Senegal-Klappen-Weichschildkröte, Cyclanorbis senegalensis, – © Pearson McGovern

McGovern - 2023 - 01

McGovern, P. & L. Luiselli (2023): Knowledge gaps and conservation priorities for west African chelonians. – Amphibia-Reptilia 44(2): 121–137.

Wissenslücken und Erhaltungsprioritäten für westafrikanische Schildkröten.

DOI: 10.1163/15685381-bja10137 ➚

Afrikanische Weichschildkröte, Trionyx triunguis, – © Pearson McGovern
Afrikanische Weichschildkröte,
Trionyx triunguis,
© Pearson McGovern

Die Definition der Prioritäten ist wichtig sowohl für die Forschung wie auch für Erhaltungszielsetzungen, insbesondere wenn es Wissenslücken gibt die ein erfolgreiches Erhaltungsmanagement behindern. In diesem Übersichtsartikel erfassen wir quantitativ die bestehenden Wissenslücken für alle westafrikanischen Schildkröten mit Ausnahme der Meeresschildkröten anhand von 21 Kriterien. Zusätzlich kombinieren wir diese Wissenslücken mit den Daten für jede einzelne Spezies in Bezug auf deren maximale Größe, Verbreitungsgebietsgröße, deren Vorkommen in national unter Schutz gestellten Gebieten und deren in der Roten-Liste der IUCN oder TFTSG aufgeführten Status, um damit eine Rangliste für die Priorisierung der Erhaltungsmaßnahmen in der jeweiligen Region zu erstellen. Unsere Analysen verweisen auf eine Divergenz in Bezug darauf für welche Art es keine Studien gibt oder welche am meisten von Erhaltungsmaßnahmen profitieren könnten. Diesbezüglich zeigte sich, dass Cyclanorbis elegans jene Art ist über die am wenigsten bekannt ist und die auch am dringendsten von Erhaltungsmaßnahmen abhängig ist. Ansonsten zeigte sich, dass es für alle Pelomedusidae die Notwendigkeit für wissenschaftliche Untersuchungen besteht, aber es sich bei ihnen auch um die am wenigsten gefährdeten Taxa handelt. Im Gegensatz dazu gibt es für die Trionychidae und Testudinidae in den meisten Fällen weit mehr wissenschaftliche Untersuchungen, aber diese beiden Familien repräsentieren auch jene für die die größten Erhaltungsbemühungen unter den westafrikanischen Schildkröten mit hoher Priorität notwendig sind. Unsere Analysen ermöglichten uns auch Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche der Kriterien die Aspekte der Schildkrötenbiologie adressieren, die bislang am häufigsten von der Gemeinschaft der Wissenschaftler/innen übersehen wurden. Die Prioritäten für zukünftige Forschungsarbeiten heben insbesondere Studien zur Reproduktion und Langzeitpopulationsstudien hervor, denn beide Aspekte sind essentiell für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen sowie für die Überprüfung der Ergebnisse die mit den Erhaltungsmaßnahmen erreicht werden konnten.

Senegal-Klappen-Weichschildkröte, Cyclanorbis senegalensis, – © Pearson McGovern
Senegal-Klappen-Weichschildkröte,
Cyclanorbis senegalensis,
© Pearson McGovern

