Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, sitzt sonnend am Ufer – © Hans-Jürgen Bidmon

Sun - 2023 - 01

Sun, X., Y. Piao, T. Wang, J. Fu & J. Cui (2023): Keep numbers in view: red-eared sliders (Trachemys scripta elegans) learn to discriminate relative quantities. – Biology Letters 19(7): 20230203.

Die Anzahl im Auge behalten: Rotwangen-Schmuckschildkröten (Trachemys scripta elegans) erlernen die Fähigkeit relative quantitative Mengen zu unterscheiden.

DOI: 10.1098/rsbl.2023.0203 ➚

Rotwangen-Schmuckschildkröte, Trachemys scripta elegans, – © Hans-Jürgen Bidmon
Rotwangen-Schmuckschildkröte,
Trachemys scripta elegans,
© Hans-Jürgen Bidmon

Die Fähigkeit relative Mengen zu unterscheiden ist eine numerische Kompetenz, die als adaptives Merkmal zur Anpassung an eine variable Umwelt angesehen wird. Neben uns Menschen wurde diese Fähigkeit in mehreren früheren Studien auch für nicht menschliche Primaten und Vögel nachgewiesen. Hier testeten wir, ob die Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans) zwischen relativen Quantitäten unterscheiden kann. Die Schildkröten wurden zuerst darauf trainiert, zwischen verschiedenen Stimuli zu unterscheiden, wobei sie mit Futter belohnt wurden. Anschließend wurden sie mit neuen Stimuluspaaren (Kombinationen) getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Schildkröten die initiale Trainingsphase komplett absolvierten und sie ließen erkennen, dass sie während der eigentlichen Testphase zur korrekten Auswahl die relative Quantitätsabschätzung nutzen, gegenüber der absoluten quantitativen Anzahlerfassung. Diese Studie liefert Verhaltensbeweisen für das Vorhandensein einer relativen Mengenunterscheidung bei einer Reptilienart, was vermuten lässt, dass diese Befähigung unter den Wirbeltieren weitverbreitet ist.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Hier wurden die Schildkröten mit farblich unterschiedlichen symbolischen Plättchen gelb versus blau getestet, wobei sie dann im eigentlichen Test die Menge der gelben Plättchen im Vergleich zur Menge der blauen Plättchen unterscheiden mussten, wobei man dann natürlich auch die Anzahl sowie die Anordnung der gelben versus der blauen Plättchen zueinander variieren konnte. Insofern lieferte diese Studie etwas klarere Ergebnisse, obwohl auch hier mit einem artifiziellen Testansatz trainiert und getestet wurde. Aber es wurden 4 Hypothesen getestet, wobei die Menge der gelben Plättchen mit Belohnung assoziiert war, während die Menge, der blauen nicht belohnt wurde.
Hypothese I: Wenn die Schildkröten die absolute Anzahl der mit Belohnung einhergehenden Plättchen zur Auswahlentscheidung nutzen, müssten sie immer die Kombination mit mehr gelben Plättchen wählen.
Hypothese II: Wenn sie die absolute Anzahl der nicht mit Belohnung assoziierten Plättchen zur Entscheidung nutzen, müssten sie die Stimuluskombination mit mehr blauen Plättchen bei der Auswahl vermeiden.
Hypothese III: Wenn sie die relative Menge der mit Belohnung assoziierten Plättchen versus der nicht-belohnenden Plättchen zur Entscheidung nutzen, müssten sie in jeder Kombination den höheren Prozentanteil gelber Plättchen auswählen.
Hypothese IV: Wenn die Schildkröten die Regel der neu erlernten Plättchenabschätzung nicht verallgemeinern (oder als generell richtig erkennen) können, dann sollte ihre Auswahl nach dem Zufallsprinzip erfolgen. Wie die Ergebnisse belegen wurde mit diesem Kombinationstest die Hypothese III klar bestätigt, da in 80 % der Tests von den 13 Schildkröten die korrekte Auswahl getroffen wurde.

Solche Tests kann man als Beschäftigungstherapie sicher auch zu Hause im Gartenteich durchführen, wenn man farblich unterschiedliches Futter versus Nicht-Futter zur Auswahl anbietet. Siehe dazu auch Loconsole et al., (2023) und den dortigen Kommentar.

Literatur

Loconsole, M., G. Stachner & E. Versace (2023): Crossmodal association between visual and acoustic cues in a tortoise (Testudo hermanni). – Biology Letters 19(7): 20230265; DOI: 10.1098/rsbl.2023.0265 ➚.

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