Cox - 2022 - 01

Cox, N., B. E. Young, P. Bowles, M. Fernández, J. Marin, G. Rapacciuolo, M. Böhm, T. M. Brooks, S. B. Hedges, C. Hilton-Taylor, M. Hoffmann, R. K. B. Jenkins, M. F. Tognelli, G. J. Alexander, A. Allison, N. B. Ananjeva, M. Auliya, L. J. Avila, D. G. Chapple, D. F. Cisneros-Heredia, H. G. Cogger, G. R. Colli, A. de Silva, C. C. Eisemberg, J. Els, A. Fong, T. D. Grant, R. A. Hitchmough, D. T. Iskandar, N. Kidera, M. Martins, S. Meiri, N. J. Mitchell, S. Molur, C. de C. Nogueira, J. C. Ortiz, J. Penner, A. G. J. Rhodin, G. A. Rivas, M.-O. Rödel, U. Roll, K. L. Sanders, G. Santos-Barrera, G. M. Shea, S. Spawls, B. L. Stuart, K. A. Tolley, J.-F. Trape, M. A. Vidal, P. Wagner, B. P. Wallace, Y. Xie (2022): A global reptile assessment highlights shared conservation needs of tetrapods. – Nature 605: 285–290.

Eine globale Erfassung der Reptilien verweist auf die gemeinsamen Erhaltungsvoraussetzungen für die Tetrapoden.

DOI: 10.1038/s41586-022-04664-7 ➚

Eine umfassende Erfassung des Aussterberisikos für alle Spezies verdeutlichte die Aussterbenskrise und unterstreicht die Strategien zur Verringerung dieses Risikos. Die globalen Erhebungen zeigten, dass bei den Tetrapoden 40,7 % der Amphibien, 25,4 % der Säugetiere und 13,6 % der Vögel vom Aussterben bedroht sind. Allerdings haben diese globalen Erhebungen Reptilien bislang nicht berücksichtigt und Reptilien wurden somit bei den Analysen für die Erhaltungspriorisierung für die anderen Vierfüßer ausgeschlossen. Reptilen präsentieren sich in den ariden Regionen als ungewöhnlich diverse Gruppe was vermuten lässt, dass sie abweichende Maßnahmen für ihre Erhaltung benötigen. Deshalb liefern wir hier eine umfassende Erfassung des Aussterberisikos für Reptilien und zeigen, dass mindestens 1.829 von insgesamt 10.196 Spezies (21,1 %) gefährdet sind was zudem eine frühere Hochrechnung bestätigt. Davon betroffen wären 15,6 Milliardenjahre an phylogenetischer Diversitätsentwicklung. Reptilien werden dabei durch die gleichen Hauptfaktoren bedroht die auch andere Tetrapoden gefährden – wie Landwirtschaft, Holzgewinnung, Verstädterung (Zersiedlung) und invasive Spezies wobei die Gefahren durch den Klimawandel noch ungewiss bleiben. Da Wälder am stärksten betroffen sind, sind waldbesiedelnde Reptilien gefährdeter als jene in Trockengebieten. Wobei die letztere Erkenntnis im Gegensatz zu den Vorhersagen steht. Es erwies sich, dass Vögel, Säuger und Amphibien sich unerwarteter Weise als ein guter Ersatz für die Einschätzung der Erhaltungsmaßnahmen für die Reptilien dienen können obwohl die gefährdeten Reptilien mit den kleinsten Verbreitungsgebieten dazu tendieren sich von anderen bedrohten Tetrapoden abzugrenzen. Obwohl einige Reptilien einschließlich der meisten Krokodil- und Schildkrötenarten sofortige gezielte Schutzmaßnahmen zur Verhinderung ihres Aussterbens erfordern dienen die Maßnahmen zur Erhaltung der anderen Tetrapoden wie Habitaterhaltung, Handelskontrollen und die Kontrolle von invasiven Arten aber auch der Erhaltung von Reptilien.

