Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon

Ibáñez - 2014 - 02

Ibáñez, A., A. Marzal, P. Lopez & J. Martin (2014): Chemosensory assessment of rival body size is based on chemosignal concentration in male Spanish terrapins. – Behavioral Ecology and Sociobiology 68(12): 2005-2012.

Das chemosensorische Überprüfen der Körpergröße von Rivalen basiert bei der spanischen Bachschildkröte auf der Feststellung der Konzentration des chemischen Signals.

DOI: 10.1007/s00265-014-1806-8 ➚

Maurische Bachschildkröte, Mauremys leprosa, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Bachschildkröte,
Mauremys leprosa,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Erkennung der Stärke und Angriffsfähigkeit von potentiellen Konkurrenten ist eine essentielle Fähigkeit, um die Kosten solch aggressiver Auseinandersetzungen zu minimieren. Frühere Untersuchungen zeigten, dass chemische Signalstoffe, die von den männlichen Schildkröten ins Wasser abgegeben werden, Informationen über deren Körpergröße signalisieren, was eine wichtige Voraussetzung für die innerartliche Konkurrenz darstellt. Trotzdem blieb der Mechanismus für diesen Austausch chemischer Informationssignale nur unzureichend verstanden. Hier in dieser Studie verfolgten wir das Ziel experimentell auszutesten, ob die Ausschüttung dieser chemischen Informationssignale über die Körpergröße der spanischen Bachschildkröten, Mauremys leprosa von deren Quantität oder deren Qualität abhängt. Wir verglichen dazu die Zeit, die die jeweiligen Schildkröten in einem Tank mit reinem Wasser verbrachten, mit der Zeit, die sie in einem Tank Wasser verbrachten, der chemische Signalstoffe enthielt, die von unterschiedlich großen Männchen stammten und die in zwei unterschiedlichen Konzentrationen angeboten wurden (nämlich verdünnt und unverdünnt). Männliche Schildkröten vermieden den Aufenthalt in Wasser, das chemische Signalstoffe von größeren Männchen enthielt, wenn diese in unverdünnter Konzentration angeboten wurden, aber nicht, wenn diese in verdünnter Konzentration angeboten wurden. Im Gegensatz dazu vermieden die Männchen der spanischen Bachschildkröte unabhängig von deren Konzentration nicht den Aufenthalt in Wasser, das Signalstoffe von Männchen enthielt, die kleiner waren als sie selbst. Demnach scheinen männliche M. leprosa die Größe ihrer Konkurrenten anhand der Konzentration oder der Menge der ins Wasser abgegebenen chemischen Signalstoffe zu überprüfen, wobei sie es vermeiden, in die Teiche einzuwandern, in denen die Konzentration dieser Signalstoffe am höchsten ist. Diese Studie liefert daher wichtige Hinweise über den Mechanismus der chemischen Signalübermittlung bei Wasserschildkröten und zeigt, dass männliche Schildkröten zwischen den unterschiedlichen Konzentrationen dieser von ihren Konkurrenten stammenden Signalstoffe unterscheiden können, um ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Zudem lassen unsere Ergebnisse den Schluss zu, dass die relative Körpergröße einen Schlüsselfaktor für innerartliche Auseinandersetzungen bei männlichen spanischen Bachschildkröten darstellt.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Sicherlich eine interessante Studie, die aber trotzdem ihre eingangs gestellte Frage nicht wirklich besser beantwortet als die vorhergehenden Studien. Denn für mein Dafürhalten zeigt die Studie ja gerade, dass es wohl eher die Qualität, also die Verschiedenheit der Signalstoffe zwischen großen und kleinen Männchen ist, die zu diesen Unterschieden führt und nicht wie hier sehr kurzgedacht, die Konzentration. Denn die wirkliche Konzentration der Signalstoffe wurde hier gar nicht bestimmt. Es könnte also durchaus sein, dass kleinere Männchen Signalstoffe zwar in gleicher Konzentration, aber in etwas unterschiedlicher Zusammensetzung abgeben, denn daran könnten dann größere Männchen auch erkennen, dass der Konkurrent kleiner ist. Letzteres könnte man nur ausschließen, wenn man die Signalstoffe der kleineren Männchen aufkonzentrieren würde und sie dann den größeren anbieten würde. Der Tatsache, dass die männlichen Schildkröten die verdünnten Signalstoffe größerer Männchen nicht meiden, könnte auch zugrundeliegen, dass diese Signale zwei Informationen übermitteln, nämlich zum einen die Körpergröße des Konkurrenten und zum anderen dessen Entfernung, denn mit zunehmender Entfernung würde in einem Bach auch die Konzentration der Signalstoffe aufgrund des Verdünnungseffekts abnehmen. Es bleibt also hier völlig unklar, ob die Konzentration der Signalstoffe, die von relativ kleineren Männchen stammt, in unverdünnter Form wirklich geringer ist. Wie schon die Studie von Poschadel et al. (2006) für Emys orbicularis gezeigt hat können solche Signale in Bezug auf ihren Informationsgehalt durchaus unterschiedlich und vielfältiger sein. Mir erscheint es auch etwas weit hergeholt zu vermuten, dass gerade für Schildkröten, die nicht nur stehende Gewässer besiedeln, sondern auch in Bachläufen mit fließenden Wasser leben, nur die Konzentration ausschlaggebend sein sollte, da dies ein sehr kostspieliges Unterfangen für den Signalgeber wäre, denn der müsste die Ausschüttung seiner Signalstoffe in dem Fall immer der abfließenden Wassermenge oder der Wassermenge im Tümpel anpassen, um die Konzentration entsprechend hoch zu halten. Letzteres halte ich aber für unwahrscheinlich. Deshalb bleibt eigentlich zur Beantwortung der eingangs gestellten Frage nur die Analyse der chemischen Signalstoffe übrig, um wirklich zu klären, ob deren Konzentration oder deren Qualität die ausschlaggebende Rolle spielt. Dennoch bedeutet das ganz klar für die Haltung männlicher Bachschildkröten, dass sich unterschiedlich große Männchen nur stressfrei in völlig getrennten Becken halten lassen, oder die Becken müssen so groß sein, dass das kleinere Männchen sich immer weit entfernt vom größeren Männchen aufhalten kann, so dass dessen Signalstoffe nie eine bestimmte kritische Konzentration übersteigen.

Literatur

Poschadel, J. R., Y. Meyer-Lucht & M. Plath (2006): Response to chemical cues from conspecifics reflects male mating preference for large females and avoidance of large competitors in the European pond turtle, Emys orbicularis. – Behaviour 143(5): 569-587 oder Abstract-Archiv.

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