Goforth, K. M., C. M. F. Lohmann, A. Gavin, R. Henning, A. Harvey, T. L. Hinton, D. S. Lim & K. J. Lohmann (2025): Learned magnetic map cues and two mechanisms of magnetoreception in turtles. – Nature: Online ahead of print.
Anzeichen für erlernte Magnetkarten und zwei Mechanismen der Magnetrezeption bei Schildkröten.
DOI: 10.1038/s41586-024-08554-y ➚
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Caretta caretta,
© Hans-Jürgen Bidmon
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass wandernde Tiere das Magnetfeld der Erde zur Navigation nutzen, sowohl als Kompass zur Richtungsbestimmung als auch als Karte zur Bestimmung der geografischen Position (Lohmann et al., 2022). Es wird seit langem vorgeschlagen, dass Tiere die magnetischen Koordinaten des Zielortes erlernen müssen, um mit Hilfe einer magnetischen Karte zu navigieren (Gould, 2015; Gould &Gould, 2012) doch die zentrale Hypothese, dass Tiere magnetische Signaturen geografischer Gebiete erlernen können, wurde unseres Wissens noch nicht getestet. Hier berichten wir, dass eine ikonische navigierende Art, die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta), solche Informationen lernen kann. Wenn sie wiederholt in Magnetfeldern gefüttert wurden, die denen an bestimmten Orten im Ozean nachempfunden sind, lernten junge Schildkröten, Magnetfelder, in denen sie auf Nahrung stießen, von Magnetfeldern zu unterscheiden, die anderswo vorhanden sind – eine Fähigkeit, die der Standorttreue bei der Nahrungssuche zugrunde liegen könnte. Konditionierte Reaktionen in diesem neuen Magnetkartentest wurden durch hochfrequente oszillierende Magnetfelder nicht beeinflusst, eine Behandlung, von der man erwartet, dass sie die auf Radikalpaaren basierende chemische Magnetorezeption (Ritz et al., 2004; Henbest et al., 2004; Granger et al., 2022) stört, was darauf hindeutet, dass der Magnetkartensinn der Schildkröte nicht auf diesem Mechanismus beruht. Im Gegensatz dazu wurde das Orientierungsverhalten, das den Einsatz des Magnetkompasses erforderte, durch hochfrequente oszillierende Magnetfelder gestört. Die Ergebnisse belegen, dass der magnetischen Karte und dem magnetischen Kompass bei Meeresschildkröten zwei unterschiedliche Mechanismen der Magnetorezeption zugrunde liegen.
Kommentar von H.-J. Bidmon
Die Autoren haben hier junge Unechte Karettschildkröten darauf konditioniert (trainiert) Futter in einem bzw. mehreren simulierten Magnetfeld/ern zu bekommen, die bestimmten natürlichen Magnetfeldpositionen entlang der amerikanischen bzw. mittelamerikanischen Küstengewässern entsprechen. Ebenso mussten sie sich auch in simulierten Magnetfeldern aufhalten die natürlichen Magnetfeldpositionen entsprachen in denen sie aber kein Futter angeboten bekamen. Nach dieser Konditionierungsphase wurden die Schildkröten dann in den jeweiligen Magnetfeldern getestet ohne das Futter vorhanden war. Dabei war ausschlaggebend, dass die Jungschildkröten beim Vorhandensein von Nahrung und in Erwartung von Futter einen sogenannten Schildkrötentanz (https://www.nature.com/articles/s41586-024-08554-y#MOESM1 ➚) praktizieren. Dabei zeigte sich, dass die Schildkröten diesen fast ausschließlich nur in den Magnetfeldern zeigten, in denen sie gelernt hatten, dass es dort Futter gab. Diese mit der Fütterung assoziierten Magnetfeldpositionen erkannten sie auch noch 4 Monate nach der Konditionierungsphase. Ebenso zeigte sich auch, dass sie Umlernen können oder neue Positionen dazulernen können. Sicher