Kommentar von H.-J. Bidmon

Ja ich denke die 20-iger Jahre des 21. Jahrhunderts scheinen sich mal wieder (siehe z. B. Gibbons et al., 2000, Stanford et al., 2020) zu einem Jahr der Erhaltungsaufrufe (in hochkarätigen Wissenschaftsjournalen) für alle Tiergruppen einschließlich der Schildkröten zu entwickeln. Dennoch bleibe ich skeptisch und gehe eher einmal davon aus, dass es zu keinen Verbesserungen kommen wird! Ebenso wie sich seit den beiden Multiautoren- und Multinationalitätenpublikationen (Rhodin et al., 2018; Stanford et al., 2019 und vielen früheren, siehe Archiv z. B. Walker, 2010; Bidmon 2011) kaum etwas verändert hat. Laut Golden-Kroner et al. (2019) hat sich ja die Situation erst während der letzten 22 Jahre eher dramatisch verschlechtert als verbessert. Es bleibt die Frage ob solche Aufrufe und auch die vielen organisationsbasierten Hilfsprojekte etwas Nützliches bewirken können, denn es geht ja eigentlich um politische und soziökonomische Probleme die sich nur sekundär auf den Biodiversitätserhalt auswirken. Um nur ein aktuell diskutiertes Beispiel aufzugreifen mag es zwar gutgemeint sein, wenn die AGA (https://www.aga-artenschutz.de/strahlenschildkroeten.html ➚) sich engagiert und um in Madagaskar beschlagnahmte Strahlenschildkröten kümmert und diese wieder auswildern möchte, aber letztendlich geschieht dies immer noch in einem der ärmsten Länder der Welt und wer kann da schon garantieren ob nicht die Ärmsten der Armen damit wieder versuchen werden ihr Überleben zu sichern (siehe Mandimbihasina et al., 2018). Sicher kann man auch die lokale Bevölkerung mit einbeziehen und finanziell unterstützen, aber eben auch nur solange wie dieses von der Regierung unterstützt wird und wir haben allein in den letzten 10 Jahren gesehen wie Machtwechsel in Brasilien, Myanmar und sogar in den USA vielerorts unmöglich machten was vorher mühsam versucht wurde zu erhalten. Ja, selbst hier innerhalb der Europäischen Union hängt trotz ausgewiesener Schutzprojekte wie Natura 2000 vielerorts die Erhaltung von Biotopen und Habitaten viel wesentlicher von den landesspezifischen Vorgaben für Agrar- Verkehrs- und Wirtschaftspolitik ab als von den vielen gutgemeinten Privatinitiativen zum Biodiversitätserhalt. Um das ganze etwas abzukürzen siehe dazu den Kommentar zu Stanford et al. (2019). Siehe auch: HerpDigest Volume # 25 Issue # 7—2/14/22 zur Sonora-Wüstenschildkröte sowie Waiving rules for moving Florida gopher tortoises helps only developers Agency boosts builders transferring tortoises so they can bury burrows Commentary, 12/9/21, Florida Phoenix, by Craig Pittman in: HerpDigest Volume # 24 Issue # 29 12/13/21.

Literatur

Bidmon, H.-J. (2011) Kommentar zu Hoffmann, A. A. & C. M. Sgro (2011): Climate change and evolutionary Adaptation. – Nature 470(7335): 479-485 oder Abstract-Archiv.

Gibbons, J. W., D. E. Scott, T. J. Ryan, K. A. Buhlmann, T. D. Tuberville, D. S. Metts, J. L. Greene, T. Mills, Y. Leiden, S. Poppy & C. T. Winne (2000): The Global Decline of Reptiles, Déjà Vu Amphibians:
Reptile species are declining on a global scale. Six significant threats to reptile populations are habitat loss and degradation, introduced invasive species, environmental pollution, disease, unsustainable use, and global climate change. – BioScience 50(8): 653-666; DOI: 10.1641/0006-3568(2000)050[0653:TGDORD]2.0.CO;2 ➚.