Kommentar von H.-J. Bidmon

Dieser Review knüpft an, an die zahlreichen Erfassungs- und Erhaltungsbemühungen von Professor Luiselli die er auf mehreren Kontinenten in den letzten Jahren adressierte (siehe Luiselli et al., 2022, Thong et al., 2022, Van et al. 2019). Dabei zeigte sich für Afrika auch schon in den vergangen beiden Jahren ab, das Cyclanorbis elegans wohl zu den am stärksten bedrohten Arten Afrikas zählt, für die auch am wenigsten bekannt ist, außer, dass die letzten wohl verblieben Exemplare immer noch bejagt werden und insbesondere über chinesisch stämmige Aufkäufer verfrachtet werden (Luiselli et al., 2021; 2022). Allerdings muss man wieder feststellen, dass zwar Prioritätenlisten gut gemeint sind, dass sie aber den Biodiversitätsverlust nicht bremsen werden solange die Politik dazu keinen Beitrag leistet. Was nützt es, wenn China zwar den Vorsitz bei einer Konferenz zur Erhaltung der Biodiversität hat und im eigenen Land manche Verbote zum Fang von Spezies erlässt, aber weder in China noch insbesondere im Ausland die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen unterbindet oder verhindern kann. Ja, und wie wir gerade im Sudan und Mali sehen sich die politische Lage so verändert, dass Naturschutz und Naturerhalt zu den wohl geringsten Prioritäten gehören an denen die Bevölkerung und die Machthaber ein Interesse haben. So zynisch es klingen mag, unter solchen Bedingungen dürften wohl die Spezies oder Lokalpopulationsmitglieder die es in einen gut geführten Zoo oder eine Tierhaltung geschafft haben diejenigen zu sein die noch am ehesten eine Chance zum Überleben haben. Ja, und die Notwendigkeit von Studien zur Reproduktion und diesbezüglich auch zur Populationsdynamik waren laut der Ökologie schon immer eine wichtige Grundvoraussetzung zur Einschätzung der Lage, ebenso wie uns gerade die Langzeitstudien vor Fehlinterpretationen der Beobachtungen schützen und helfen eine vernünftige Lageeinschätzung und Überprüfung der Erhaltungsbemühungen zu ermöglichen (siehe dazu den Kommentar zu Arantes et al., 2022). Es sagt sich zwar so leicht - Es ist nie zu spät – aber ob wir jetzt noch die Zeit haben auf die Ergebnisse aus Langzeitstudien zu warten ist fraglich? Es mag für etliche Arten längst zu spät sein, insbesondere, wenn deren Lebensräume verloren gehen. Diesbezüglich muss man sich schon die Konsequenzen gut überlegen wie viel Geld und Arbeitskraft man in manche Erhaltungsmaßnahme investieren will, denn mir erscheint es fast so, dass aufgrund der fortschreitenden Verschlechterung mit zunehmenden Bevölkerungszuwachs und zunehmender Klimaverschiebung es mancherorts sinnvoller wäre die Schutzbemühungen für die Arten und Populationen zu priorisieren die noch ein mittleres bis hohes Erhaltungspotential aufweisen, denn wenn wir die aufgrund der Prioritätensetzung für die schon fast ausgerotteten Arten vernachlässigen oder auch aufgrund der finanziellen Möglichkeiten vernachlässigen müssten, könnten wir sowohl die selten wie auch nur einige Zeit später die noch bislang weniger gefährdeten Arten verlieren. Zudem ist die Erhaltung von Arten ja auch nur dort gewährleistet wo wir die sozioökonomischen Bedingungen der Bevölkerung einigermaßen stabilisieren können, sodass der Zugriff auf schützenswerte Naturressourcen keine Überlebensnotwendigkeit für die Menschen darstellt. Vielleicht wäre es sogar mancherorts notwendiger den Fokus auf Letzteres zu legen bevor man anfängt den Naturerhalt zu priorisieren. Siehe dazu auch Bidmon, (2011).

Literatur

Arantes, L. S., L. C. L. Ferreira, M. Driller, F. P. M. Repinaldo Filho, C. J. Mazzoni & F. R. Santos (2020): Genomic evidence of recent hybridization between sea turtles at Abrolhos Archipelago and its association to low reproductive output. – Scientific Reports 10(1): 12847 oder Abstract-Archiv.

Bidmon, H.-J. (2011): Schildkrötenschutz am Südostrand Europas: Ein Besuch zur Eröffnung der GEA Chelonia Foundation, Bulgarien. – Schildkröten im Fokus 8(2): 3-21 ➚.

Luiselli, L., G. S. Demaya, J. S. Benansio, T. F. Lado & S. Jubarah (2022): Nubian flapshell turtle found in northern Uganda. – Oryx 56(1): 10 oder Abstract-Archiv.

Luiselli, L., D. Dendi, J. S. Benansio, G. S. Demaya & C. B. Standord (2021): An additional threat to the recently rediscovered Nubian flapshell turtle in South Sudan. – Oryx 55(4): 490 oder Abstract-Archiv.

Thong, P. V.; O. Le Duc, B. Leprince, C. Bordes, V. Q. Luu & L. Luiselli (2020): Hunters'structured questionnaires enhance ecological knowledge and provide circumstantial survival evidence for the world's rarest turtle. – Aquatic Conservation Marine and Freshwater Ecosystems 30(1): 183-193 oder Abstract-Archiv.

Van, T. P., B. Leprince, H. L. Xuan, Q. N. Thu, O. Le Duc, C. Bordes, M. V. Tien & L. Luiselli (2019): Observations of threatened Asian box turtles (Cuora spp.) on trade in Vietnam. – Herpetological Journal 29(3): 173-178 oder Abstract-Archiv.

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