Zierschildkröte, Chrysemys picta, im Gartenteich – © Hans-Jürgen Bidmon

Caldwell - 2006 - 01

Caldwell, I. R. & V. O. Nams (2006): A compass without a map: Tortuosity and orientation of eastern painted turtles (Chrysemys picta picta) released in unfamiliar territory. – Canadian Journal of Zoology – Revue Canadienne de Zoologie 84(8): 1129-1137.

Ein Kompass ohne Landkarte: Richtung und Orientierung bei der östlichen Zierschildkröte (Chrysemys picta picta), ausgesetzt in einem unbekannten Territorium

DOI: 10.1139/Z06-102 ➚

Chrysemys picta, – © Hans-Jürgen Bidmon
Zierschildkröte, Chrysemys picta,
© Hans-Jürgen-Bidmon

Orientierungsmechanismen erlauben es Tieren, die Zeit, während der sie sich in gefährlichen Gebieten Ressourcen (z.B. Nahrung aufzunehmen) verschaffen, durch gezieltes Vorgehen zu minimieren. Die Identifizierung der von den Tieren benutzten Mechanismen kann schwierig sein, aber die Untersuchung der Wege der Tiere, die sie in bekannten oder unbekannten Territorien nutzen, kann hilfreiche Anhaltspunkte liefern, welche Art von Mechanismus wann benutzt wird. Semi-aquatische Schildkröten sind bekannt dafür, dass sie einen „Homing-Mechanismus“ in bekannter Umgebung benutzen, um in ihr Heimatgewässer zurückzufinden, wenn sie an Land sind. Allerdings ist kaum etwas darüber bekannt, wie sie einen Lebensraum (Gewässer) in unbekanntem Habitat lokalisieren würden. Wir testeten die Richtungsfindung und Orientierung an 60 östlichen Zierschildkröten (Chrysemys picta picta (Schneider, 1783)). Wir setzten dazu die Schildkröten an 20 Aussetzungspunkten aus, die in 5 unterschiedlichen Entfernungen und in zwei unterschiedlichen Richtungen zu zwei Gewässern in einem für die Tiere unbekannten Territorium lagen. Die Schildkrötenspuren wanderten ziemlich gerade (fraktale Dimensionen zwischen 1.1 und 1.025), die Wanderungen waren aber unabhängig von der Entfernung zum Gewässer nicht zum Wasser gerichtet (V-Test; u < 0.72; P > 0.1). Die Schildkröten behielten ihre einmal gewählte Wanderrichtung bei, konnten aber das Wasser nicht finden oder waren nicht motiviert genug, um es zu finden. Zusätzlich fanden wir, dass ihre Wege bezogen auf eine große Distanz geradliniger verliefen als auf kurze Distanzen betrachtet, was nicht hätte sein dürfen, wenn die Tiere korrelierte zufällige Wanderrichtungen eingeschlagen hätten. Schildkröten müssen deshalb einen Referenzstimulus zur Navigation in unbekannter Umgebung nutzen.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Nun, die Studie zeigt eigentlich nur, dass Schildkröten einen Stimulus oder Kompass nutzen, nur welcher (Magnetfeld, Sonne, Mond oder Sterne) bleibt offen. Diesbezüglich ist die Studie für mich auch unzureichend geplant, denn wenn Tiere aus zwei unterschiedlichen Richtungen gerichtet vom Wasser weglaufen, gibt es eigentlich nur eine Erklärung für dieses Phänomen: Die Schildkröten orientieren sich so, als würden sie von Land aus zu ihrem angestammten Heimatgewässer zurückkehren wollen. Das würde aber bedeuten, dass man eine solche Studie nur dann sinnvoll auswerten und die Ergebnisse interpretieren kann, wenn man vorher die Heimatgewässer-gerichtete Orientierung jedes Tieres im bekannten Habitat kennt, denn nur dann hätte man einen Anhaltspunkt, wie sich jedes Tier in unbekannter Umgebung orientiert und man könnte dann auch untersuchen, ob sich die gewählte Richtung und damit die Orientierung in Abhängigkeit von Tageszeit oder Wetterlage ändert. Denn egal welchen Kompass die Tiere nutzen, solange sie kein Wasser sehen oder riechen können, haben sie ja nur den Kompass, um sich zu orientieren und da ist dann wohl die gewohnte Richtung auch in unbekannter Umgebung die Vielversprechendste. Letztendlich schließt diese Studie nur aus, dass die Zierschildkröten aus den getesteten Entfernungen Wasser riechen oder sehen können.

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