Golden Kroner, R. E., S. Qin, C. N. Cook, R. Krithivasan, S. M. Pack, O. D. Bonilla, K. A. Cort-Kansinally, B. Coutinho, M. Feng, M. I. Martínez Garcia, Y. He, C. J. Kennedy, C. Lebreton, J. C. Ledezma, T. E. Lovejoy, D. A. Luther, Y. Parmanand, C. A. Ruíz-Agudelo, E. Yerena, V. Morón Zambrano & M. B. Mascia (2019): The uncertain future of protected lands and waters. – Science 364(6443): 881-886 oder Abstract-Archiv.

Mandimbihasina, A. R., L. G. Woolaver, L.E. Concannon, E. J. Milner-Gulland, R. E.Lewis, A. M. R. Terry, N. Filazaha, L. L.Rabetafika & R. P. Young (2018): The illegal pet trade is driving Madagascar‘s ploughshare tortoise to extinction. – Oryx 54(2): 188-196 oder Abstract-Archiv.

Rhodin, A. G. J., C. B. Stanford, P. P. van Dijk, C. Eisemberg, L. Luiselli, R. A. Mittermeier, R. Hudson, B. D. Horne, E. V. Goode, G. Kuchling, A. Walde, E. H. W. Baard, K. H. Berry, A. Bertolero, T. E. G. Blanck, R. Bour, K. A. Buhlmann, L. J. Cayot, S. Collett, A. Currylow, I. Das, T. Diagne, J. R. Ennen, G. Forero-Medina, M. G. Frankel, U. Fritz, G. Garcia, J. W. Gibbons, P. M. Gibbons, S. Gong, J. Guntoro, M. D. Hofmeyr, J. B. Iverson, A. R. Kiester, M. Lau, D. P. Lawson, J. E. Lovich, E. O. Moll, V. P. Paez, R. Palomo-Ramos, K. Platt, S. G. Platt, P. C. H. Pritchard, H. R. Quinn, S. C. Rahman, S. T. Randrianjafizanaka, J. Schaffer, W. Selman, H. B. Shaffer, D. S. K. Sharma, H. Shi S. Singh, R. Spencer, K. Stannard, S. Sutcliffe, S. Thomson & R. C. Vogt (2018): Global Conservation Status of Turtles and Tortoises (Order Testudines). – Chelonian Conservation and Biology 17(2): 135-161 oder Abstract-Archiv.

Stanford, C. B., J. B. Iverson, A. G. J. Rhodin, P. P. van Dijk, R. A. Mittermeier, G. Kuchling, K. H. Berry, A. Bertolero, K. A. Bjorndal, T. E. G. Blanck, K. A. Buhlmann, R. L. Burke, J. D. Congdon, T. Diagne, T. Edwards, C. C. Eisemberg, J. R. Ennen, G. Forero-Medina, M. Frankel, U. Fritz, N. Gallego-García, A. Georges, J. W. Gibbons, S. P. Gong, E. V. Goode, H. T. Shi, H. Hoang, M. D. Hofmeyr, B. D. Horne, R. Hudson, J. O. Juvik, R. A. Kiester, P. Koval, M. Le, P. V. Lindeman, J. E. Lovich, L. Luiselli, T. E. M. McCormack, G. A. Meyer, V. P. Páez, K. Platt, S. G. Platt, P. C. H. Pritchard, H. R. Quinn, W. M. Roosenburg, J. A. Seminoff, H. B. Shaffer, R. Spencer, J. U. Van Dyke, R. C. Vogt, A. D. Walde (2020): Turtles and Tortoises Are in Trouble. – Current Biology 30(12): R721-R735 oder Abstract-Archiv.

Walker, R. C. J. (2010): The decline of the critically endangered northern Madagascar spider tortoise (Pyxis arachnoides brygooi). – Herpetologica 66(4): 411-417 oder Abstract-Archiv.