneider et al., 2011 und die dortigen Kommentare) nicht zum Verschwinden der betroffenen Spezies geführt hat. Denn wenn diese Praktiken zu einer schon früher erfolgten Ausrottung geführt hätten, wären diese Fangtechniken heute nicht mehr bekannt, denn sie wurden in früheren Jahrhunderten ja nur mündlich überliefert von jenen die sie praktizierten. Es müssen also für deren heutige Bestandbedrohungen Gründe angeführt werden die erst in jüngster Zeit eingetreten sind (Jeitner & Jeitner, 2011). Selbst wenn wir den Haustierhandel einmal als nur eine der Ursachen betrachten wird auch deutlich, dass wie schon des Öfteren angeführt alleine ein politischer Machtwechsel zur massiven Vernichtung von Habitaten führen kann, wie wir es gerade durch die Brände in Brasilien erleben. Insofern ist es ja vielleicht hilfreich, wenn nun die Wissenschaft sich dieser Methoden noch zur Bestandserfassung bedienen kann. Allerdings ob das Ziel die lokale Bevölkerung damit langfristig und nachhaltig mit in die Erhaltungsprojekte zu integrieren umsetzbar und wirklich als langfristig zu realisieren wäre bleibt eine offene, denn wie wir heute zunehmend wahrnehmen sind solche Vorhaben häufig allein vom politischen Willen und den Wirtschaftsinteressen abhängig. Siehe dazu auch Attum et al., (2007; 2008) und die dortigen Kommentare und man sollte sich auch durchaus die Frage stellen existieren diese von Attum et al. Beschriebenen Populationen noch? Zumindest habe ich schon lange nichts mehr davon gehört oder gelesen.

Literatur

Attum, O., M. B. El Din, S. B. El Din & S. Habinan (2007): Egyptian tortoise conservation: A community-based, field research program developed from a study on a captive population. – Zoo Biology 26(5): 397-406 oder Abstract-Archiv.

Attum, O., B. Rabea, S. Osman, S. Habinan, S. M. B. El Din & B. Kingsbury (2008): Conserving and studying tortoises: A local community visual-tracking or radio-tracking approach? – Journal of Arid Environments 72(5): 671-676 oder Abstract-Archiv.

Jeitner, F. & A. Jeitner (2011): Illegaler Handel und Verzehr von geschützten Schildkröten im peruanischen Amazonasgebiet. – Schildkröten im Fokus 8(1): 24-30 ➚.

Jugli, S., J. Chakravorty & V. B. Meyer-Rochow (2019): Zootherapeutic uses of animals and their parts: an important element of the traditional knowledge of the Tangsa and Wancho of eastern Arunachal Pradesh, North-East India. – Environment, Development and Sustainability 22(5): 4699-4734 oder Abstract-Archiv.

Nabais M. & J. Zilhão (2019): The consumption of tortoise among Last Interglacial Iberian Neanderthals. – Quaternary Science Reviews 217: 225-246 oder Abstract-Archiv.

Pantoja-Lima, J., P. H. Aride, A. T. de Oliveira, D. Félix-Silva, J. C. Pezzuti & G. H. Rebêlo (2014): Chain of commercialization of Podocnemis spp. turtles (Testudines: Podocnemididae) in the Purus River, Amazon basin, Brazil: current status and perspectives. – Journal of Ethnobiology and Ethnomedicine Ethnomedicine 10: 8 oder Abstract-Archiv.

Schneider, L., C. R. Ferrara, R. C. Vogt & J. Burger (2011): History of Turtle Exploitation and Management Techniques to Conserve Turtles in the Rio Negro Basin of the Brazilian Amazon. – Chelonian Conservation and Biology 10(1): 149-157 oder Abstract-Archiv.

Thompson, J. C. & C. S. Henshilwood (2014): Nutritional values of tortoises relative to ungulates from the Middle Stone Age levels at Blombos Cave, South Africa: Implications for foraging and social behaviour. – Journal of Human Evolution 67: 33-47 oder Abstract-Archiv.

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