Chinesische Streifenschildkröte, Mauremys sinensis, – © Hans-Jürgen Bidmon

Lee - 2019 - 02

Lee, Y. J.-W. Lin, S.-P. Tseng, T.-S. Chen & S.-M. Lin (2019): Human disturbance as a possible cause of genetic introgression from exotic into native Mauremys turtles. – Animal Conservation 22(6): 556-567.

Menschliche Aktivitäten als mögliche Ursache für die genetische Introgression von exotischen Mauremys-Arten in die natürlichen Mauremys-Vorkommen.

DOI: 10.1111/acv.12494 ➚

Chinesische Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii, – © Hans-Jürgen Bidmon
Chinesische Dreikielschildkröte,
Mauremys reevesii,
einjähriges Jungtier im Aquaterrarium
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Kinmen-Inseln vor der Küste von China repräsentieren einen kürzlich erfolgten Fall von Unterschutzstellung von bedrohten Wildtieren entlang der chinesischen Küste innerhalb einer entmilitarisierten Zone. Diese Inseln repräsentieren das letzte Habitat im südöstlichen China in dem eine gesunde natürliche Population der chinesischen Dreikielschildkröte, Mauremys reevesii vorkommt. Allerdings durch vom Menschen verursachte Verbreitungen haben dazu beigetragen, dass sich auch eine eingeschleppte Population von Mauremys sinensis seit den späten 1990-igern dort etablieren konnte was zu Populationsvermischungen der beiden Spezies führte. Um das potentielle Ausmaß dieser Hybridisierungen zu erfassen untersuchten wir die Größenordnung der genetischen Introgression innerhalb der Teiche auf den Kinmen-Inseln anhand von mitochondrialen Cytochrom b-Sequenzen und 13 Mikrosatellitenloki. Wir nutzten zudem acht Umwelt– und Biologische-Faktoren der Gewässer um anhand einer linearen Regressionsmodellanalyse zu untersuchen welche Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und dem Ausmaß an Introgression bestehen. Unter den 41 untersuchten Teichen fanden wir 21 in denen M. reevesii vorhanden waren, wobei sich in 12 Teichen (57,1%) auch genetische Hybriden und Rückkreuzungen aus Hybriden fanden was etwa einer Gesamtindividuenanteil von 11,3-12,7 % für die Inseln entsprach. Das Ausmaß der genetischen Introgression korrelierte positive mit der Menge der eingeschleppten chinesischen Streifenschildkröten, M. sinensis in den Teichen und zeigte eine schwache negative Korrelation mit zunehmender kürzester Entfernung zwischen den Teichen und den vorhandenen sekundären Straßen. Wir schließen daraus, dass dieses beachtliche Ausmaß an Introgressionen durch die von Menschen verursachte Verbreitung von M. sinensis zurückzuführen ist, wobei die Straßen sowie weitere Habitatveränderungen die Wahrscheinlichkeit für das Zusammentreffen dieser beiden Arten fördert.

Chinesische Streifenschildkröte, Mauremys sinensis, – © Hans-Jürgen Bidmon
Chinesische Streifenschildkröte,
Mauremys sinensis,
© Hans-Jürgen Bidmon

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun hier mal wieder ein Beispiel dafür das Menschen und hier im Besonderen die früheren Militärangehörigen zur Einschleppung von M. sinensis bis zur Entmilitarisierung beigetragen haben. Letzteres macht auch deutlich wie abhängig Naturschutz und Biodiversitätserhalt von der Politik und aktuellen politischen Konflikten sind, denn ob diese Inseln entmilitarisiert bleiben hängt weit weniger von der von China geleiteten Biodiversitätskonferenz in Montreal (COP15) ab als davon wie oft amerikanische Politiker Taiwan besuchen oder China militärisch gegen Taiwan vorgehen will.
Allerdings stellt sich für mich beim Lesen dieser Arbeit auch die Frage, ob es sich bei diesen beiden angeblichen Arten wirklich um Arten oder eher noch Unterarten handelt? Denn wenn die Vermutungen von Vilaça et al. (2023) für Meeresschildkröten stimmen, sollte es aufgrund der „Väterlichen–Midochondrienleckage“ keine adulten Hybridindividuen von zurückgekreuzten Hybridindividuen geben, da diese anscheinend nicht überlebensfähig sein sollen. Da nach der Befruchtung der Eizelle mit dem väterlichen Spermium die am Spermium vorhanden väterlichen Mitochndrien auf artspezifische Weise in der Eizelle an Ubiquitin gebunden werden und so markiert dem intrazellulären Abbau zugeführt werden. Da diese Ubiquitinierung hochgradig artspezifisch sein soll kommt es bei der Introgression dazu, dass diese Ubiqitinierung ausbleibt und das Vorhandensein väterlicher und mütterlicher Mitochondrien die Zellen und die Überlebensfähigkeit der davon betroffenen Individuen schwächt. Hier stellt sich also ganz klar die Frage, ob entweder die angeblich so artspezifische Ubiqitinierung doch nicht so artspezifisch ist oder ob es sich dabei gar nicht um so stark voneinander genetisch und proteinbiochemisch getrennte Arten handelt. Wenn Letzteres zuträfe wäre zu überlegen ob es sich doch eher noch um Unterarten als um eigenständige Arten handelt? Letztendlich sind anscheinend sowohl der
Homo sapiens wie auch andere Wirbeltiere aus solchen Kreuzungs- und Rückkreuzungsprozessen als lebensfähige Spezies hervorgegangen, denn sonst hätte weder der Homo sapiens noch genetische Anteile der Neandertaler und/oder Denisova–Menschen in sich, noch ließen sich solche gentischen Introgressionsanteile im Genom zahlreicher anderer Spezies nachweisen (z. B. um bei Schildkröten zu bleiben siehe Bidmon, 2017). Dass es so etwas für die menschliche Evolutionsline wohl gegeben hat, dafür spricht ja gerade die jüngste Vergabe des Nobelpreises für Medizin. Somit möchte ich hier auch einmal wieder dazu ermahnen solche Beobachtungen genau zu durchdenken, denn sie können auch zu Fehlinterpretationen der Gesamtlage führen, da wir selbst in der Wissenschaft dazu neigen in irgendwelchen logisch klingenden Modellvorstellungen zu denken. Modelle sind aber Modelle und gerade die Biologie verweist uns nur allzu oft darauf das die Realität eben doch auch eine andere sein kann, denn Modelle bauen ja auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen auf die wir haben während die Realität auch auf dem basiert was wir bislang noch nicht wissen.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2017): Sind phylogenetische Stammbäume nur ein Traum? – Schildkröten im Fokus 14(1): 14-27 ➚.

Vilaça, S. T., F. Maroso, P. Lara, B. de Thoisy, D. Chevallier, L. Souza Arantes, F. R. Santos, G. Bertorelle, C. J. Mazzoni (2022): Evidence of backcross inviability and mitochondrial DNA paternal leakage in sea turtle hybrids. – Molecular Ecology 32(3): 628-643 oder Abstract-Archiv.

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