Aldabra-Riesenschildkröte, Aldabrachelys gigantea, – © Hans-Jürgen Bidmon

Balmer - 2011 - 01

Balmer, O., Ciofi, C., Galbraith, D. A., Swingland, I. R., Zug, G. R. & A. Caccone (2011): Population Genetic Structure of Aldabra Giant Tortoises. – Journal of Heredity 102(1): 29-37.

Die populationsgenetische Struktur der Aldabrariesenschildkröten.

DOI: 10.1093/jhered/esq096 ➚

Aldabra-Riesenschildkröte, Aldabrachelys gigantea, – © Hans-Jürgen Bidmon
Aldabra-Riesenschildkröte,
Aldabrachelys gigantea,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Evolution von Populationsstrukturen auf Inseln ist das Ergebnis von physikalischen Prozessen die mit Vulkanismus, Veränderungen der Erdoberfläche, Schwankungen des Meeresspiegels und den damit verbundenen Habitatveränderungen einhergehen. Wir untersuchten das Muster der genetischen Struktur bei Populationen der Riesenschildkröten des Aldabra-Atolls. Kürzlich erfolgte ökologische Studien ließen vermuten, dass es zu Aufspaltungen der Population als Ergebnis einer Diskontinuität in der Landschaftsformation gekommen ist. Dadurch wurden Subpopulationen durch unbesiedelbare Landstriche getrennt.
Die Analyse der Kontrollsequenzen der mitochondrialen DNS (mtDNS), und die allelische Variation von 8 Mikrosatelliten-Loci wurde durchgeführt. Die Proben wurden an drei verschiedenen Orten auf den zwei Hauptinseln von Aldabra gesammelt. Wir konnten keine Unterschiede der mtDNS-Sequenzen nachweisen.
Dieses Ergebnis unterstützt frühere Arbeiten die auf das Auftreten eines Gründungsereignisses (Besiedlung) während der letzten interglazialen Periode (Zwischen den Eiszeiten) und einer weiteren Abnahme der genetischen Variabilität in der Vergangenheit hinweisen. Andererseits konnte eine signifikante Populationsstruktur durch die Analyse der nukleären Loci nachgewisen werden. Dies deutet auf eine allopatrische Aufspaltung (Artbildung durch räumliche Trennung) hin, die auf geographischen Barrieren zwischen den Inseln, sowie auf ökologischen Faktoren, welche die Bewegung der Schildkröten innerhalb der Inseln einschränken, zurückzuführen sind. Dies ist der erste Versuch die Populationsgenetik der Aldabrariesenschildkröten zu untersuchen, die derzeit eine bedeutende Rolle in diesem isolierten terrestrischen Ökosysteme spielen indem ökologische Faktoren einen großen Einfluss auf die Populationsdynamiken haben.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Arbeit zeigt wie etliche andere zur Populationsgenetik der Galapagosschildkröten dieser Arbeitsgruppe, welche Möglichkeiten die neuen molekularbiologischen Ansätze im Vergleich mit früheren ökologisch-systematischen Studien bieten (siehe Anmerkung zu Chiari et al., 2009; Russello et al., 2007; Anmerkung zu Boero et al., 2010). Im Grunde genommen sehen wir auch hier, dass das Studium der mitochondrialen DNS für einen Abstammungs- und Herkunftsnachweis, selbst über Generationen hinweg, geeignet ist, während das Studium der nukleären DNS eher Auskunft über vor kurzem erfolgte Veränderungen im Sinne von Populationsaufspaltung, Unterarten- bzw. Artenbildung ermöglicht.
Diese können durchaus hilfreich sein, um Unterschiede die mit den Methoden der klassischen Systematik erarbeitet wurden zu stützen, ja sogar die Ursachen bzw. genetischen Grundlagen für die festgestellten Formveränderungen (Abweichungen im Phänotyp) zu erklären.
Das diese Erkenntnisse und das historische (räumlich-zeitliche) Verständnis dieser Veränderungen der Populationsdynamik der unterschiedlichsten Organismen dieser Inselökosysteme von Bedeutung sein kann wird auch klar, wenn man sie in Bezug zu den Arbeiten von Gibbs et al., (2010); Griffiths et al., (2010) und Hansen et al., (2010) sieht.

Literatur

Boero, F. (2010): The Study of Species in the Era of Biodiversity – A Tale of Stupidity. – Diversity 2(1): 115-126 oder Abstract-Archiv.

Chiari, Y., C. Hyseni, T. H. Fritts, S. Glaberman, C. Marquez, J. P. Gibb, J. Claude & A. Caccone (2009): Morphometrics Parallel Genetics in a Newly Discovered and Endangered Taxon of Galapagos Tortoise. – PLoS One 4 (7): e6272. doi:10.1371/journal.pone.0006272 oder Abstract-Archiv.

Gibbs, J. P., E. J. Sterling & F. J. Zabala (2010): Giant Tortoises as Ecological Engineers: A Long-term Quasi-experiment in the Galapagos Islands. – Biotropica 42(2): 208-214 oder Abstract-Archiv.

Griffiths, C. J., C. G. Jones, D. M. Hansen, M. Puttoo, R. V. Tatayah, C. B. Mueller & S. Harris (2010): The Use of Extant Non-Indigenous Tortoises as a Restoration Tool to Replace Extinct Ecosystem Engineers. – Restoration Ecology 18(1): 1-7 oder Abstract-Archiv.

Hansen, D. M., C. J. Donlan, C. J. Griffiths, & K. J. Campbell (2010): Ecological history and latent conservation potential: large and giant tortoises as a model for taxon substitutions. – Ecography 33(2): 272-284 oder Abstract-Archiv.

Russello, M. A., C. Hyseni, J. P. Gibbs, S. Cruz, C. Marquez, W. Tapia, P. Velensky, J. R. Powell & A. Caccone (2007): Lineage identification of Galapagos tortoises in captivity worldwide. – Animal Conservation 10(3): 304-311 oder Abstract-Archiv.

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