Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon

Chávarri - 2012 - 01

Chávarri, M., E. Berriatua, A. Giménez, E. Gracia, C. Martínez-Carrasco, J. M. Ortiz & R. R. Ybáñez (2012): Differences in helminth infections between captive and wild spur-thighed tortoises Testudo graeca in southern Spain: A potential risk of reintroductions of this species. – Veterinary Parasitology 187(3-4): 491-497.

Unterschiede bei Helmintheninfektionen von wilden und gehaltenen Maurischen Landschildkröten, Testudo graeca in Südspanien: Ein potentielles Risiko für die Wiederansiedlung dieser Spezies.

DOI: 10.1016/j.vetpar.2012.02.007 ➚

Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, – © Hans-Jürgen Bidmon
Maurische Landschildkröte,
Testudo graeca,
© Hans-Jürgen Bidmon

Obwohl die Maurische Landschildkröte, Testudo graeca, eine der weit verbreiten Landschildkröten darstellt, sind ihre natürlichen Populationen im gesamten Verbreitungsgebiet gefährdet. Speziell im südöstlichen Spanien ist diese Art durch den Habitatverlust bedroht und zudem durch übermäßig hohe Tierentnahmen, da diese Schildkröte traditionsgemäß ein beliebtes Haustier darstellt. Weil die Schutzzentren im südöstlichen Spanien mit Hunderten von in menschlicher Obhut gehaltenen Landschildkröten aus illegalen Beständen, dem illegalen Handel und aus Gefangenschaftsnachzuchten gefüllt sind, gibt es eine zunehmende Debatte darüber, wie mit diesen Tieren verfahren werden soll und ob sie in lebenslanger Haltung verbleiben sollen oder ob sie ausgewildert werden können. Es ist allgemein bekannt, dass das Auswildern von gehaltenen Schildkröten ein Risiko für die Wildbestände darstellt, zum einen da die genetische Herkunft der Tiere unklar ist und zum anderen da die Gefahr der Verbreitung von Infektionskrankheiten besteht. Obwohl zunehmende Beweise vorliegen, dass infektiöse Erreger ein deutliches Gesundheitsrisiko für die Wildbestände darstellen, ist wenig darüber bekannt, welches Risiko von eingeschleppten Parasiten für die Populationen der Maurischen Landschildkröte besteht. Die hier vorgelegte Arbeit untersucht erstmalig das Vorhandensein von Helmintheneiern und Spulwürmern im Kot, der zwischen März bis Mitte Juni 2010 bei von 107 wilden und gehaltenen Individuen gesammelt wurde, wobei wir die Befunde bestimmten Umweltunterschieden und Wirtsunterschieden zuordnen. Sechzehn Oxyuridenspezies und eine Ascaridenart (Angusticaecum holopterum) wurden identifiziert. Der zuletzt genannte Nematode sowie die Oxyuridenspezies Tachygonetria palearticus und T. seurati waren bislang für wildlebende spanische T. graeca noch unbekannt. Die Häufigkeit von Oxyurideneiern und Würmern lag jeweils bei 94 % und 70 %, während Ascarideneier und Würmer in 26 %, bzw. 5 % der Fälle nachgewiesen wurden. Der Befall mit Ascariden betraf hauptsächlich in Gefangenschaft gehaltene Exemplare, und sie waren signifikant häufiger bei Tieren mit Carapaxdeformationen und bei Tieren mit Oberen Atemwegsinfektionen (p<0,05) zu finden. Im Gegensatz dazu waren Infektionen mit Oxyuriden nie mit negativen Auswirkungen in Bezug auf die Gesundheit der Landschildkröten assoziiert, allerdings nahm die Häufigkeit eines Befalls mit dem Alter der Schildkröten zu. Bei wild lebenden Landschildkröten gab es Unterschiede beim Befall mit den als pharingodonid bezeichneten Arten, die sich je nach Habitat unterschieden. Zudem traten die Arten T. longicollis, T. pusilla, T. conica, T. robusta und Mehdiella stylosa im Vergleich zu Tieren in menschlicher Obhut signifikant häufiger in Wildbeständen auf (p<0.05). Diese Studie verweist auf deutliche Unterschiede in Bezug auf die Nematodenfauna von gehaltenen und wilden Landschildkröten und wirft deshalb noch einmal die Frage auf, ob die Auswilderung gehaltener Tiere nicht doch ein erhöhtes Risiko für die Wildbestände darstellt, da gehaltene Landschildkröten Nematoden, z.B. Ascariden beherbergen und in den Wildbeständen verbreiten können, die bislang noch nicht vorhanden sind.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese sehr interessante Arbeit macht eigentlich erstmals deutlich, dass es auch bei Landschildkröten innerhalb eines Lebensraums habitatspezifische Unterschiede in Bezug auf die Oxyuridenfauna in den Wildbeständen gibt und dass sehr deutliche Unterschiede zwischen den Schildkröten in der Tierhaltung und den Wildbeständen auftreten, wobei auch Parasitenarten vorkommen, die es in den Wildbeständen nicht gibt. Hier stellt sich klar die Frage, warum das so ist? Und eine der wesentlichen Antworten dürfte wohl sein, dass sich diese Wildtierschutzzentren zwar so nennen, aber ihren eigenen Ansprüchen eigentlich oft selbst nicht gerecht werden, da sie außer den als einheimische Wildtiere zu bezeichnenden Arten auch meist alle möglichen exotischen legal oder illegal und eingeführten Schildkrötenspezies beherbergen bzw. halten. Meist sind aus Kostengründen die Hygienemaßnahmen fast nirgends so, dass man zum Beispiel die Übertragung von Helmintheneiern oder anderen Parasiten von Gehege zu Gehege nicht ausgeschlossen werden kann. Zudem weiß man natürlich auch nie mit welchen Parasiten eingestellte Tiere in Berührung gekommen waren. Für uns als Schildkrötenhalter ist wohl zusätzlich noch interessant, dass zwar das Vorhandensein von Oxyuren zu keiner Erkrankung der Schildkröten führt (siehe auch Jennemann 2009, Jennemann & Bidmon 2009), dass aber ein Befall mit dem häufiger in Gefangenschaftsbeständen vorkommenden Ascariden, Angusticaecum holopterum durchaus auch mit anderen Erkrankungen assoziiert war und ein Gesundheitsrisiko darstellen kann. Sicher ist hier noch die Frage zu stellen, ob ein Ascaridenbefall die Schildkröten anfälliger für zusätzliche Krankheitserreger macht oder ob vorerkrankte Tiere leichter von A. holopterum befallen werden, dennoch ist hier Vorsicht geboten. Ich persönlich würde aus eigner Beobachtung auch darauf schließen, dass A. holopterum eher ein Parasit von großwüchsigen Spezies ist, wo er in der Tierhaltung zumindest hierzulande auch wesentlich häufiger zu finden ist und wo er keine deutlich erkennbaren Schäden verursacht, z.B. Panther-, Sporn-.und Strahlenschildkröten, evt. auch große Breitrandschildkröten. Allerdings könnte aufgrund seiner eigenen Größe ein Befall bei kleinwüchsigen Arten durchaus zu einem so starken Nährstoff- und Vitaminentzug führen, dass sich dadurch Wachstumsstörungen einstellen können, wie hier durch die Erwähnung der Panzerdeformationen angedeutet. Hier ist sicher noch einiges an veterinärmedizinischer und ernährungspathophysiologischer Grundlagenforschung notwendig. (Siehe auch Bouamer & Morand 2003, 2004; Rataj et al. 2011, Traversa et al. 2005, Verneau et al. 2011).

