Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Juergen-Bidmon

Francis - 2019 - 01

Francis, E. A., P. D. Moldowan, M. A. Greischar & N. Rollinson (2019): Anthropogenic nest sites provide warmer incubation environments than natural nest sites in a population of oviparous reptiles near their northern range limit. – Oecologia volume 190(3): 511–522.

Anthropogen bedingte Nistplätze bieten wärmere Inkubationsbedingungen als natürliche Nistplätze für eine Population eines oviparen Reptiles nahe seiner nördlichsten Verbreitungsgrenze.

DOI: 10.1007/s00442-019-04383-3 ➚

Schnappschildkröte, Chelydra serpentina, – © Hans-Jürgen Bidmon
Schnappschildkröte,
Chelydra serpentina,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Die Nistplatzauswahl wirkt sich auf viele Phänotypparameter der Schlüpflinge aus und hat einen direkten Einfluss auf die mütterliche Fitness. Vor kurzem gemachte Beobachtungen deuten an, dass ovipare Reptilien häufig Nistplätze wählen die auf Flächen liegen die durch menschliche Bearbeitung verändert wurden während Nistplätze in natürlicher Landschaft zunehmend weniger genutzt werden. Wir starteten dazu eine Langzeitstudie für die Schnappschildkröte (Chelydra serpentina) um natürliche Nistplätze und Nistplätze in vom Menschen veränderten Flächen zu identifizieren und die sogenannten Habitatvariablen zwischen diesen Nistplatztypen zu charakterisieren. Weder die natürlichen noch die anthropogen gestalteten Nistplätze unterschieden sich in Bezug auf die Baumkronenbedeckung, die Entfernung zum nächstgelegenen Gewässer, der Substratzusammensetzung oder anderen Aspekten. Allerdings zeigten die anthropogen veränderten Lokalitäten eine geringere Bedeckung mit bodennahen Pflanzen (Kraut/Gras-Schicht) und mehr freien, hellen Boden und diese Plätze waren um etwa 3,3 °C wärmer als die natürlichen Nistplätze während der Inkubationszeit. Wir benutzten dann das Schoolfield-Modell für die poikilotherme Entwicklung um die eventuell damit verbunden Unterschiede bei der Embryoentwicklungsrate zu erfassen die es zwischen anthropogen veränderten und natürlichen Nistplätzen geben mag. Anhand der gemessenen Inkubationstemperaturunterschiede sollten sich in den wärmeren anthropogenen Nistplätzen die Embryos laut Vorhersage fast doppelt so schnell entwickeln wie in den natürlichen Nistplätzen. Wir legen hier dar warum die Evolution einer schnellen Embryoentwicklungsrate auf unbegrenzte Zeit nicht für die zunehmend bei niedrigerer Temperatur ablaufende Embryoentwicklungsgeschehen in den natürlichen Nistplätzen kompensieren kann die wir zunehmend an den nördlichen Rändern der Verbreitungsgebiete beobachteten, was nahelegt warum die mütterliche Nistplatzauswahl sich zunehmend auf die wärmeren vom Menschen veränderten Flächen verlagert die eventuell oviparen Reptilien dabei hilft in diesen thermisch zeitlich begrenzten Umweltbedingungen zu überleben. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten versuchen die thermischen Vorteile der anthropogen veränderten Flächen zu quantifizieren und versuchen die damit assoziierten Kosten für die Fitness (z.B. damit einhergehende Mortalitätsraten) zu erfassen um aufzuzeigen ob diese anthropogen veränderten Landschaften eher eine ökologische Falle darstellen oder ob wirklich einige Spezies in ihren nördlichsten Verbreitungsgebieten davon profitieren können.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese interessante Studie macht eigentlich auf zwei wesentliche Punkte aufmerksam die häufig bei der ökologischen Diskussion zum Klimawandel unter den Tisch fallen. Zum einen zeigt sie deutlich, dass sich für die den Polen nähergelegenen Flächen auch Abnahmen der durchschnittlichen Bodentemperatur ergeben können, die eventuell eher durch die Veränderungen bei den Niederschlagsmengen und der Bodenvegetation bedingt sein könnten als durch die mehr global gemessenen Temperaturveränderungen hoch über dem Boden oder im Wasser der Ozeane. Zum zweiten wird deutlich, dass diese nördlichen Populationen sogar dadurch noch einen Inkubationstemperaturpuffer nach oben haben (+3,3 °C sind ja schon mal eine Größe) und bei weiter steigenden globalen Umwelttemperaturen eventuell ihren Lebensraum gar nicht verlagern müssten, denn sie könnten laut dieser Studie auch für die natürlich belassene Landschaft durchaus noch eine Zunahme der Umgebungstemperatur tolerieren, die ihnen sogar bessere Inkubationsbedingungen in einer natürlichen Umwelt bescheren könnte. Ob unsere einheimischen Emys orbicularis-Populationen dem auch unterliegen bleibt unklar, aber wenn ich mich an die Vorträge von Herrn Schneeweiß erinnere tendieren unsere einheimischen bradenburgischen Emys-Weibchen auch dazu gerne an Feldrändern oder gar auf blanken Feldboden im Frühjahr abzulegen was leider den Nachteil hat, das die Nester dann durch das schnell aufwachsen Getreide oder Raps so sehr beschattet werden, dass sie sich nicht mehr schnell entwickeln können und durch die Erntemaschinen vor dem Schlupf zerstört werden.

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