eine wesentliche Beobachtung, denn in der Natur können sich ja auch die Regionen die Nahrung bieten im Jahreszyklus verändern oder verlagern Dabei zeigte sich auch, dass der Anwendung der erlernten Magnetkarte ein anderer Mechanismus zugrunde liegt als dem zur Navigation benötigten magnetischen Kompass. Im Weiteren gibt es dann eine ausführliche und vergleichende Diskussion über die verschiedenen Hypothesen, Beobachtungen und Mechanismen, die es in Bezug die Magnetorientierung gibt und welche Rolle dabei auch das Licht spielt, obwohl Schildkröten auch im Dunkeln navigieren können. Was diese Karettschildkröten in Bezug zur Orientierung noch so können, geht auch aus den Befunden von Cassill & Watkins (2022) deutlich hervor. Der deutlichste Unterschied im Vergleich des Navigationserlernens zwischen den von Roth & Krochmal (2015) beschriebenen Befunden bei einer Zierschildkrötenpopulation besteht wohl darin, dass letztere nur in der Jugendphase bis zum 4 Lebensjahr ihren Weg erlernen können. Jedoch, lebenslange Orientierungs- und Navigationsfähigkeit kann man wohl bei allen Schildkröten beobachten, denn auch sie müssen sich neu Nahrungsressourcen erschließen können oder entsprechende Überwinterungsplätze oder Lebensräume (z. B. Xiao et al. (2021) einprägen und insbesondere lässt sich das auch bei der Nistplatztreue bei den Weibchen etlicher Spezies beobachten. In Bezug zur Lernfähigkeit bei Schildkröten siehe auch im CS-Archiv Stichwort Lernen und Kognition nach.
Literatur
Cassill, D.L. & A. Watkins (2022): Nest-site choice by loggerhead sea turtles as a risk-management adaptation to offset hatching failure by unpredictable storms and predators. – Frontiers in Ecology and Evolution 10: 850091 oder Abstract-Archiv.
Gould, J. L. (2015): Animal navigation: memories of home. – Current Biology 25(3): R104-R106; DOI: 10.1016/j.cub.2014.12.024 ➚.
Gould, J. L. (2012): Nature's Compass: The Mystery of Animal Navigation. – Princeton University Press 2012; ISBN: 978-0-691-14045-2 ➚.
Gould, J. L. (2022): Environmental sources of radio frequency noise: potential impacts on magnetoreception. – Journal of Comparative Physiology A 208(3): 83-95; DOI: 10.1007/s00359-021-01516-z ➚.
Henbest, K. B., P. Kukura, C. T. Rodgers, P. J. Hore & C. R. Timmel (2004): Radio frequency magnetic field effects on a radical recombination reaction: a diagnostic test for the radical pair mechanism. – Journal of the American Chemical Society 126(26): 8102-8103; DOI: 10.1021/ja048220q ➚.
Lohmann, K. J., K. M. Goforth, A. G. Mackiewicz, D. S. Lim & C. M. F. Lohmann (2022): Magnetic maps in animal navigation. – Journal of Comparative Physiology A 208(1): 41-67; DOI: 10.1007/s00359-021-01529-8 ➚.
Ritz, T., P. Thalau, J. B. Phillips, R. Wiltschko & W. Wiltschko (2004): Resonance effects indicate a radical-pair mechanism for avian magnetic compass. – Nature 429(6988): 177–180; DOI: 10.1038/nature02534 ➚.
Roth, T. C. II & A. R. Krochmal (2015): The Role of Age-Specific Learning and Experience for Turtles Navigating a Changing Landscape. – Current Biology 25(3): 333-337 oder Abstract-Archiv.
Xiao, F., R. Bu, L. Lin, J. Wang & H. Shi (2021): Home-site fidelity and homing behavior of the big-headed turtle Platysternon megacephalum. – Ecology and Evolution 11(11): 5803-5808 oder Abstract-Archiv.
Video: https://www.nature.com/articles/s41586-024-08554-y#MOESM1 ➚
Galerien
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Caretta caretta – Unechte Karettschildkröte