Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer

McGovern - 2020 - 01

McGovern, P. A., K. A. Buhlmann, B. D. Todd, C. T. Moore, J. M. Peaden, J. Hepinstall-Cymerman, j. A. Daly & T. D. Tuberville (2020): Comparing husbandry techniques for optimal head-starting of the Mojave desert tortoise (Gopherus agassizii). – Herpetological Conservation and Biology 15(3): 626–641.

Der Vergleich von Aufzuchtmethoden zur Ermittlung optimaler Head-Start-Bedingungen für die Mojavewüstenschildkröte (Gopherus agassizii).

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Kalifornische Gopherschildkröte, Gopherus agassizii, – © H. Bradley Shaffer
Kalifornische Gopherschildkröte,
Gopherus agassizii,
© H. Bradley Shaffer

Wüstenschildkrötenpopulationen befinden sich in einem andauernden Populationsrückgang innerhalb ihres Verbreitungsgebiets. Head-Start-Programme (also die Aufzucht in Gefangenschaft bis zu einer Größe die den Jungtieren nach der Auswilderung größtmögliche Überlebenschancen bietet) werden ständig als Erhaltungsmaßnahme für diese Art getestet. In früheren Head-Start-Programmen für die Mojavewüstenschildkröte (Gopherus agassizii) wurden die Schlüpflinge ausschließlich in Außengehen angezogen. Hier untersuchten wir die Anwendung einer Kombination aus Innenhaltung und Außenhaltung um den Erfolg bei der Wiederansiedlung durch eine effiziente Aufzucht zu maximieren. Wir nutzten dazu 68 Schlüpflinge (2016 Kohorte) und unterzogen sie einer von zwei Behandlungsmethoden: reine Außengehegehaltung (Head-Start, HS; n = 38) bei der die Schlüpflinge in vor Beutegreifern sicheren Außengehegen untergebracht waren und die Kombinationsgruppe (Combo) HS (n = 30) bei der die Schlüpflinge in einem Innengehege für ein Jahr angezogen wurden und anschließend für ein weiteres Jahr in einem Außengehege aufgezogen wurden. Nach zwei Jahren dieser geschützten Aufzucht entließen wir 24 Schildkröten aus der reinen Außengeheghaltung und 24 Schildkröten aus der Combo-Gruppe im Mojave Nationalpark in Kalifornien, USA am 25. September 2018. Wir verglichen die Körpergrößen, Körperkonditionen und die Panzerhärte der beiden Gruppen vor der Auswilderung und wir verglichen zusätzlich während des ersten Auswilderungsjahres deren Bewegungsmuster und die Überlebensraten. Die Körperkonditionen unterschieden sich bei beiden Gruppen nicht signifikant. Die Schildkröten aus der Gruppe mit ausschließlicher Außenhaltung waren aber signifikant kleiner und wiesen einen weicheren Panzer als die Schildkröten aus der Combo-Gruppe auf. Die ausgewilderten Schildkröten zeigten während des ersten Auswilderungsjahres eine Überlebensrate von 78,2 %. Die Schildkröten aus der Combo-Gruppe zeigten keine so hohe Ausbreitung und legten signifikant kürzere Distanzen zurück im Vergleich zu jenen aus der Gruppe mit reiner Außenanzucht. Unsere Befunde zeigen, dass die Tiere der Combo-Gruppe zum Auswilderungszeitpunkt größer und schwerer waren und härtere Panzer aufwiesen und sie zeigten eine hohe Überlebensrate bei geringerer Abwanderung vom Auswilderungsort, was dafür spricht die kombinierte Anzuchtmethode bei Head-Start-Programmen für Wüstenschildkröten zu nutzen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun diese Studie scheint die Fehler die man bei früheren Head-Start-Programmen getestet hatte (siehe z. B. Daly et al., 2018) einigermaßen überwunden zu haben, obwohl es einen schon etwas verwundert warum manche Parameter sich gerade bei den innen angezogenen Schildkröten gegenüber früher verändert haben. Dabei sind die Befunde aber durchaus vergleichbar z. B. was die Panzerhärte angeht mit den Beobachtungen von (Gramanzini et al., 2013) bei T. hermanni. Es gibt aber dennoch offene Fragen die meiner Meinung nach geklärt werden müssten ehe man die Combo-Methode als Erfolg ansehen sollte. Zum einen wissen wir mittlerweile aus einer Reihe von Untersuchungen, dass der Schildkrötenpanzer nur langsam verknöchert und unter natürlichen Bedingungen bei normalem Wachstum bis zu vier Jahren braucht. Deshalb wird es auch zukünftig notwendig sein zu beobachten, ob die Schildkröten aus der Combo-Gruppe sich auch weiterhin bis zur Adultgröße normal entwickeln. Zum zweiten halte ich auch den Befund, dass die Jungschildkröten aus der Combo-Gruppe eine geringere Abwanderung vom Auswilderungsort zeigen als fragwürdig, denn es bleibt unklar warum? Sind es die möglicherweise beengten Anzuchtbedingungen bei der Innenhaltung die dafür sorgen, dass sie eine geringere Ausbreitungstendenz zeigen oder liegt es daran, dass sie zum Zeitpunkt der Auswilderung größer sind und deshalb die besten Mikrohabitate um den Auswilderungsort leichter erobern können, sodass die kleineren Tiere aus der reinen Außenanzuchtgruppe auf weiter entfernt liegende Mikrohabitate ausweichen müssen? Sprich, beruht die größere Abwanderungsdistanz der Letzteren auf einem reinen Verdrängungsmechanismus und Ausweichverhalten? Langlebige Tiere müssen aber um überleben zu können ihre Anpassungsfähigkeit aufrecht erhalten was dazu führen kann, dass sie sich auch neue Habitate erschließen können müssen, wenn die angestammten sich nachteilig verändern und diesbezüglich könnten die Individuen aus der Combo-Gruppe durchaus auch langfristig Nachteile haben, denn es geht im Leben nicht um das Kurzzeitüberleben! Wie schon R. Dawkins schrieb (siehe Kommentar zu Lee & Hays, 2004) geht es ums Langzeitüberleben, denn eine überlebensfähige Population hängt davon ab, dass die Individuen zumindest so lange überleben bis sie überlebensfähige Nachkommen zeugen konnten. Ja, und von Letzterem sind diese ausgewilderten Head-Start-Schildkröten noch weit entfernt, um von einem Erfolg sprechen zu können. Zudem wird sich auch zeigen müssen wie viele Wüstenschildkröten die Gebiete in denen man solche Tiere auswildert zukünftig verkraften können. Denn wenn wir uns die Einleitung der Arbeit von Scott et al., (2020) einmal genau anschauen, dann scheinen übermäßige Populationsaufstockungen auch ihren Beitrag zum Populationsrückgang zu leisten (siehe auch den Kommentar zu Bertolero et al., 2007). Die zu beurteilenden Entwicklungsvorgänge und Überlebensmechanismen sind nun mal im Leben komplex und insofern machen uns solche Befunde eher darauf aufmerksam was wir noch im Blick behalten müssen ehe wir beginnen können von einem Erfolg oder der einzig richtigen Methode zu sprechen.

