Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen Bidmon
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Merleau - 2024 - 01

Merleau, L.-A., O. Lourdais, A. Olivier, M. Vittecoq, G. Blouin-Demers, F. Alliot, L. Burkart, Y. Foucault, C. Leray, E. Migne & A. Goutte (2024): Pesticide concentrations in a threatened freshwater turtle (Emys orbicularis): Seasonal and annual variation in the Camargue wetland, France. – Environmental Pollution 341: 122903.

Pestizidkonzentrationen in gefährdeten Süßwasserschildkröten (Emys orbicularis): Saisonale und jährliche Schwankungen in einem Feuchtgebiet der Camargue, Frankreich.

DOI: 10.1016/j.envpol.2023.122903 ➚

Europäische Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, – © Hans-Jürgen-Bidmon
Europäische Sumpfschildkröte,
Emys orbicularis,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Feuchtgebiete gehören zu den am meisten bedrohten Ökosytemen des Planeten und deren Verschmutzung ist einer der Hauptfaktoren der zur Biodiversitätsabnahme in Feuchtgebieten führt. Trotz der zunehmenden Nutzung von Pestiziden, sind deren Verbleib und Auswirkungen zum größten Teil unbekannt. Wir untersuchten hier Europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) eine langlebige Art mit einem Risiko hohen Pestizidkonzentrationen ausgesetzt zu sein. Zwischen 2018 und 2020 bestimmten das Vorkommen von 29 Pestiziden und deren Metabolie in 408 Blutproben von Schildkröten aus zwei Populationen in den Feuchtgebieten der Camargue (Frankreich). Wir waren in der Lage 24 Substanzen und mindestens eines der Pestizide oder eines der Pestizidabbauprodukte in 62,5 % der Proben zu messen. Das Pestizidvorkommen und die Konzentrationen waren im Allgemeinen niedrig, mit Ausnahme eines Herbizids welches sehr weitverbreitet im Reisanbbau eingesetzt wird und das auch lokal im Wasser nachweisbar war: Bentazon erreichte dabei auch hohe Konzentrationen im Blut von E. orbicularis. Das Vorhandensein sowie die Konzentration der Pestizide im Blut von E. orbicularis war hauptsächlich vom Datum der Probenentnahme im Zusammenhang mit dem jeweiligen Pestizideinsatz abhängig. Die individuellen Charakteristika der Schildkröten (Geschlecht, Alter, Körperkondition) lieferten keine Erklärung für das Vorhandensein und die Konzentrationen der Pestizide im Blut. Die Erfassung der Pestizidexposition bei aquatischlebenden Wildtieren als Gesamtcocktail der derzeit eingesetzten Pestizide ist einer der ersten und wichtigsten Schritte, bevor man überhaupt anfängt, die Auswirkungen auf Individual- und Populationsniveau zu analysieren.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Wieder einmal eine ernst zu nehmende Studie zum Pestitzid- und Herbizideinsatz in der Landwirtschaft und dessen Auswirkung auf Fauna und Flora. Im Grunde genommen, ist die Aussage, dass die Blutkonzentrationen im Allgemeinen niedrig waren durch den Befund, dass die Messwerte stark vom Zeitpunkt der Blutprobenentnahme im Jahreszyklus abhängt dennoch nicht zu unterschätzen, da die Lebewesen wie hier die Schildkröten eben nur zu der Zeit, wo eines dieser Pestizide im Jahresverlauf eingesetzt wird, erhöht auftritt. Da aber davon auszugehen ist, dass hier anscheinend mindestens 24 nachweisbare Pestizide bzw. Herbizide zu verschieden Zeiten im Jahreszyklus Anwendung finden, müssen in diesem speziellen Fall die Sumpfschildkröten mit diesem Pestidzidcocktail fertig werden. Dabei haben die Sumpfschildkröten noch einen entscheidenden Vorteil gegenüber den hauptsächlich terrestrisch lebenden Arten dadurch, dass sie sich fast ganzjährig in größeren Wasserstellen aufhalten, denn an Land wo sich die Pestizide, die mit dem Regenwasser von den Agrarflächen abfließen, in Pfützen oder kleinen Tümpeln ansammeln und dann durch die Wasserverdunstung zunehmend aufkonzentrieren dürfte die Konzentration dieses Pestizidcocktails noch viel höher ausfallen. Davon könnten dann aber durchaus auch Schlüpflinge, die auf ihrem Weg vom Nistplatz zum nächstgrößeren Gewässer solche kleinen Pfützen und Tümpel nutzen, zumindest zeitweise noch stärker betroffen sein. Auf alle Fälle trifft das aber für Tiere, die an solchen Pfützen trinken und die meisten Insekten zu (Siehe dazu auch Mendonca et al., 2023a,b und die dortigen Kommentare). Solche Messungen im Abflusswasser von Agrarflächen werden, wenn überhaupt nur sehr selten und schon gar nicht bei den normalen Umweltverträglichkeitsprüfungen der Hersteller durchgeführt.

Literatur

Mendonça, J. D. S., L. G. Vieira, L. Q. L. Hirano, G. Qualhato, J. C. N. de Almeida, A. L. Q. Santos, E. de Abreu Fernandes, G. Malafaia & D. V. Andrade (2023): Eggshell composition of Amazon turtle (Podocnemis expansa) is altered after incubation in substrates containing glyphosate and fipronil formulations. – Science of The Total Environment 893: 164901 oder Abstract-Archiv.

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