Grüne Meeresschildkröte, Chelonia mydas, ein Albino-Schlüpfling – © Justin R. Perrault
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Lin - 2023 - 01

Lin, J.-W., C.-P. Liao, C.-C. Chou, R. W. Clark, H.-Y. Tseng, J.-Y. Hsu & W.-S. Huang (2023): Loss of sea turtle eggs drives the collapse of an insular reptile community. – Science Advances 9(50): 7052.

Der Verlust von Eiern der Meeresschildkröten beschleunigt den Zusammenbruch der Reptiliengemeinschaft auf einer Insel.

DOI: 10.1126/sciadv.adj7052 ➚

Grüne Meeresschildkröte, Chelonia mydas, – © Hans-Jürgen Bidmon
Grüne Meeresschildkröte,
Chelonia mydas,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die zusätzliche Versorgung mit Ressourcen aus dem Meer ist häufig sehr wichtig für terrestrische Ökosysteme, was speziell auch für Inseln mit geringer Eigenproduktivität zutrifft. Allerdings den Einfluss, den der Verlust an Ressourcen aus dem Meer auf die terrestrischen Nahrungsketten ausübt, ist häufig nur schwer zu bestimmen. Wir analysierten hier über 23 Jahre die Erhebungsdaten für die Insel Orchid, um die Konsequenzen des abrupt aufgetretenen Verlusts einer wichtigen marinen Zusatzversorgung zu analysieren. Nach einer durch die Klimaveränderungen verursachten Erosion der Küste und den nachfolgenden Maßnahmen, um Beutegreifern den Zugriff auf die verbliebenen Nester der Meeresschildkröten zu verwehren, führten zu einem abrupten Verlust von Schildkröteneiern in der Nahrungskette und Schlangen, die sich von diesen Eiern ernährt hatten und diese suchten sich nun neue Habitate, in denen sie Beute machen konnten. Letzteres steigerte die Bejagung auf andere Reptilienspezies, die weiter im Inland lebten, was dazu führte, dass die meisten Populationen der terrestrisch lebenden Reptilienarten einbrachen. Vergleiche mit Lokalitäten, in denen nie Meeresschildkröten vorkamen und wo die Echsenpopulationen stabil blieben, bestätigten unsere Befunde. Unsere Studie veranschaulicht die unbeabsichtigten, sich kaskadenartig ausbreitenden Auswirkungen auf Beutegreifer, die zu den Generalisten zählen, die sich als Konsequenz durch die Erhaltungsbemühungen für eine einzige Spezies ergeben haben. Letzteres hebt die Wichtigkeit hervor, sich ein Wissen darüber zu verschaffen, wie diese Spezies miteinander in Verbindung stehen, was dazu aufruft, die potenziell vielfältigen vom Meer abhängigen Einwirkungen auf die Ökosysteme von Inseln zu erkennen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun, diese Arbeit verweist ebenso wie die Arbeit von Liao et al. (2021) auf die Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Arten eines Inselökosystems hin. In diesem Fall wird das nur für die Fauna betrachtet, aber wir kennen diese Zusammenhänge schon länger und weit besser für die Beziehung zwischen Pflanzen und bestimmten Tierarten, wo diese Erkenntnisse auch heute schon zur Wiederherstellung (Restauration) von Inselökosystemen genutzt werden (Hansen et al., 2010; Waibel et al., 2013). Solche Arbeiten zeigen uns aber auch wie wichtig es für die Biodiversitätserhaltung ist die Nahrungsketten zwischen den Arten auch an Land zu verstehen, denn auch in rein terrestrischen Ökosystemen spielen diese Parameter eine wesentliche Rolle. Uns sollte schon klar werden, dass die meisten Schädlinge, die wir heute in der Landwirtschaft oder gar im Garten bekämpfen eigentlich auch Bestandteile von Nahrungsketten sind und somit wird sich deren Reduzierung oder Auslöschung auch auf andere Arten, die von ihnen leben auswirken. Dabei ist es dann egal, ob die Bekämpfung dieser als Schädlinge verschrienen Arten durch die sogenannte „Chemische Keule“, durch genetische Veränderungen bei den Pflanzen (Restistenzgene) oder durch andere Maßnahmen erfolgen würden. Wir Menschen als Nutznießer oder Endverbraucher geben ja die verbliebene unverdaute Energie auch nicht mehr an die Natur zurück, sondern führen sie in den meisten Fällen versetzt mit anderen Abfallstoffen und Medikamentenrückständen geordnet ab, denn in Bezug auf die Nahrungsketten haben sich auf früheren Misthaufen und Ställen oder gar Abwassergräben entlang der alten Stadtmauern weit mehr Möglichkeiten ergeben als bei heutigen modernen Kläranlagen.

Literatur

Hansen, D. M., C. J. Donlan, C. J. Griffiths, & K. J. Campbell (2010): Ecological history and latent conservation potential: large and giant tortoises as a model for taxon substitutions. – Ecography 33(2): 272-284 oder Abstract-Archiv.

Liao, C.-P., J. Y. Hsu, S.-P. Huang, R. W. Clark, L. Jhan-Wie, H.-Y. Tseng & W.-S. Huang (2021): Sum of fears among intraguild predators drives the survival of green sea turtle (Chelonia mydas) eggs. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 288(1944): 20202631 oder Abstract-Archiv.

Trullas, S. C., J. R. Spotila & F. V. Paladino (2006): Energetics during hatchling dispersal of the olive ridley turtle Lepidochelys olivacea using doubly labeled water. – Physiological and Biochemical Zoology 79(2): 389-399 oder Abstract-Archiv.

Waibel, A., C. J. Griffiths, N. Zuel, B. Schmid & M. Albrecht (2013): Does a giant tortoise taxon substitute enhance seed germination of exotic fleshy-fruited plants? – Journal of Plant Ecology 6: 57-63 oder Abstract-Archiv.

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