Literatur

Bertolero, A., D. Oro & A. Besnard (2007): Assessing the efficacy of reintroduction programmes by modelling adult survival: the example of Hermann's tortoise. – Animal Conservation 10(3): 360-368 oder Abstract-Archiv.

Daly, J. A., K. A. Buhlmann, B. D. Todd, C. T. Moore, J. M. Peaden & T. D. Tuberville (2018): Comparing Growth and Body Condition of Indoor-reared, Outdoor-reared, and Direct-released Juvenile Mojave Desert Tortoises. – Herpetological Conservation and Biology 13(3): 622-633 oder Abstract-Archiv.

Gramanzini, M., N. Di Girolamo, S. Gargiulo, A. Greco, N. Cocchia, M. Delogu, I. Rosapane, R. Liuzzi, P. Selleri & A. Brunetti (2013): Assessment of dual-energy x-ray absorptiometry for use in evaluating the effects of dietary and environmental management on Hermann’s tortoises (Testudo hermanni). – American Journal of Veterinary Research 74(6): 918-924 oder Abstract-Archiv.

Lee, P. L. M. & G. C. Hays (2004): Polyandry in a marine turtle: Females make the best of a bad job. – Proceedings of the National Academy of Science of the U.S.A. 101(17): 6530-6535 oder Abstract-Archiv.

Scott, P. A., L. J. Allison, J. F. Kimberleigh, R. C. Averill-Murray & H. B. Shaffer (2020): Individual heterozygosity predicts translocation success in threatened desert tortoises. – Science 370(6520): 1086-1089 oder Abstract-Archiv.

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