Landkarten-Höckerschildkröte, Graptemys geographica, veröltes Tier nach der Süßwasser-Ölpest – © Joshua G. Otten

Refsnider - 2023 - 01

Refsnider, J. M., N. Torres, J. C. Otten (2023): No Evidence of Long-Term Effects on Physiological Stress or Innate Immune Functioning in Northern Map Turtles a Decade After a Freshwater Oil Spill. – Herpetologica 79(1): 22-29.

Keine Beweise für langfristige Auswirkungen auf physiologischen Stress oder angeborene Immunfunktionen bei Landkarten-Höckerschildkröten ein Jahrzehnt nach einer Süßwasser-Ölpest.

DOI: 10.1655/Herpetologica-D-22-00019 ➚

Landkarten-Höckerschildkröte, Graptemys geographica, – © Grégory Bulté
Landkarten-Höckerschildkröte,
Graptemys geographica,
© Grégory Bulté

Umweltstörungen wie chemische Einleitungen resultieren häufig zu schnell einsetzenden Gesundheitsproblemen bei Organismen und zu Ökosystemschädigungen. Allerdings sind oft die Langzeitauswirkungen weniger gut bekannt oder verstanden. Im Juli 2010 führte eine eingerissene Pipeline zur Einleitung von verdünnten Bitumen in den Kalamazoofluss in Michigan, USA wodurch letztendlich 56 km Flusslauf verölt wurden. Während der Reinigungsarbeiten handelte es sich bei den am häufigsten aufgegriffen Tieren um die nördliche Landkartenschildkröte (Graptemys geographica) von der über 2.000 Individuen entlang des von der Ölkatstrophe graduell in 2010 betroffen Flussabschnitt zurück um zu untersuchen ob die Schildkröten entlang des Verschmutzungsgradienten noch unterschiedlich schwere Stressfaktoren und Immunsystembeeinträchtigungen in 2020, also 10 Jahre nach der Katastrophe aufwiesen. Wir sammelten dazu Blutproben von 100 Individuen der nördlichen Landkartenschildkröte entlang des Ölverschmutzungsgradienten und quantifizierten das Verhältnis von Heterophilen zu Lymphozyten, die Bakterienabtötungskapazität sowie die natürliche Antikörperagglutination. Wir fanden keine Korrelationen zwischen den Schildkröten die 2020 in den gleichen Lokalitäten schon in 2010 gefangen worden waren und zwar weder für das Stressniveau (Heterophile:Lymphozytenverhältnis) noch für die Immunfunktionen (Bakterienabwehrkapazität und natürliche Antikörperagglutinationsfähigkeit). Somit fanden wir keine Hinweise dafür, dass nördliche Landkartenschildkröten entlang des Gradienten der Ölverschmutzung im Kalamazoofluss Langzeitschäden in Bezug auf das physiologische Stressniveau und die Immunfunktion davongetragen haben. Wichtig dabei ist, dass man im Blick behält, dass dabei natürlich alle Schildkröten die während der Zeit von 2010-2020 infolge der Ölkatastrophe verstorben sind nicht berücksichtigt werden konnten, sodass unsere Untersuchung einer Verschiebung hin zu Untersuchungen an „gesunden“ Schildkröten innerhalb der Population unterliegt. Interessanterweise fanden wir, dass eine Untergruppe an Schildkröten von denen bekannt war, dass sie 2010 verölt aufgegriffen worden waren aktuell höhere Antikörpertiter aufwiesen als die Schildkröten die in einer Kontrollregion gefangen wurden, die nie von Ölverschmutzung betroffen war. Wir können deshalb nicht die Möglichkeit ausschließen, dass es zu anderen Langzeiteffekten der Ölkatastrophe in der Landkartenschildkrötenpopulation gekommen ist, wie zum Beispiel, einer erniedrigten Reproduktionsrate. Wir empfehlen deshalb die Langzeitüberwachung der Population und deren Ökosysteme damit auch solche Daten in die Pläne für das zukünftige Ölkrisenmanagement aufgenommen werden können und um alle Auswirkungen die möglicherweise erst Jahre nach einer Katastrophe auftreten zu dokumentieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Vielleicht fragen sich ja einige warum die Autoren hier in Bezug auf die zukünftigen Untersuchungen auf die Reproduktionsrate verweisen? Sicherlich weil die von der Ölkatastrophe betroffenen Schildkröten gegenüber der mituntersuchten Kontrollgruppe, höhere Antikörpertiter zeigten. Denn zwischen dem Energie- und Ressourcenaufwand der für das Immunsystem benötigt wird gibt es oft eine Kosten-Nutzenabwägung in Bezug auf die Ressourcen die für die Reproduktion genutzt werden können (Siehe dazu auch Bronikowski et al., (2023) und den dortigen Kommentar). Allerdings wäre es hier auch interessant gewesen zu schauen, ob es zu Veränderungen in Bezug auf die Schlupfraten während der ersten Jahre nach der Katastrophe gekommen sein könnte, da ja aufgenommene Schadstoffe auch von den Muttertieren in die Eier gelangt sein könnten. Ein Effekt der sich sicher nach 10 Jahren schon wesentlich abgeschwächt haben kann. Siehe auch Luiselle et al., (2006).

Literatur

Bronikowski, A. M., A. R. Hedrick, G. A. Kutz, K. G. Holden, B. Reinke & J. B. Iverson (2023): Sex-specific innate immunity and ageing in long-lived fresh water turtles (Kinosternon flavescens: Kinosternidae). – Immun Ageing 20(1): 11 oder Abstract-Archiv.

Luiselli, L., G. C. Akani & E. Politano (2006): Effects of habitat alteration caused by petrochemical activities and oil spills on the habitat use and interspecific relationships among four species of Afrotropical freshwater turtles. – Biodiversity and Conservation 15(11): 3751-3767 oder Abstract-Archiv.

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