Literatur

Bouamer, S. & S. Morand (2003): Phylogeny of palaearctic Pharyngodonidae parasite species of Testudinidae: A morphological approach. Canadian Journal of Zoology – Revue Canadienne de Zoologie 81(11): 1885-1893 oder Abstract-Archiv.

Bouamer, S. & S. Morand (2004): Description of two new species of the genus Tachygonetria Wedl 1862 (Nematoda-Pharyngodonidae) and discussion of the relationships among the species of the genus. – Parasitology Research 91(1): 68-73 oder Abstract-Archiv.

Jennemann, G. (2009): Sind regelmäßige Wurmkuren bei Landschildkröten sinnvoll? – Schildkröten im Fokus 6(4): 25-32 ➚.

Jennemann G. & H-J. Bidmon (2009): Kotanalysen bei Schildkröten. Ein Bildatlas zur koproskopischen Diagnostik Link zu Amazon. – Bergheim (Dauvi–Verlag) 64 S.

Rataj, A. V., R. Lindtner-Knific, K. Vlahovic, U. Mavri & A. Dovc (2011): Parasites in pet reptiles. – Acta Veterinaria Scandinavica 53(1): 33 oder Abstract-Archiv.

Traversa D., G. Capelli, R. Iorio R., S. Bouamer S., A. Cameli & A. Giangaspero (2005): A Epidemiology and biology of nematodofauna affecting Testudo hermanni, Testudo graeca and Testudo marginata in Italy. – Parasitology Research 98(1): 14-20 oder Abstract-Archiv.

Verneau, O., C. Palacios, T. Platt, M. Alday, E. Billard, J. F. Allienne, C. Basso & L. H. Du Preez (2011): Invasive species threat: parasite phylogenetics reveals patterns and processes of host-switching between non-native and native captive freshwater turtles. – Parasitology 138(13): 1778-1792 oder Abstract-Archiv.

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