Unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, – © Hans-Jürgen Bidmon

Hays - 2022 - 01

Hays, G. C., A. Taxonera, B. Renom, K. Fairweather, A. Lopes, J. Cozens & J.-O. Laloë (2022): Changes in mean body size in an expanding population of a threatened species. – Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 289(1976): 20220696.

Eine Veränderung bei der durchschnittlichen Körpergröße bei einer expandierenden Population einer bedrohten Art.

DOI: 10.1098/rspb.2022.0696 ➚

Unechte Karettschildkröte, Caretta caretta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Unechte Karettschildkröte,
Caretta caretta,
© Hans-Jürgen Bidmon

Bei einigen Taxa ist die Feststellung einer Reduktion bei der durchschnittlichen Körpergröße der Individuen ein Anzeichen für eine Übernutzung der Population durch Absammeln oder aufgrund der Trophäenjagd. Allerdings zeigen wir hier für Meeresschildkröten, dass eine durchschnittliche Größenabnahme bei den nistenden Weibchen die Hoffnung auf eine Bestandserholung bei einer expandierenden Population anzeigt. Wir beschreiben hier eine um das 70-fache erhöhte Anzahl an jährlich angelegten Nestern für die Insel Sal (Kap Verde, Nordatlantik) über einen Zeitraum von 2008 bis 2020 (beginnend mit 506 bis auf 35.507 Nester). Somit handelt es sich jetzt um eine der weltweit größten Nistkolonien für die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta). Wir führten dazu 20.128 Größenvermessungen bei nistenden Schildkröten durch um zu zeigen, dass deren jährlich bestimmte durchschnittliche Körpergröße um etwa 2,4 cm abnimmt und zwar von 83,2 auf 80,8 cm. Diese Abnahme der durchschnittlichen Körpergroße wurde hier nicht durch das selektive Absammeln von möglichst großen Exemplaren bedingt. Wir zeigen hier im Gegenteil durch die Entwicklung eines theoretischen Modells, dass diese Abnahme bei der durchschnittlichen Größe ablegender Weibchen durch die Zunahme von Weibchen die hier zum ersten Mal nisten bedingt ist und zwar in Kombination mit einer Größenabnahme über die Zeit für diese „Erstnister“. Eine Reduktion der durchschnittlichen Körpergröße bei nistenden Meeresschildkröten wird derzeit für den gesamten Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean berichtet und könnte daher ein allgemein zutreffendes Anzeichen für die Erholung der Meeresschildkrötenpopulationen sein.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Diese Studie verweist auf zwei wesentliche Punkte nämlich, dass es sich lohnt großangelegte Datensammlungen zu erheben und dass man deren Interpretation nicht nur in einer schon seit fast einem halben Jahrhundert praktizierten negativen Form zu geschehen hat. Sicher darf dieser Befund hier nicht als wohl vorläufiger Einzelbefund überbewertet werden, aber er gibt Anlass zur Hoffnung und wenn sich wie von den Autoren spekuliert daraus für alle Weltmeere ein einheitlicher Trend ergeben sollte würde das wirklich einige neue Fragen aufwerfen. Denn würde letzteres nicht bedeuten, dass der Klimawandel eventuell neben den Erhaltungsbemühungen auch einen positiven Beitrag leisten könnte? Sicher gibt es da noch viel zu klären, denn auch eine klimabedingte weltweite Verknappung der Nahrung könnte dazu beitragen, dass die Meeresschildkröten trotz zunehmender Individuenzahl kleiner bleiben. Wir sehen ja überall in den biologischen „Systemen“ das es auf eine ausgeglichene Balance ankommt die es aufrechtzuerhalten gilt, wie sich aber diese Balance langfristig bei steigenden Meerwassertemperaturen wohin verschieben wird ist derzeit noch nicht klar. Siehe dazu auch Bjorndal et al., (2017) und Turner Tomaszewicz et al., (2022).

Literatur

Bjorndal, K. A., A. B. Bolten, M. Chaloupka, V. S. Saba, C. Bellini, M. A. G. Marcovaldi, A. J. B. Santos, L. F. W. Bortolon, A. B. Meylan, P. A. Meylan, J. Gray, R. Hardy, B. Brost, M. Bresette, J. C. Gorham, S. Connett, B. V. S. Crouchley, M. Dawson, D. Hayes, C. E. Diez, R. P. van Dam, S. Willis, M. Nava, K. M. Hart, M. S. Cherkiss, A. G. Crowder, C. Pollock, Z. Hillis-Starr, F. A. Muñoz Tenería, R. Herrera-Pavón, V. Labrada-Martagón, A. Lorences, A. Negrete-Philippe, M. M. Lamont, A. M. Foley, R. Bailey, R. R. Carthy, R. Scarpino, E. McMichael, J. A. Provancha, A. Brooks, A. Jardim, M. López-Mendilaharsu, D. González-Paredes, A. Estrades, A. Fallabrino, G. Martínez-Souza, G. M. Vélez-Rubio, R. H. Boulon Jr, J. A. Collazo, R. Wershoven, V. Guzmán Hernández, T. B. Stringell, A. Sanghera, P. B. Richardson, A. C. Broderick, Q. Phillips, M. Calosso, J. A. B. Claydon, T. L. Metz, A. L. Gordon, A. M. Landry Jr, D. J. Shaver, J. Blumenthal, L. Collyer, B. J. Godley, A. McGowan, M. J. Witt, C. L. Campbell, C. J. Lagueux, T. L. Bethel & L. Kenyon (2017): Ecological regime shift drives declining growth rates of sea turtles throughout the West Atlantic. – Global Change Biology 23(11): 4556-4568 oder Abstract-Archiv.

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